von Thomas Heck...
Berlin, die Stadt, die es nicht schafft den BER fertigzustellen, versucht es jetzt eine Nummer kleiner, um Geld zu verdienen: mit öffentlichen Scheißhäusern. Seit nunmehr 25 Jahren gibt es sie in Berlin, die vollautomatische "City Toilette", aufgestellt von der Außenwerbefirma Wall. Unisex, behindertengerecht und für einen Obolus von 50 Cent pro Besuch. Das zumeist in dezentem Grau gehaltene stille Örtchen dominiert den Berliner Toilettenmarkt. Rund 170 der 252 öffentlichen Aborte betreibt Wall. Kostenfrei für die öffentliche Hand, weil werbefinanziert.
Doch der Vertrag läuft am 31. Dezember 2018 aus und soll, zumindest in der bisherigen Form, auch nicht verlängert werden. Umweltsenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) stellte das "Toilettenkonzept für Berlin" vor. Mit diesem will der Senat in den verbleibenden anderthalb Jahren einen neuen Betreiber suchen. Das bisherige, über Werbeeinnahmen finanzierte Modell könne aus kartell-, beihilfe- und vergaberechtlichen Gründen nicht fortgeführt werden, begründete die Umweltsenatorin den Schritt.
Öffentliche Toiletten sind "hochbrisantes Thema"
Öffentliche Toiletten, so Günther weiter, gehörten zur Daseinsvorsorge und seien somit ein "hochbrisantes, aktuelles und wichtiges Thema". Sie sei überzeugt, dass es gelingen werde, den Berlinern ein "qualitativ hochwertiges Angebot" zu machen. "Das wollen wir mit dem heute vom Senat beschlossenen Konzept sicherstellen", sagte die Senatorin. Sie zeigte sich davon überzeugt, dass es auch künftig gelingen werde, den Betrieb der öffentlichen Toiletten durch Einnahmen aus Werbeflächen im Stadtraum querzufinanzieren. "Nur soll dies eben nicht mehr wie bisher in einem Kopplungsgeschäft geschehen, sondern die Werbeflächen sollen unabhängig und in einem gesonderten Vertrag ausgeschrieben werden", erläuterte sie.
Künftig wolle das Land dem Betreiber für seine Dienstleistungen eine Gebühr zahlen und die Toilettenversorgung stärker am tatsächlichen Bedarf ausrichten. Betrieben werden sollen die Toiletten privat, das Controlling liege aber beim Land. Das lässt bei einem Senat, der weitestgehend nichts auf die Reihe bekommt, schlimmes erwarten.
Die Laufzeit der Verträge soll 15 Jahre betragen. Danach soll das Land die Toiletten kaufen können, so Günther. Mit Wall liefen derzeit noch Gespräche, in der über einen möglichen Weiterbetrieb verhandelt werde. Allerdings gestalten sich diese Verhandlungen offenbar schwierig. "Es sieht so aus, als bräuchten wir eine Interimslösung", räumte Günther ein.
Diese Interimslösung könnte etwa darin bestehen, dass für eine bis zu dreijährige Übergangsphase ab 2018, in der die alten City Toiletten abgerissen und durch neue Aborte eines anderen Anbieters ersetzt würden, "temporäre Miettoiletten" am Standort aufgestellt würden. Diese sollten keine Dixitoiletten, sondern behindertengerechte WC-Anlagen sein – allerdings ohne Wasseranschluss, wie Günther weiter sagte. Auch deren Betrieb müsse ausgeschrieben werden. "Wall muss dann seine Toiletten schrittweise abbauen", sagte Günther weiter. Die Kosten für den Abriss beliefen sich nach ersten Berechnungen ihrer Verwaltung auf rund drei Millionen Euro, sagte Günther weiter.
Wall zeigt sich überrascht von der Senatorin
Wie teuer letztlich die flächendeckende Versorgung mit öffentlichen Toiletten für das Land Berlin tatsächlich werden wird, konnte Günther noch nicht sagen. Durch die Einnahmen aus der Vermarktung der Werbeflächen im öffentlichen Straßenland sei aber nicht mit Mehrkosten zu rechnen. Bei der Firma Wall gab man sich am Dienstag überrascht von den Aussagen der Senatorin. "Wir kennen das Konzept der Senatorin noch nicht, können aber schon jetzt sagen, dass wir uns nicht an einer Ausschreibung beteiligen werden, in der es allein um den Betrieb der Toiletten geht. Das ist nicht unser Geschäftsmodell", sagte ein Unternehmenssprecher der Berliner Morgenpost.
Der Wall-Sprecher bezeichnete die Aussagen Günthers, dass kartell-, beihilfe- und vergaberechtliche Gründe eine Entkopplung des Toiletten- vom Werbegeschäft nötig machten, als "völlig unverständlich". Neben Berlin betreibe man auch in Berlin, Wiesbaden, Potsdam, Münster und Freiburg genau dieses Geschäftsmodell. "Wir haben Verständnis dafür, wenn der Senat sagt, nach 25 Jahren möchten wir, dass nicht jeder Bezirk einzeln Verträge mit uns abschließt", sagte der Sprecher weiter. An einer EU-weiten Neuausschreibung eines Vertrages für ganz Berlin würde sich das Unternehmen beteiligen. Christian Gräff, wirtschaftspolitischer Sprecher der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, hält es für "einen Skandal und ein für die Stadt und die Steuerzahler mehr als gewagtes Experiment", was der Senat plane.
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