von Thomas Heck...
Kaum eine Woche vergeht, ohne das nicht eine neue statistische Sau durchs Dorf getrieben wird. Die Ergebnisse fallen jeweils so aus wie bestellt. Letzte Woche hatte Merkels Vision einer kiffenden Jamaika-Koalition noch steigende Umfragewerte. Nun geht das Geseiere der renitenten Kanzlerin selbst dem glühendsten Anhänger kräftig gegen den Strich. Denn die Zustimmung zu Jamaika sinkt. 75 Prozent der Bevölkerung haben keine Angst vor Neuwahlen. Das sollte besonders Angela Merkel zu denken geben. Moderieren reicht nicht. Es braucht die harte Hand. Und selbst Gevatter Seehofer kann seine Abneigung gegen Merkel nicht mehr verhehlen, dem angesichts kommender Landtagswahlen in Bayern und Druck aus der CSU-Basis die Felle wegschwimmen.
Der Deutschlandtrend zeigt es: Folgt man seinen Umfrageergebnissen, fällt den Deutschen der Palavermarathon rund um die Sondierungsgespräche allmählich auf den Nerv.
Je länger die vier Parteien in den Jamaika-Verhandlungen stecken, ihre Ansichten mal mit apostolischem Eifer hinausposaunen, dann wieder wie Krankenschwestern jeden einzelnen ihrer Schritte laut dokumentieren und allesamt bisher nur zeigen, dass dieser Pudel keinen Kern hat, je stärker man also den Eindruck gewinnt: Gesprächspartner dieses Formats sind solche, die einander in guten Tagen übervorteilen und in bösen Tagen verlassen werden, desto rasanter nimmt das Behagen an der Idee eines schwarz-gelb-grünen Bündnisses ab. Waren Anfang Oktober noch 57 Prozent für eine Jamaika-Koalition sind es heute nur noch 45 Prozent.
Zwist und Zank kommen bei den Wählern nicht an. Bundeskanzlerin Angela Merkel hat damit gerechnet und sich dennoch geirrt. Wie schon seit Jahren so versucht die Kanzlerin auch bei den Sondierungsgesprächen den Eindruck zu erwecken, sich aus den Niederungen der Parteipolitik herauszuhalten. Doch die Politik der ruhigen Hand, wie manche ihr Nichtstun interpretieren, kommt nicht mehr gut an.
Bewusst setzt sie darauf, die anderen Politiker als Raufbolde, Hitzköpfe und Rüpel erscheinen zu lassen, um am Ende als eine Instanz, in den Lauf der Debatte einzugreifen, die über den Dingen steht. Während die CSU, die Grünen und Liberalen jeweils versuchen, die anderen im Hagel ihrer Vorschläge zu zermürben, hat die Bundeskanzlerin bisher keine einzige Äußerung von Substanz getan. Soweit nichts neues. Doch dieses Mal aber ist ihr Schweigen von Übel. Merkel steht nun als eine da, die nur regieren will – gleichgültig mit welchem Partner und Inhalt. Fehlt nur noch, dass sie am Ende einer Pressekonferenz jammert, was denn aus ihr werden soll. Geschichte wiederholt sich eben doch.
Koalitionsgespräche sind nicht die Stunden des Bundespräsidenten, der über dem Alltag steht. Da muss man sich schon mal die Finger schmutzig machen. Es ist die Zeit der Parteivorsitzenden, die notfalls in harter Kärrnerarbeit den Wagen aus dem Morast ziehen sollen. Merkel kann das offensichtlich nicht leisten. Die Deutschen sehen es jedenfalls so. In ihrer Gunst ist Merkel allein in den vergangenen vier Wochen um sechs Prozent gefallen. Insofern ist die Kanzlerin zum Erfolg verdammt, Neuwahlen würde sie politisch jedenfalls nicht überstehen.
Womöglich führt der wachsende Verdruss der Bevölkerung über die Damen und Herren auf dem Balkon der Parlamentarischen Gesellschaft zu Berlin nun dazu, dass sie sich zusammenraufen oder, noch besser, für Neuwahlen den Weg frei machen, für viele der ehrlichere Weg.
Die Bevölkerung schreckt Neuwahlen jedenfalls nicht. 75 Prozent der Befragten befürwortet sie, sollten sich die Parteien nicht einigen. Auch diese Haltung ist vernünftig. Diejenigen, welche in der Neuwahl eine Gefahr für die Demokratie wittern, weil sie die Ränder stärken würde, halten eine Entwicklung für zwangsläufig, die es nicht ist.
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