Mittwoch, 14. Juli 2021

Wenn die türkische Quotenfrau die Belegschaft verschleisst...

von Thomas Heck...

Was in diesem Land abgehen wird, wenn erstmal linksgrüne Quotenfrauen das Zepter in die Hand genommen haben werden, kann sich schon mal einen Vorgeschmack dessen anschauen, was einen da erwarten wird. In Berlin dreht SPD-Gesundheitssenatorin schon mal frei und praktiziert einen merkwürdigen Führungsstil...


Am Führungsstil von Gesundheitssenatorin Kalayci gab es immer wieder Kritik, das Personal wechselte schnell und häufig - oft im Streit. Nun haben die Personalräte einen Brandbrief verfasst, in dem sie den Zustand ihres Corona-Krisenstabes scharf kritisieren.

Der Personalrat der Gesundheitsverwaltung und der Hauptpersonalrat des Landes haben in einem Brandbrief vor einem Kollaps des Corona-Krisenstabs gewarnt. In dem Schreiben werden auch schwere Vorwürfe gegen Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci, SPD, erhoben. Die Beschäftigten-Vertreter fordern zudem, dass der Krisenstab aufgelöst wird.

Die Senatorin habe sich gegenüber Beschäftigen "respektlos und unangemessen" verhalten, steht in dem vierseitigen Brief, der dem rbb vorliegt. Den Zustand des Corona-Krisenstabes in der Gesundheitsverwaltung beschreiben die Personalvertreter als desolat. Wörtlich heißt es: "Die Pandemie ist leider noch lange nicht am Ende, der Krisenstab bereits schon."

Krisenstab "ausgelaugt"

Der Brief ist an die Fraktionen im Abgeordnetenhaus, an die Dienstleistungsgewerkschaft verdi und an die Gewerkschaft kommunaler Landesdienst adressiert und kommt einer Abrechnung gleich. Seit Monaten hätten Personalrat und Hauptpersonalrat versucht gegenzusteuern. Man sei jedoch sowohl in der Gesundheitsverwaltung als auch beim Regierenden Bürgermeister "in die Warteschleife" geschoben worden, lautet der Vorwurf.

Seit Anfang Mai 2020 seien in erheblichem Umfang Mehrarbeit, Überstunden, Rufbereitschaft sowie Dienste an Sonn- und Feiertagen angefallen. "Jetzt ist der Krisenstab ausgelaugt und steckt selbst in der Krise", stellen die Personalvertreter fest.

Wutausbrüche und persönlichen Anfeindungen

Eine persönliche Verantwortung für diese "Notsituation" weisen sie Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci und ihrer Staatssekretärin Barbara König zu. So habe es mit beiden "Probleme mit spontanen Wutausbrüchen und persönlichen Anfeindungen… gegenüber Beschäftigten gegeben." Kritische Anmerkungen von Fachleuten würden als Widerworte gegen Anweisungen verstanden und die Mitarbeiter dann aufs "Abstellgleis" gestellt. Wörtlich zitiert wird eine Situation, in der die Senatorin gegenüber Mitarbeitern geäußert haben soll: "Bin ich hier die Einzige, die arbeitet?"

Für die Arbeitsüberlastung des Krisenstabes führen die Personalvertreter mehrere Gründe an. In der Pandemie seien regelmäßig immer neue Aufgaben dazugekommen. Während im Frühjahr 2020 Schutzausrüstungen beschafft wurden, müssten jetzt vor allem Honorarangelegenheiten für die Impfteams und Impfzentren abgearbeitet werden.

Personalvertreter sprechen von "völliger Überlastung"

Die Hausleitung mit der Senatorin an der Spitze erteile den Beschäftigten "fast täglich" neue ad-hoc-Arbeitsaufträge, deren Umsetzung in der Regel noch am gleichen Tag verlangt werde. Sinnvolles und rechtskonformes Verwaltungshandeln werde so erschwert bis verhindert, heißt in es in dem Schreiben. Mitarbeiter seien dadurch in Sorge, dass sie persönlich für fehlerhafte Entscheidungen in Regress genommen werden könnten.

Die Gesundheitsverwaltung sei mit 448 Beschäftigten eine vergleichsweise kleine Verwaltung, die in der Ausnahmesituation nicht durch Fachkräfte aus anderen Verwaltungen unterstützt worden sei, schreiben die Personalvertreter weiter. Das habe zu einer "völligen Überlastung" geführt. Ganze Referate seien dadurch "leergefegt" worden.

Gesundheitsverwaltung will Gespräch suchen

Als Konsequenz fordern der Personalrat der Gesundheitsverwaltung und der Hauptpersonalrat, dass unverzüglich Mitarbeiter aus anderen Bezirks- oder Landesverwaltungen abgeordnet werden, um zu helfen. Den Beschäftigten der Gesundheitsverwaltung müsse der Abbau von Überstunden ermöglicht und Resturlaub gewährt werden. An die Gewerkschaften und die Fraktionen im Abgeordnetenhaus gerichtet, bitten die Personalvertreter um Unterstützung dafür, dass der Krisenstab aufgelöst und die Arbeit in reguläre Abteilungen verlagert wird.

Die Gesundheitsverwaltung reagierte am Mittwochabend mit einer schriftlichen Stellungnahme. Man habe den Brief erhalten und prüfe die Vorschläge nun sorgfältig, hieß es. "Und klar, das gemeinsame Gespräch dazu wird gesucht." Bei der Bewältigung der Pandemie habe die Gesundheitsverwaltung ohne Zweifel die Hauptlast getragen. "Für diesen Einsatz gebührt allen erneut Dank. Das hinlässt sicher Spuren und stresst alle Beteiligten."





Dienstag, 13. Juli 2021

Es war einmal in einem Ministerium, weit weit von der Realität entfernt...

Die Bundeswehr unter Annegret Kramp-Karrenbauer hat ein Weltraum-Kommando eingerichtet... nicht zu glauben... 80 Dienstposten die den ganzen Tag auf das frei zugängliche Programm Stuff in Space starren.








Montag, 12. Juli 2021

Die Nerven der EU-Kommission liegen blank...

von Thomas Heck...

Die EU-Kommission hat Angst. Nach einem erfolgreichem Brexit Großbritanniens, nur der EM-Sieg konnte den Briten erfolgreich verwehrt werden, wird zunehmend schnell beleidigt auf Kritik aus den eigenen Reihen reagiert. Wenn es dann auch noch der größte Nettobeitragszahler der EU, nämlich Deutschland, wagt, durch seine Verfassungsrichter die EU zu hinterfragen, wird umgehend ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet. Zu groß die Gefahr, dass sich Sezessionsgedanken innerhalb der EU festsetzen. Und nun wird in einem Präzedenzverfahren seitens der EU klargestellt, wer in Europa das sagen hat: Die EU oder die Nationalstaaten. Spoileralarm: Es sind nicht die Nationalstaaten. Und so werden deutsche Steuerzahler auch weiterhin italienische Schulden bezahlen und darf ansonsten einfach mal die Klappe halten.


Andreas Voßkuhle, ehemals Präsident des Bundesverfassungsgerichts, hat mit Mutmaßungen über angebliche Zentralisierungspläne von EU-Kommission und Europäischem Gerichtshof (EuGH) Kritik geerntet. In einer Diskussion am 29. Juni hatte er behauptet, die Kommission wolle „auf kaltem Wege“ in Europa „den Bundesstaat“ einführen. Dies sei die „tiefere Motivation“ eines Vertragsverletzungsverfahrens, das sie gegen Deutschland eingeleitet habe. Die Kommission begründet ihr Verfahren damit, dass das Bundesverfassungsgericht 2020 unter Voßkuhles Vorsitz ein Urteil des EuGH verworfen hat. Das verletze den Grundsatz vom „Vorrang des EU-Rechts“. Karlsruhe hatte damals ein billigendes Urteil des EuGH zu Krediten der Europäischen Zentralbank als „schlechterdings nicht mehr nachvollziehbar“ bezeichnet.

Voßkuhle hat im Juni außerdem vor „kollusivem Zusammenwirken“ zwischen EU-Institutionen und dem EuGH gewarnt. „Kollusion“ ist in der Juristensprache unerlaubte Zusammenarbeit zum Schaden Dritter.

Die Vizepräsidentin der Kommission Vera Jourová sagte der F.A.S., das Verfahren gegen Deutschland solle nur die Verträge der EU schützen und „nichts anderes“. Die Verträge müssten überall gleich gelten. Deshalb müsse das letzte Wort beim EuGH liegen. Schärfer wies der frühere Richter am EuGH José Luís da Cruz Vilaça die Vorwürfe zurück. Voßkuhles „Antipathie“ gegen den EuGH beruhe auf „keinerlei juristischen Argumenten“. Leider fuße dessen „politische“ Position auf bloßen „Vermutungen über mutmaßliche geheime Absichten“. Auch Bundestagsabgeordnete nahmen Anstoß. Heribert Hirte (CDU), der Vorsitzende des Unterausschusses Europarecht, nannte Voßkuhles Wort vom kalten Weg zum Bundesstaat „außerordentlich unglücklich“. Die naturgegebene Spannung zwischen EuGH und nationalen Gerichten könne nur durch Dialog gelöst werden „und nicht durch harsche Worte“. Außerdem impliziere die Formel von der „kollusiven Zusammenarbeit“ zwischen europäischen Institutionen und dem EuGH „eine fehlende Unabhängigkeit“ des Gerichts. Das lege „die Axt an die europäische Rechtsgemeinschaft“.

Noch schärfer reagierten die Grünen. Deren Obfrau im Europa-Ausschuss, Franziska Brantner, nannte den Vorwurf der Kollusion eine „ruchlose Unterstellung gegenüber der Kommission und dem EuGH“. Das Vertragsverletzungsverfahren der Kommission führe „weder zu einem europäischen Bundesstaat noch zur Abschaffung Deutschlands“. Es sei gut, dass Brüssel diese Spannung zwischen nationalen und europäischen Gerichten „nicht schwelen lässt, sondern sie im vorgesehenen Rahmen auflösen will“. Sonst könnten Polen oder Ungarn „Unklarheiten für ihre Ziele nutzen und die europäische Rechtsgemeinschaft aushöhlen“.

Die Vizepräsidentin des Europaparlaments Katarina Barley (SPD) wies auf eine weitere Bemerkung Voßkuhles hin: seine Behauptung, das italienische Verfassungsgericht hätte über Kredite der EZB anders entschieden als Karlsruhe, und zwar „weil die Interessen von Italien da irgendwie anders sind“. Die frühere Bundesjustizministerin sagte, mit so „abschätzigen Bemerkungen“ über italienische Kollegen entlarve Voßkuhle nur „seine eigene Denkweise“


Heutige Verfassungsrichter lassen sich lieber vor einer Entscheidung in der Causa Merkel von der Kanzlerin bei Kerzenschein zum Essen einladen...


Sonntag, 11. Juli 2021

Die Lügen der AKK vom stillen Empfang...

von Thomas Heck...

Die deutsche Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenhauer hat vermutlich die Öffentlichkeit getäuscht, sie hat gelogen, als sie behauptete, die aus Afghanistan zurückkehrenden Soldaten hätten eine "stille Ankunft gewünscht". Doch Soldaten widersprechen der Darstellung. "Es wurde im Camp gesagt, es findet wegen Corona nicht statt". Das ist mehr als das übliche freundliche Desinteresse, es ist ein Schlag ins Gesicht aller Soldaten, dass sich kein Regierungsmitglied, kein Parlamentarier und nicht mal die eigene Kanzlerin, noch die Verteidigungsministerin, herabgelassen hat, diejenigen zu begrüßen, die für uns alle die Knochen hingehalten haben.


Als die Reifen des grauen Militärflugzeugs am frühen Abend des 29. Juni 2021 vom Asphalt abheben, wirft Tobias Müller* noch einen letzten Blick auf afghanischen Boden. Während der Truppentransporter aufsteigt und der B52-Bomber der US-Armee, der den Abflug sichert, über dem Gebiet kreist, sieht der Soldat, wie Einheimische die Mauern des Camps überwinden und die Landebahn des Camp Marmal stürmen. Sie wollen die wertvollsten Gegenstände der zurückgelassenen tonnenschweren Ausrüstung an sich bringen, die sich hier im Feldlager in Masar-e-Scharif in 16 Jahren Bundeswehrpräsenz angesammelt haben. Darunter unzählige Feldbetten, Zelte, Container, Sanitätsausrüstung oder auch ein Dutzend Toyota-Hilux-Pickups. Auf die Frage, ob ihn der überhastete Abzug der Bundeswehr an das Desaster der Briten in Dünkirchen 1940 erinnere, muss Müller bitter lachen: „Ein bisschen kann man das vergleichen.“

Nur wenige deutsche Soldaten waren in der fast 20-jährigen Einsatzgeschichte der Bundeswehr in Afghanistan so oft vor Ort wie Müller. Und nur wenige haben in zahlreichen Operationen und Kampfeinsätzen so oft ihr Leben riskiert wie der Berufssoldat. Zahlreiche Kameraden von ihm wurden dabei verletzt, einige sogar getötet. Müller wurde auch noch in Gefechte verwickelt, als die Mehrheit der deutschen Soldaten sich nur noch in ihren Lagern verbarrikadierte, weil die Politiker in Berlin nach 2014 nicht mehr klarmachen konnten, welche konkreten strategischen Ziele ihre Soldaten mehr als 5000 Kilometer entfernt überhaupt erfüllen sollten. Deutschland wolle dem „innerafghanischen Friedensprozess sowie den Anstrengungen des zivilen Aufbaus und der Entwicklungszusammenarbeit in Afghanistan die nötige Zeit und den nötigen Raum geben“, so lautet die schwammige Umschreibung der Bundesregierung auf ihrer Homepage.

Spätestens seit 2015 wurde der Afghanistan-Einsatz zum Problem

Die letzten vier Wochen seien ein großes Chaos gewesen, nichts habe mehr Sinn ergeben, sagt Müller rückblickend. „Spätestens da habe ich gemerkt, es ist Wahljahr.“ Führung und Politik hätten darauf gedrängt, dass der Abzug geordnet und ohne großes Aufsehen erfolge. Doch das sei ganz und gar nicht der Fall gewesen. Zuletzt habe man sogar fahrlässig das Leben deutscher Soldaten aufs Spiel gesetzt. Denn während die Taliban schon bis auf zehn Kilometer zum Feldlager vorgerückt waren, hätte die Politik nicht nur die Sicherheitsempfehlungen der Führungsebene ignoriert oder die im Falle eines Angriffs überlebenswichtige Aufklärungstechnik abbauen lassen, sondern auch die Sturmgewehre von 300 der letzten rund 500 Soldaten nach Deutschland ausgeflogen. Wenn Müller und seine Kameraden, die die Berliner Zeitung am Wochenende befragt hat, davon erzählen, können sie sich auch mehr als eine Woche nach der Ankunft in Deutschland noch richtig in Rage reden: „Das war wie im Zirkus“, sagt Müller. „Wir sollten hier geordnet abziehen aus einem Kriegsland und konnten uns gar nicht mehr verteidigen, falls die Taliban doch noch angreifen.“

Der Abzug des deutschen Kontingents am Hindukusch markiert den vorläufigen Höhepunkt einer Geschichte der Entkopplung zwischen Truppe und Politik. 59 deutschen Soldaten kostete der Afghanistan-Einsatz das Leben. Seit 1992 starben insgesamt 114 deutsche Soldaten im Auslandseinsatz. Sie kamen bei Unfällen und Selbstmordanschlägen um oder wurden in Gefechten erschossen. Was in Afghanistan im Dezember 2001 als UN-Mission für den internationalen Frieden und zur Terrorismusbekämpfung begann, entwickelte sich spätestens seit 2015 zum immer lästiger werdenden Problem für Bundesregierung und Politiker aller Fraktionen. Es fehlte am Willen zu entscheiden, welche Ziele und Aufgaben die Bundeswehr gegenwärtig und künftig haben soll.


Die Ankunft der Soldaten in Niedersachsen war ein Moment der Freude

Um zu verstehen, warum sich Deutschland heute immer schwerer mit seinem Militär tut, muss man nicht, wie oft behauptet wird, bis ins Jahr 1945 zurückgehen. Der frühere Bundespräsident Horst Köhler beschrieb das Verhältnis der Deutschen zu ihrem Militär 2005 noch als „freundliches Desinteresse“. Heute dagegen herrscht Missachtung für das Militär und seine Soldaten. Die Männer und Frauen in Uniform sind in der Ära Merkel zum Spielball von Missmanagement und politischer Machtkämpfe geworden.

Um 13.46 Uhr am 30. Juni erreichte die erste der drei Airbus-A400M-Maschinen mit 264 Soldatinnen und Soldaten an Bord Wunstorf. Zuvor, beim Zwischenstopp in Georgien, habe dann noch die „Bürokratiefaust“ der Bundeswehr zugeschlagen, sagt Müller schmunzelnd. Mehr als vier Stunden habe er 3000 Schuss Munition einzeln in Zählrädchen stecken müssen, bevor es Richtung Heimat ging. In einem Fliegerhorst 30 Minuten außerhalb von Hannover erwarteten Müller und seine Kameraden schließlich ihre Familien, der Befehlshaber des Einsatzführungskommandos und ein Kamerateam von „Hallo Niedersachsen“. Es war ein Moment der Freude für die Soldaten und ihre Angehörigen.

Das Desinteresse der deutschen Regierung an den Soldaten

Auch durch die Medien schien ein Seufzer der Erleichterung zu gehen. Doch bald mischten sich andere Gefühle hinzu, erst Verwirrung, schließlich Zorn. Denn zwischen den Journalisten, Angehörigen und Generälen fehlten diejenigen, die die politische Verantwortung für den Einsatz haben: die Verteidigungsministerin, Mitglieder der Bundesregierung und vor allem die Bundestagsabgeordneten. Als Annegret Kramp-Karrenbauer am Abend live in den Tagesthemen interviewt wurde, verstand man, wieso sie nicht in Wunstorf hatte sein können. Sie war aus Washington zugeschaltet, wo sie sich zu Gesprächen mit ihrem amerikanischen Amtskollegen Lloyd Austin aufhielt. Caren Miosga schien die räumliche Distanz zwischen der Verteidigungsministerin und ihrer Truppe nicht zu wundern – obwohl bei einem Anschlag auf deutsche Soldaten in Mali kurz zuvor zwölf Soldaten teilweise schwer verletzt wurden, drei schwebten zwischenzeitlich in Lebensgefahr. Während des siebeneinhalbminütigen Interviews fragte die Moderatorin kein einziges Mal nach dem Empfang in Wunstorf. Auch die Ministerin erklärte nicht, warum sie gerade jetzt nach Washington reisen musste, obwohl die Rückkehr der Truppe für diese Zeit zumindest intern angekündigt war.

Doch während die Welt am Abend noch in Ordnung war, erschienen in den kommenden Tagen ungewöhnlich scharfe Kommentare in den Zeitungen. „Fußballspieler, die ein Achtelfinale verstolpert haben, kann man so behandeln – nicht aber Soldaten, die ihr Leben einsetzten, um den Auftrag von Regierung und Parlament zu erfüllen“, schrieb die FAZ. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel bei der WM 2014 schon nach dem Auftaktspiel den spärlich bekleideten Mesut Özil fast bis in die Dusche verfolgte, war sie in 16 Jahren Regentschaft bei keiner Ankunft deutscher Soldaten aus einem Auslandseinsatz dabei. Plötzlich ging es um Treue, Tapferkeit und sogar Ehre. Begriffe, mit denen Politiker heutzutage selten konfrontiert werden. Viele schienen überrascht von der Heftigkeit der Reaktionen.

Wütende Reaktionen von Bundeswehrangehörigen

Zahllose Briefe, Mails und Facebook-Nachrichten von entrüsteten Bürgern, viele von Bundeswehrangehörigen, erreichten in der Folge Bundestagsabgeordnete. Von „großem Unverständnis“, fehlender „Ehre und Anerkennung“, „ganz schlechten Ausreden“ war darin zu lesen, einige sprachen sogar von einer „Schande“. Wieso hatte sich nicht ein einziger Parlamentarier gefunden, um die Truppe zu empfangen? So der Tenor vieler Reaktionen. Besonders viele dieser Schreiben erreichten Mitglieder des Verteidigungsausschusses, auch Kerstin Vieregge von der CDU. Sie verfasste als Reaktion am 2. Juli einen Brief an ihre Parteikollegin Kramp-Karrenbauer. Sie bat um eine Erklärung dafür, wieso es Mitgliedern des Verteidigungsausschusses nicht ermöglicht worden war, bei der Ankunft dabei zu sein, und zitierte gleichzeitig wütende Reaktionen von Bundeswehrangehörigen.

Ihre Parteikollegin Kramp-Karrenbauer antwortete prompt: Die Soldaten wollten es so. „Die Entscheidung für eine stille Ankunft und Empfang des Kontingents durch den Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, Generalleutnant Erich Pfeffer, wurde auf ausdrücklichen Wunsch und Vorschlag der zurückkehrenden Soldatinnen und Soldaten getroffen.“ In dem Schreiben heißt es weiter, dies sei ein „klares Zeichen der Wertschätzung und so vorab auch mit dem Verteidigungsausschuss besprochen und durch diesen ausdrücklich unterstützt“ worden.

Von einer Absprache könne keine Rede sein

Eine verblüffende Aussage, denn Kerstin Vieregge sitzt ja selbst im Ausschuss. Mit ihr war das alles wohl nicht besprochen worden, sonst hätte sie ja nicht nachgefragt. Und in den Stunden nach dem Brief der Ministerin, der in Auszügen über die Nachrichtenagenturen lief, meldeten sich immer mehr Mitglieder des Verteidigungsausschusses zu Wort. Weder die Obfrau Siemtje Möller noch der Ausschussvorsitzende Wolfgang Hellmich (beide SPD) konnten sich an eine Absprache erinnern. Sie erklärten, sie wären gerne in Wunstorf dabei gewesen. Doch zu spät seien sie informiert worden, von einer Absprache oder gar Unterstützung einer „stillen Ankunft“ könne keine Rede sein.

Faktisch wurden am Vorabend um 21.37 Uhr nur sechs Mitglieder schriftlich über die geplante Ankunft am Folgetag gegen 12 Uhr mittags unterrichtet. Dass den Parlamentariern eine so wichtige Information bis zuletzt vorenthalten wurde, überrascht, denn normalerweise wird umgehend peinlich genau über jedes schadhafte Rettungsboot oder jede defekte Antenne auf einer Fregatte informiert und dafür zu Sitzungen außerplanmäßig einberufen. Und auch, wenn sie gewollt hätten, hätten die Abgeordneten es gar nicht rechtzeitig nach Wunstorf schaffen können. Denn am Tag der Ankunft fand um 8 Uhr morgens eine Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zum Anschlag auf die deutschen Soldaten in Mali statt.

So geht erfolgreiche Verantwortungsverschleierung im Fach Berufspolitik

Einige Abgeordnete vermuten dahinter eine Strategie: Weil Kramp-Karrenbauer wegen ihrer USA-Reise nicht in Wunstorf sein konnte, sollten auch keine anderen Parlamentarier die Soldaten empfangen. Niemand sollte ihr die Show stehlen. Hätten andere in Wunstorf gestanden, wäre die Frage nach der Abwesenheit der Ministerin zwangsläufig aufgekommen. Da passt Kramp-Karrenbauers Vorschlag eines großen Appells für die Soldaten am 31. August in Berlin mit Bundespräsident, Bundeskanzlerin und Verteidigungsministerin besser. So geht erfolgreiche Verantwortungsverschleierung im Hauptfach Berufspolitik.

Hört man sich in der Truppe um, fällt das Urteil über das Vorgehen des Verteidigungsministeriums vernichtend aus. Die Soldaten unterstellen Kramp-Karrenbauer nachträglich, nur auf das negative Medienecho reagiert zu haben und werfen ihr vor, gelogen zu haben. Tobias Müller, der im Lager alle entscheidenden Prozesse mitbekam und selbst auf dem Flug dabei war, weiß nichts von derartigen „Wünschen“ seiner Kameraden: „Das ist Blödsinn. Wir werden nie gefragt. Wir müssen für jeden Schwachsinn einfach antreten.“ Außerdem gäbe es im Militärjargon den Begriff einer „stillen Ankunft“ überhaupt nicht.

„Es wurde im Camp gesagt, es findet wegen Corona nicht statt“

Generationen von Wehrdienstleistenden werden bei der Formulierung von „Wünschen“ beim Militär sowieso aufgehorcht haben. Doch heute, zehn Jahre nach dem Ende der Wehrpflicht, wissen immer weniger Menschen, dass das Soldatenleben aus Befehl und Gehorsam besteht – nie aus einer Kultur des „Wünsch-dir-Was“. Es wäre wohl das erste Mal in der Geschichte der Bundeswehr, dass die Anliegen der Soldaten in solch einem historischen Moment wie dem Ende eines Kampfeinsatzes eine Rolle gespielt hätten.

Und auch die anderen Ausflüchte des Ministeriums sind für Müller absurd. „Es wurde im Camp gesagt, es findet wegen Corona nicht statt.“ Mit Corona habe ja auch das Ministerium die Abwesenheit von Politikern begründet, sagt der Soldat. Eine Aussage, die überrascht, denn am Wochenende fanden in mehreren Diskotheken in Hannover ganz legal Feiern mit 250 Besuchern statt. Auch ist die Corona-Impfung für Soldaten in Auslandseinsätzen seit März 2021 verpflichtend. Das Einsatzführungskommando der Bundeswehr wollte zu diesen Vorwürfen keine Stellung nehmen. Eine Sprecherin verwies auf frühere Statements.


„Ein würdevoller Empfang ist offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen“

Der ehemalige Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzende des Nato-Militärausschusses, Harald Kujat, in dessen Amtszeit die parlamentarische Entscheidung über den ISAF-Einsatz in Afghanistan 2001 fiel, sieht das ähnlich wie Müller. „Ich bin mir nicht sicher, ob die Soldaten wirklich gefragt wurden. Und es wäre für sie sicherlich kein Problem gewesen, ihre Familien nach so langer Abwesenheit eine halbe Stunde später zu sehen.“ Leider sei das inzwischen das ganz normale Verhalten gegenüber der Bundeswehr. Und er siedelt die Kritik auch an anderer Stelle an: „Ich erinnere mich noch gut an die Bilder von der Begegnung der Bundeskanzlerin mit den Spielern der Fußballnationalmannschaft. Ein wenig von dieser Wertschätzung würde ich mir auch für unsere Soldaten wünschen.“

Und Kujat geht in seiner Beurteilung der Politik noch weiter: „Ein würdevoller offizieller Empfang ist offensichtlich nicht beabsichtigt gewesen. Und alles wirkt so, als wenn die Veranstaltung am 31.8. als Reaktion auf die massive öffentliche Kritik angesetzt wurde.“ Die Distanz der Politik zur Bundeswehr sei vor allem auch die Ursache für die kritische bis ablehnende Einstellung der Bevölkerung. Regierung und Parlament würden Soldaten in Einsätze schicken, die höchste Anforderungen an die Einsatzbereitschaft und Leistungsfähigkeit der Soldaten stellen, ohne ihnen die Ausrüstung zu geben, die den Einsatzerfolg bei einem Höchstmaß an persönlicher Sicherheit gewährleistet. Trotz dieser schwierigen Bedingungen hätten die Soldaten in Afghanistan Hervorragendes geleistet. Viel mehr, als man ihnen angesichts des skrupellosen Verhaltens der politisch Verantwortlichen hätte zumuten dürfen.

Die Bedingungen werden immer prekärer

Kujat, der die Entwicklung der Bundeswehr über viele Jahre mitgestaltet hat, ist über ihren heutigen Zustand und ihr Ansehen in der Bevölkerung zutiefst betroffen. Dass die Entfremdung allein mit der deutschen Geschichte und der Wehrmacht zusammenhänge, hält er für eine Nebelkerze. Das habe es gegeben in der Wiederbewaffnungsdebatte und bis in den Anfang der 1990er-Jahre: „Aber die jetzige Entfremdung ist alleinige Schuld der Bundesregierung.“

Er nennt als Beispiele für Politiker, die sich massiv für die deutschen Sicherheitsinteressen und für eine leistungsfähige, in der Bevölkerung angesehene Truppe eingesetzt hätten, die SPD-Politiker Helmut Schmidt und Georg Leber. Mit der unüberlegten Aussetzung der Wehrpflicht und der sogenannten „Neuausrichtung der Bundeswehr“ – weg vom verfassungsmäßigen Auftrag der Landes- und Bündnisverteidigung, hin zu Auslandseinsätzen – sei das Verhältnis zwischen Aufgaben, militärischen Fähigkeiten und den dafür erforderlichen finanziellen Mitteln immer prekärer geworden.

Eiserner Sparzwang und Überbürokratisierung

Auch wenn sich die Aussetzung der Wehrpflicht für große Teile der Bevölkerung zunächst wie eine folgerichtige Entscheidung anfühlte, verschlechterte sie die Bedingungen in der Armee tatsächlich. Eiserner Sparzwang und Überbürokratisierung zogen ein. Das dynamische Verfügungsmanagement wurde zum geflügelten Wort innerhalb der Streitkräfte. Nur, hinter dem wohlklingenden Namen verbirgt sich schlicht, dass es der Bundeswehr überall an Ausrüstung und Fahrzeugen fehlte und eine Vollausstattung nicht mehr erreicht werden konnte. Dagegen sollten die Einheiten nur über bis zu 70 Prozent des nötigen Materials verfügen und nur für Einsatz oder Ausbildung aufstocken können. Der Verschleiß nahm dramatisch zu.

Das Nachrichtenmagazin Der Spiegel etwa schlachtete diese Mangelwirtschaft in den vergangenen Jahren gnadenlos aus. Von Einheiten, die sich vor Nato-Manövern in der ganzen Republik „Panzer schnorren“, und von Schützenpanzern, die sich teilweise mit Attrappen statt Bordkanonen den alliierten Kameraden präsentierten (und von einer bis auf ein Boot defekten U-Boot-Flotte), war die Rede. Zwischenzeitlich waren etwa von 43 Marine-Hubschraubern nur vier und von 109 Eurofighter-Jets nur acht voll einsatzbereit.

Es entsteht kein kameradschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl

„Ich habe diese Geschichten doch selber gerne gelesen“, frotzelt Soldat Müller, zurück in Deutschland, „das ist doch gute Unterhaltung“. Das Problem sei aber, dass das Ganze die Soldaten direkt gefährde. Spricht man mit Soldaten, die mit Ideen zu neuer Ausrüstung betraut sind, beklagen sie, dass heute rund 500 kompetente Vertragsjuristen fehlen, die die konkreten Wünsche der Truppe schnell und präzise in pragmatische Anweisungen für die Rüstungskonzerne übersetzen könnten. Und so kommt es schon einmal vor, dass Rheinmetall eine Splitterschutzweste mit falschen Taschen anliefert, mit der die Soldaten im Gefecht nichts anfangen könnten.

Müller und die anderen einsatzerfahrenen Berufssoldaten stört bei der Bundeswehr vor allem die Verantwortungsdiffusion in allen Bereichen. Vor allem bei der Beschaffung könne etwa für fehlende Funkgeräte bei der Truppe niemand direkt verantwortlich gemacht werden. Denn an den Prozessen seien zu viele Militärs, inkompetente Beamte und Politiker beteiligt. „Wir machen uns doch lächerlich“, sagt Müller, „die Bevölkerung denkt, bei uns arbeiten nur Idioten“. Und genau das ist für den erfahrenen Soldaten das Hauptproblem: „Die Qualität des Personals hat sich total verschlechtert, wer möchte denn bei all den Problemen noch zur Bundeswehr heute?“ Statt eine schlagkräftige Berufsarmee aufzubauen, gängele man die Soldaten mit Einzelvorschriften. „45 Minuten nach dem Essen darf zum Beispiel kein Sport gemacht werden“, sagt Müller. So bereite man die Truppe also auf einen potenziellen Krieg vor. Außerdem könne sich der einfache Soldat inzwischen direkt bei der Ministerin über jede Entscheidung der Vorgesetzten beschweren. So entstehe kein kameradschaftliches Zusammengehörigkeitsgefühl, sondern eine Kultur des Misstrauens.

Der Ort der Trauer für Bundeswehrsoldaten ist nur schwer zugänglich

Ein paar Mal hätten er und seine Kameraden schon Briefe an ihre Bundestagsabgeordneten geschrieben, um auf Probleme aufmerksam zu machen. Aber statt wirklicher Anteilnahme und Verbesserungsvorschlägen gab es nichtssagende und gestelzte Antwortschreiben von Büroangestellten. „Ich fühle mich total verarscht“, sagt Müller bitter. „Die Identifizierung mit dem Job wird immer schlechter. Es gibt das Selbstverständnis für den Beruf Soldat generell nicht mehr.“ Müller habe daher schon mehrere Male überlegt, einfach aus dem Dienst auszuscheiden: „Das Einzige, was mich hält, sind Kameradschaft und die Liebe zu meinem Land. Auch wenn das alles, wie zuletzt in Afghanistan, strategisch keinen Sinn macht.“

Für Harald Kujat könnte diese toxische Mischung in Zukunft zu ganz realen Risiken führen. Soldaten stünden eben in einem besonderen Treueverhältnis zu ihrem Staat. Wenn dieses Treueverhältnis von der Politik gebrochen wird und sie von den Medien und der Gesellschaft nicht anerkannt würden, könnte dies auf Dauer negative Auswirkungen auf ihre Motivation und Leistungsbereitschaft haben.


In Berlin und Potsdam kann man dieser Tage gut beobachten, wie diese Wertschätzung der Soldaten durch den Staat im Jahr 2021 aussieht. Seit 2014 gibt es in Potsdam in der Henning-von-Tresckow-Kaserne mit dem „Wald der Erinnerung“ einen Ort der Trauer für die in den Einsätzen verstorbenen Soldaten. Hier stehen auch die Ehrenhaine aus den Einsatzgebieten der Bundeswehr. Will man als Angehöriger oder Zivilist den gefallenen Soldaten hier gedenken, muss man derzeit ein aufwendiges Prozedere durchlaufen. Denn ohne vorige Anmeldung kann die Gedenkstätte als Zivilist nicht besucht werden. Man wird von einem Kraftfahrer am Kasernentor abgeholt und von einem Betreuer bei der Besichtigung auf Schritt und Tritt begleitet. 2020 besuchten daher lediglich 4000 Zivilisten den Ort.

In Dänemark gebe es viele Ehrenmale für Soldaten

Wer in der Hauptstadt den zentralen Ort der Trauer für im Dienst verstorbene Soldaten der Bundeswehr, das 2009 errichtete Ehrenmal im Botschaftsviertel, besuchen will, dem fällt auf, wie geschickt die Politik diese 120 Quadratmeter große Erinnerungsstätte in der Großstadt versteckt hat. Die Hildebrandstraße, in der das Ehrenmal an der Westseite am Zaun des Verteidigungsministeriums liegt, ist eine kleine Stichstraße ohne Parkmöglichkeit und jeglichen Publikumsverkehr abseits der großen Hauptstraßen. Von hier aus erreicht man nur die Hintereingänge der Häuser. Außer ein paar Botschaftsangestellte hat sich an diesem Dienstagmorgen nur eine dänische Familie hierher verirrt. Der Vater, Veteran der dänischen Streitkräfte, wundert sich über die Erinnerungskultur in Deutschland. 

„Bei uns in Dänemark gibt es viele Soldatenfriedhöfe“, sagt seine Frau, „die liegen mitten in Kopenhagen und anderen Städten und sind ganz öffentlich zugänglich.“ Die kleine Familie, die gerade Urlaub in Berlin macht, kann nicht verstehen, warum Deutschland so mit seinen Soldaten umgeht. „In Afghanistan sind doch eure eigenen Bürger gestorben.“ In Dänemark würde sowas niemals so gehandhabt: „Bei uns werden ja die Gräber der deutschen Gefallenen aus dem Zweiten Weltkrieg besser geehrt.“

*Name geändert und der Redaktion bekannt







Das Desaster um Annalena Plagiata Baerbock...

Die Suche der Grünen nach der richtigen Abwehrstrategie

Der Wahlkampf der Grünen schien perfekt zu laufen. 

Dann kamen Vorwürfe gegen die Kandidatin – 

und die Partei reagierte konfus. Eine Chronik. 

Grünen-Spitze unter Druck: Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock und Co-Parteichef Robert Habeck (Archivbild von 2019)

Vor ein paar Wochen noch standen die Grünen glänzend da. Nach der Nominierung von Annalena Baerbock als Kanzlerkandidatin im April lag die Partei in Umfragen zeitweise vor der Union bei 28 Prozent. 

Vieles schien möglich, eine historische Zäsur, eine neue Politik für ein anderes Deutschland. Eine junge Frau von Bündnis90/Die Grünen schien ins Kanzleramt zu streben nach 16 Jahren Angela Merkel, während sich die Union in einem Machtkampf zwischen CDU-Chef Armin Laschet und dem CSU-Vorsitzenden Markus Söder verzettelte und die SPD mit Spitzenkandidat Olaf Scholz in den Umfragen nicht von frustrierenden 15 oder 16 Prozent wegkam.

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Doch ein Vierteljahr nach Baerbocks perfekt inszenierter Kür zur Kandidatinund dem Verzicht des Co-Parteivorsitzenden Robert Habeck stehen die Grünen erst einmal vor einem Scherbenhaufen. Ein Vorwurf nach dem anderen prasselte auf Baerbock ein – ein geschönter Lebenslauf, zu spät gemeldete Nebeneinkünfte, Plagiate beim Verfassen ihres Buches.

Einiges war anfangs noch mit Entschuldigungen aus dem Weg zu räumen, doch die Partei wirkte zunehmend orientierungslos bei den Abwehrversuchen. Eine Kehrtwende folgte der nächsten – und vor der entscheidenden Phase des Wahlkampfs suchen nun die Grünen eine Grundlage, um noch einmal in die Offensive zu kommen. 

Die Frage ist, ob das nach all dem, was passiert ist, noch gelingen kann. 

Mitte Mai: Nachgemeldete Sonderzahlungen

Annalena Baerbock räumt „Fehler“ ein: Am 19. Mai wird bekannt, dass Baerbock der Verwaltung des Bundestags Sonderzahlungen von mehr als 25.000 Euro nachgemeldet hat, die sie in den Vorjahren als Bundesvorsitzende von ihrer eigenen Partei bekommen hatte. Den Großteil machte dabei Weihnachtsgeld aus. Darunter war aber auch eine coronabedingte Sonderzahlung aus dem Dezember 2020 in Höhe von 1500 Euro.

Nach Kritik nennt Baerbock es einen „Fehler“, die Sonderzahlungen zunächst nicht gemeldet zu haben. Sie habe „nicht auf dem Schirm gehabt“, dass auch das von ihrer Partei gezahlte Weihnachtsgeld der Bundestagsverwaltung gemeldet werden müsse, erklärt die damals noch designierte Grünen-Kanzlerkandidatin ihr Versäumnis. Sie habe dies jedoch unverzüglich nachgemeldet, sobald ihr dies klar geworden sei.

Anfang Juni: Geschönter Lebenslauf

Baerbock nennt Lebenslauf „sehr komprimiert“: Im Juni wird bekannt, dass Baerbock unscharfe und damit geschönt wirkende Angaben in ihrem Lebenslauf gemacht hat. So hatte sie auf ihrer Website unter Mitgliedschaften zunächst unter anderem die Transatlantik-Stiftung German Marshall Fund und das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR aufgeführt. Später wurde die Seite geändert, die Überschrift lautet statt „Mitgliedschaften“ nun „Beiräte, (Förder-)Mitgliedschaften, regelmäßige Unterstützung“.

Baerbock wehrt sich in der ARD-Sendung „Farbe bekennen“ gegen den Vorwurf, sie stelle sich toller dar, als sie eigentlich sei. „Das hab' ich so nicht gemacht“, sagt Baerbock. Sie habe wichtige beruflichen Etappen und ihre Verbindungen zu Vereinen und Organisationen im Lebenslauf auf ihrer Website „sehr komprimiert“ dargestellt.

„Das war offensichtlich sehr schlampig“, sagt Baerbock. „Ich habe da offensichtlich einen Fehler gemacht, und das tut mir sehr, sehr leid, weil es ja eigentlich in diesen Momenten um große andere Fragen gerade in unserem Land geht.“

Sie finde es wichtig, zu Fehlern zu stehen und sich zu korrigieren. „Jeder Mensch macht Fehler im Leben.“ Sich nun zu verstecken oder zurückzuziehen, „das bin ich ganz und gar nicht“, sagt Baerbock. Sie macht klar, die Kanzlerkandidatur der Grünen nicht an Co-Parteichef Habeck abgeben zu wollen.

Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt stärkt Baerbock den Rücken. Fehler seien menschlich, der Umgang damit aber das Entscheidende, sagt sie. Die Glaubwürdigkeit der designierten Kanzlerkandidatin bleibe gewahrt, betont Göring-Eckardt. „Das ist ihre absolute Stärke, dass sie sich in den Wind stellt und dass sie sagt „ja, ich nehme es auch auf meine Haut und trotzdem mache ich weiter. Trotzdem kämpfe ich weiter um das, worum es jetzt geht“.

Ende Juni: Vorwürfe des Plagiats

Kellner nennt Plagiatsvorwürfe „Rufmord“: Ende Juni gerät die inzwischen vom Parteitag zur Kandidatin gekürte Baerbock in die Kritik, weil sich in ihrem Buch „Jetzt. Wie wir unser Land erneuern“ auffallende sprachliche Ähnlichkeiten zu anderen Veröffentlichungen finden. Der österreichische Plagiatsjäger Stefan Weber spricht von möglichen Urheberrechtsverletzungen

Im Vergleich zu früheren Vorwürfen gegen Baerbock reagiert die Grünen-Parteispitze dieses Mal mit äußerster Entschlossenheit. In einer E-Mail an Unterstützer mit dem Betreff „Das ist Rufmord!“, schreibt Bundesgeschäftsführer Michael Kellner, es handle sich um eine Kampagne und schlägt vor: „Twittere selbst dazu oder retweete und zeige damit volle Solidarität mit Annalena!“

[Mehr zum Thema: Grünen-Chef im Aufwind :Wie Habeck von Baerbocks Schwäche profitiert (T+)]

Harte Kritik von CSU-Generalsekretär Markus Blume kontert Kellner äußerst empört. „Es ist erstaunlich, wie bereitwillig, sich Teile der CSU an Desinformationskampagnen beteiligen und den Rest an Anstand über Bord werfen“, erklärt Kellner. „Dass sich der CSU-Generalsekretär zum Helfershelfer einer dubiosen Kampagne macht, ist entlarvend.“ 

Fraktionschefin Göring-Eckardt versucht, Schärfe herauszunehmen und twittert: „Wir führen gern harten Wahlkampf (...). Aber hört auf mit diesem Schmutz. Demokratischer Wettbewerb hat auch mit Anstand zu tun.“

Baerbock selbst verteidigt sich am 1. Juli gegen die Vorwürfe„Ich habe kein Sachbuch oder so geschrieben“, sagt sie bei „Brigitte live“. Sie habe ein Buch geschrieben, in dem sie deutlich machen wollte, wer sie sei und was sie antreibe. „ Aber da es kein Sachbuch oder wissenschaftliche Arbeit gibt, gibt es gar keine Fußnoten in diesem Buch“, sagt Baerbock.

Einen Tag später verteidigt Kellner den Umgang der Grünen mit den Plagiatsvorwürfen gegen Baerbock. Es würden „Kleinigkeiten aufgebauscht“, auch um von den wichtigen Fragen wie dem Klimawandel abzulenken, sagt er. Nachdem der Vorwurf der Urheberrechtsverletzung im Raum gestanden habe, habe die Partei ein „Stoppschild“ setzen wollen.

Am 5. Juli macht Kellner klar, dass Baerbock Grünen-Kanzlerkandidatin bleibe. „Wir gehen als Team, als grünes Team, gemeinsam in diesen Wahlkampf mit Annalena Baerbock an der Spitze“, sagt er. 

Klar sei, dass jeder Kanzlerkandidat hart angegriffen werden würde, sagt der Bundesgeschäftsführer der Grünen. Er warnt aber vor Desinformationskampagnen. Zudem würden „Bagatellen aufgebauscht, um von den inhaltlichen Auseinandersetzungen, von den großen Fragen abzulenken“. Dahinter stecke möglicherweise die Sorge, dass andere Parteien hier „blasser“ dastehen könnten als die Grünen.

Baerbock nimmt die Kritik ernst: Zwei Tage später räumt Baerbock dann aber selbst einen Fehler ein. „Rückblickend wäre es sicherlich besser gewesen, wenn ich doch mit einem Quellenverzeichnis gearbeitet hätte“,sagt sie der „Süddeutschen Zeitung“. Sie habe für ihr Buch bewusst auf öffentlich zugängliche Quellen zurückgegriffen, gerade wenn es um Fakten gehe. „Aber ich nehme die Kritik ernst“, sagt Baerbock.

Gleichzeitig räumt sie auch Fehler in der Abwehrstrategie gegen die Vorwürfe ein. „Mehr als drei Jahre lang haben wir in der Partei, haben Robert Habeck und ich, intensiv daran gearbeitet, über eine andere Ansprache und Haltung Gräben zu überwinden“, sagt sie. Diese Art der Kommunikation werde in einem harten Wahlkampf auf die Probe gestellt, gerade wegen persönlicher Anfeindungen.

„Auch ich bin da kurz in alte Schützengräben gerutscht“, gibt Baerbock zu. „Dabei geht es mir um das Gegenteil: die großen Zukunftsfragen offen und breit zu diskutieren, hart und klar in der Sache, aber fair im Ton und offen für Argumente.“ So wolle sie Wahlkampf machen.

Michael Kellner, Politischer Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die Grünen
Michael Kellner, Politischer Bundesgeschäftsführer von Bündnis 90/Die GrünenFOTO: DPA/KAY NIETFELD

Kellner spricht von Fehlern im Wahlkampf: Am Tag darauf (8. Juli) räumt Bundesgeschäftsführer Kellner Mängel im bisherigen Wahlkampf der Grünen ein. „Es wurden Fehler gemacht, das ist offensichtlich“, sagt Kellner dem „Spiegel“. Gerade in harten politischen Auseinandersetzungen gelte es „auch selbstkritisch zu sein, immer mal wieder innezuhalten und zu überprüfen, wo man steht“.

Zu den Plagiatsvorwürfen gegen Baerbock sagt Kellner: „Kritik ist stets legitim, auch hier.“ Trotzdem seien das Kleinigkeiten „gemessen an den Herausforderungen unserer Zeit“. 

Kellner verteidigt noch einmal die harte Reaktion auf die Vorwürfe, doch sagt auch: „Wir werden angriffslustig sein und uns wehren, wo nötig, aber nicht aggressiv oder respektlos sein.“

Habeck zeigt sich selbstkritisch: In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ räumt auch Co-Parteichef Habeck ein, dass die Grünen Fehler gemacht haben. Die letzten Wochen seien „kein Glanzstück“ gewesen, sagte Habeck. 

„Diese Vorgänge waren für alle überraschend“, sagte Habeck zu den diversen Vorwürfen gegen Baerbock. „Hätten wir gewusst, dass an den Stellen solider hätte gearbeitet werden müssen, wäre da solider gearbeitet worden.“

Habeck sagt, es sei klar gewesen, dass „mit der Ausrufung einer Kanzlerkandidatin eine Personalisierung einsetzt“. Die Grünen hätten gehofft, diese Personalisierung nutzen zu können, um ihre Themen nach vorn zu stellen. „Insofern müssen wir uns unsere Fehler schon selber ankreiden.“

Es sei nicht die Aufgabe anderer, „uns davor zu schützen. Unsere Gegner dürfen uns kritisieren. Es ist Wahlkampf“. Aufgabe der Grünen sei es nun, sich auf ihre Stärken zu besinnen. „Und die sind: die Themen setzen, die Kontroverse einfordern,“ sagt Habeck. In den gut zwei Monaten bis zum Wahlabend am 26. September könne man klar machen, „dass Vertrauen in die richtige Politik die Abstimmung bestimmen sollte“. Er sehe noch große Chancen, „dieses kostbare Gut Vertrauen zu erwerben“.

[Mehr zum Thema: Die Grünen, Annalena und ich - wie Baerbock mein feministisches Weltbild ins Wanken brachte (T+)]

Ein Wechsel der Kandidatur von Baerbock zu ihm ziehe die Partei nicht in Erwägung. „Das ist Kokolores“, sagt Habeck. Er versichert: „Wir brauchen keinen Neustart.“ Man müsse „zu den Dingen zurückkehren, die uns in die Situation gebracht haben, überhaupt erst eine Kanzlerkandidatin zu benennen“. 

Juli: Baerbocks Stipendium von der Böll-Stiftung

Baerbock will Stipendium prüfen lassen: Baerbock teilt am Samstag (10.7.) mit, die Vergabe eines Promotionsstipendiums an sie durch die Heinrich-Böll-Stiftung untersuchen lassen zu wollen. Baerbock hatte rund 40.000 Euro erhalten, bis sie ihre Arbeit an der Dissertation mit Einzug in den Bundestag einstellte. Bis dahin hatte sie nach Angaben der Stiftung für insgesamt 39 Monate Leistungen bezogen. 

„Angesichts der Medienanfragen zum parteipolitischen Engagement und dem Promotionsstipendium hat Frau Baerbock die Heinrich-Böll-Stiftung gebeten, den nunmehr knapp zehn Jahre zurückliegenden Sachverhalt noch einmal zu betrachten“, teilt eine Grünen-Sprecherin mit.

Baerbock wird unter anderem vorgehalten, sie habe sich eingedenk ihrer vielfältigen politischen Tätigkeiten nicht in der für den Erhalt eines Stipendiums erforderlichen Weise ihrer Doktorarbeit widmen können. Die Grünen-Sprecherin bestreitet dies: Der „Hauptfokus“ der Politikerin, damals unter anderem Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen, habe in diesen Jahren auf der Arbeit an ihrem Promotionsvorhaben gelegen.

In einem internen Papier mit Argumentationshilfen zum Wahlkampf, das Geschäftsführer Kellner und sein Team erarbeitet haben, betonen die Grünen unterdessen, vor allem auf die eigenen politischen Ideen und Inhalte setzenzu wollen. 

Die Grünen wollten sich der Konkurrenz stellen, dabei aber das Augenmaß behalten. „Wir sind angriffslustig, aber nicht aggressiv“, heißt die Devise.

Erschienen im Tagesspiegel...