von Thomas Heck...
Die Messerattacke von Hamburg war kein unvorhersehbares Ereignis, die Opfer nicht unvorhersehbare Opfer. Alles erfolgte eher planvoll, folgte einer fein abgetimmten Orchestrierung eines kompletten Staatsversagens. Ein Staat, der mehr und mehr die eigene Bevölkerung als Bauernopfer oder Kollateralschaden ansieht, die auf dem Schachbrett der Flüchtlingspolitik für höhere Ziele geopfert werden, die vom Pöbel sowieso nicht verstanden würde. Wozu also erklären?
Der Asylantrag des Hamburger Messer-Angreifers Ahmad A. war im Dezember 2016 abgewiesen worden. Der 26-Jährige hätte ausreisen müssen – und wollte es auch. Dennoch ist er acht Monate später noch in Deutschland und läuft mit einem Küchenmesser Amok. Wie konnte es soweit kommen? Fragt sich zu Recht auch die Hamburger Morgenpost.
Der 26-Jährige sei willens zur Ausreise gewesen, erklärte die Hamburger Polizei bei einer Pressekonferenz am Samstag, er habe „vorbildlich“ kooperiert. Noch am Tattag habe er sich bei der Ausländerbehörde erkundigt, ob die benötigten Ersatzpapiere inzwischen vorlägen, sagt Innensenator Martin Grote (SPD).
Alles deutet darauf hin, dass Ahmad A. Deutschland bereits vor Monaten schnell wieder verlassen wollte. Dass das nicht funktionierte, hängt mit den rechtlichen Hürden zusammen, die mit einer Ausreise verbunden sind. Denn zur Ausreise in seine Heimat benötigte Ahmad A. seine Passdokumente – die lagen jedoch nicht vor. Eine absurde Situation, in der jeder ohne Reisedokumente einreisen und Asyl stammeln kann, die Abschiebung aber abhängig ist vom Wohlwollen der aufnehmenden Länder.
Die palästinensische Mission in Berlin, die Quasi-Botschaft der palästinensischen Gebiete in Deutschland, musste erst Ersatzdokumente bereitstellen. Auch das passierte noch relativ zügig, doch die Behörden in den palästinensischen Gebieten selbst waren noch nicht fertig damit, die Dokumente auf ihre Gültigkeit zu prüfen.
Wie schon bei Anis A., dem Attentäter vom Berliner Weihnachtsmarkt, waren also die Behörden des jeweiligen Heimatlandes augenscheinlich der Flaschenhals. Für die deutschen Sicherheitsbehörden ist das eine frustrierende Situation, denn ob eine Ausreise schnell erfolgt, liegt nicht allein in ihren Händen. Es habe keine Möglichkeit gegeben, um das Ausreiseverfahren noch weiter zu beschleunigen, sagt Innensenator Grote.
Sind die bürokratischen Hürden für Abschiebungen zu hoch?
Sind die bürokratischen Hürden für Abschiebungen also zu hoch? Der Fall zeige „umso dringlicher, dass diese rechtlichen und praktischen Hindernisse bei der Abschiebung beiseite geräumt werden müssen“, sagte Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) in einer ersten Stellungnahme nach der Messer-Attacke.
Doch ob die Behörden wirklich alles getan haben, um den Angriff zu verhindern, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Denn Ahmad A. war den Behörden als Islamist bekannt, zusätzlich galt er als psychisch labil. In der Theorie sind das gleich zwei Hebel für die Behörden: Zum einen durch eine Einstufung als Gefährder, was es ermöglicht hätte, Ahmad A. in Abschiebehaft zu nehmen. Und zum anderen durch die Unterbringung in eine psychiatrische Anstalt – oder zumindest professionelle psychische Betreuung, die der Prävention ebensolcher Gewaltausbrüche dienen könnte.
Für die Einstufung als Gefährder fehlten Indizien
Für die Einstufung als Gefährder hätten jedoch die Indizien gefehlt, erklärte Innensenator Grote. Ahmad A. sei den Behörden als Islamist bekannt gewesen, nicht aber als Dschihadist. Der 26-Jährige sei zum Beispiel kein Teil der einschlägigen islamistischen Netzwerke gewesen, Vorstrafen habe er ebenfalls nicht. Unter anderem deswegen habe er nicht „die Stufe des Gefährders erreicht“, sagte Hamburgs Polizeipräsident Ralf Meyer.
Warum Ahmad A. nicht in die Obhut einer psychiatrischen Einrichtung kam, können sich die Behörden derzeit selbst noch nicht erklären. „Die entsprechenden Beamten sind im Moment nicht greifbar“, sagte Meyer zur „Bild“-Zeitung. Unter anderem sei der Polizei empfohlen worden, Ahmad A. dem sozialpsychiatrischen Dienst für eine Untersuchung zu überstellen. Die Polizei ist dieser Empfehlung aber nicht gefolgt – warum, ist noch unklar.
Hätte der Messer-Angriff also verhindert werden können? Noch sind zu wenige Einzelheiten bekannt. Taten dieser Art wohne immer „ein hohes Maß an Unberechenbarkeit“ inne, sagt Innensenator Grote, „weil es eine in gewisser Weise willkürliche Tat ist – mit primitivsten Mitteln, an einem fast beliebigen Ort ausgeführt“. Eine willkürliche Tat, durch die am Freitagnachmittag ein Supermarkte-Kunde sterben musste.
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