von Thomas Heck...
Wenn arabische Familien-Clans hierzulande weitestgehend ungestraft ihren "Geschäften" nachgehen und dabei Strafaten en masse begehen, ist laut einer Studie nicht der Straftäter schuld. Nein, Sie sind es. Und ich. Die Gesellschaft ist daran schuld. Mit ihrem verdammten Rassismus. Der verhindere "individuelle Entflastungsmöglichkeiten" und "begünstige eine kriminelle Karriere". Ja, wir zwingen die Familien-Clans geradezu, den kriminellen Weg zu gehen. Kann man sich kaum ausdenken.
Forscher der TU Berlin haben Angehörige arabischer Großfamilien interviewt, viele davon sind verurteilte Straftäter. Ergebnis der über dreijährigen und vom Bund mit 660.000 Euro geförderten Studie: Nicht die Clans sind das Problem, sondern die deutsche Gesellschaft!
Sie pfeifen auf Gesetze, belächeln die Polizei und tanzen dem deutschen Rechtsstaat immer wieder auf der Nase herum. Eingewanderte Großfamilien aus dem arabischen Kulturkreis, landläufig als „kriminelle Clans“ bezeichnet, haben sich in vielen deutschen Großstädten breitgemacht – und weiten ihre Machtpositionen stetig aus.
Drogenhandel, Schutzgelderpressung, illegales Glücksspiel, Waffengeschäfte, Sozialleistungsbetrug oder spektakuläre Raubüberfälle wie beim Jahrhundert-Coup im Grünen Gewölbe in Dresden – die „Geschäftsfelder“ der Banden sind so vielfältig wie gewinnbringend.
Besonders in Berlin, Bremen und im Ruhrgebiet treiben kriminelle Angehörige von Familien wie den Remmos, Abou-Chakers, Miris oder Al-Zeins ihr Unwesen. Jahrelang sah sich die Staatsmacht außerstande, den berüchtigten Dynastien Einhalt zu gebieten oder einzelne Täter, sofern rechtlich überhaupt möglich, aus Deutschland abzuschieben. Oft fehlte es schon am politischen Willen.
Kriminelle Clans ignorieren unseren Rechtsstaat
Erst in letzter Zeit legen die Behörden eine härtere Gangart an den Tag – mit Razzien in Wettbüros und Shishabars, Kontrollen, Sicherstellungen, Verhaftungen, Verurteilungen oder öffentlichkeitswirksamen Kampfansagen an die Szene. Nordrhein-Westfalens Innenminister Herbert Reul (CDU) spricht gern von einer „Politik der tausend Nadelstiche“.
Auch Wissenschaftler zerbrechen sich den Kopf über Clankriminalität und versuchen mit Hilfe diverser Studien, das Phänomen zu erklären.
Die neueste Arbeit kommt von Experten der Technischen Universität (TU) Berlin. Das im Oktober 2020 gestartete Forschungsprojekt „Biographien und Lebenswelten von Angehörigen großfamiliärer Strukturen“ wurde erst vor wenigen Tagen abgeschlossen.
Die vollständigen Ergebnisse sollen im Februar oder März 2024 veröffentlicht werden. FOCUS online konnte schon jetzt mit Studienleiter Robert Pelzer sprechen.
Was er und seine Mitstreiter in knapp dreieinhalbjähriger Recherche herausgefunden haben, dürfte für hitzige Diskussionen sorgen. Denn als Fazit ihrer Arbeit steht eine für viele wohl überraschende Erkenntnis:
An der Ausbreitung der Clankriminalität sind nicht so sehr die Täter schuld, sondern die deutsche Gesellschaft!
Forscher behaupten: Gesellschaft schuld an Entwicklung
Die staatlich geförderte Studie – das Bundesministerium für Bildung und Forschung sponserte das Projekt mit 660.000 Euro – gibt unter anderem Schulen, Arbeitgebern, Medien, Polizei und Politik eine Mitschuld daran, dass Mitglieder arabischer Großfamilien ins kriminelle Milieu abrutschen und zum Teil schwere Straftaten begehen.
Doch was genau haben die Forscher untersucht? Auf welches Material stützen sie sich? Woraus ziehen sie ihre Schlüsse? Und was bedeutet das für den Kampf gegen die Clankriminalität?
FOCUS online fragte Studienleiter Robert Pelzer. Er ist Soziologe und Kriminologe am Zentrum Technik und Gesellschaft der TU Berlin, wo er den Forschungsbereich „Sicherheit – Risiko – Kriminologie“ leitet.
Pelzer: „Wir haben 10 biographische Interviews von ein bis dreistündiger Dauer geführt, in denen die Interviewten ausführlich über ihre Lebensgeschichten berichtet haben.“ Die Befragten waren zwischen 21 und 55 Jahre alt, die meisten haben familiäre Wurzeln in Palästina und dem Libanon, sieben von ihnen waren polizeibekannt und hatten Hafterfahrungen. Die Interviews seien mündlich auf Deutsch geführt worden, „insbesondere in Shisha-Bars“.
Zusätzlich führten die Forscher Kurz-Interviews mit insgesamt 18 Angehörigen von Großfamilien und deren Begleitpersonen. Befragt wurden außerdem Mitarbeiter aus Strafverfolgungsbehörden, der Justiz, sozialen Arbeit, aber auch Rechtsanwälte von Betroffenen.
Großfamilien in Deutschland „ausgegrenzt und stigmatisiert“
„Ergänzend haben wir die Straftatenbiographien von 46 zufällig ausgewählten Personen, die von polizeilicher Seite dem Phänomen ‚Clankriminalität‘ zugerechnet werden, anhand von Ermittlungsakten und Auszügen aus dem Bundeszentralregister analysiert“, so Robert Pelzer zu FOCUS online.
Zur Frage, ob die relativ geringe Datenmenge ausreicht, um von einem repräsentativen Einblick mit belastbaren Ergebnissen sprechen zu können, sagte Pelzer: „In der qualitativen Biographieforschung arbeitet man üblicherweise mit wenigen Interviews.“ In dem Forschungsansatz gehe es „nicht um statistische Repräsentativität“, sondern darum, die Vielfalt von Betroffenen-Biographien „anhand von beispielhaften Fällen“ aufzuzeigen.
Zur Kernaussage der Studie sagt er: „Es ist sehr deutlich geworden, dass die medial suggerierte Vorstellung von Angehörigen arabischsprachiger Großfamilien als pauschal kriminelle und gewaltbereite Personen, die sich gegenüber der Mehrheitsgesellschaft in Parallelwelten und eine Paralleljustiz zurückziehen und die die Werte und die Rechtsstaatlichkeit der Mehrheitsgesellschaft unisono ablehnen, nicht haltbar ist.“
Die kriminellen Karrieren der Befragten „unterscheiden sich wesentlich weniger von deutschstämmigen Kriminellen als dies in den Medien meist suggeriert wird“.
TU Berlin Kriminologe und Studienleiter Robert Pelzer
Pelzer weist zudem darauf hin, dass Angehörige arabischsprachiger Großfamilien in Deutschland oft „ausgegrenzt und stigmatisiert“ würden und „von Alltagsrassismus betroffen“ sein. Das wirke sich „negativ auf individuelle Entfaltungsmöglichkeiten aus“ und begünstige „eine kriminelle Karriere“.
Gegenüber FOCUS online betont Pelzer, im Kontext mit Clans bedeute Stigmatisierung, „dass Personen aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer Großfamilie als potenzielle Kriminelle etikettiert und dementsprechend behandelt werden“.
„Dann scheiße ich auf euch und gehe den kriminellen Weg“
Das beginne schon in der Schule. So könne eine Stigmatisierung durch Lehrer oder Klassenkameraden dazu führen, „dass sich Betroffene gemobbt fühlen. Das verursacht Stress und wirkt sich negativ auf das Selbstwertgefühl aus.“ Unter Umständen könne die Stigmatisierung „das Risiko eines Schulversagens“ steigern.
Problematisch werde die Zugehörigkeit zu einer Großfamilie „insbesondere bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, einem Job oder auch einer eigenen Wohnung“, so Kriminologe Pelzer. „Sowohl die schulisch Erfolgreichen als auch die Schulabbrecher berichten über Erlebnisse der Zurückweisung von Arbeitgebern oder Vermietern mit Verweis auf ihren familiären Hintergrund.“
Über die Folgen der angeblichen Stigmatisierung sagte der Forscher zu FOCUS online: „Es kann passieren, dass Betroffene sich irgendwann mit der Situation abfinden oder gar die Zuschreibung als kriminelles ‚Clanmitglied‘ in das Selbstbild übernehmen und sich dann denken: ‚Okay wenn ihr mir keine andere Chance lasst, dann scheiße ich auf euch und gehe jetzt den kriminellen Weg‘."
Stigmatisierung verstärke also „die Bindung an einen kriminellen Lebensentwurf. Die Kriminalität erscheint irgendwann als alternativlos“, so Pelzer. „Ungleiche Chancen zu gesellschaftlicher Teilhabe spielen eine große Rolle.“
Auf die Frage, warum Angehörige arabischer Großfamilien in Deutschland kriminelle Karrieren starten, sagte der Forscher, eine wichtige Rolle spiele „das Aufwachsen unter prekären sozialen Bedingungen“. Hinzu kämen „Fluchterfahrungen und andere traumatische Erlebnisse“. Zudem würden „die negativen Auswirkungen eines Duldungsstatus“ Straftaten begünstigen.
Von Polizei „häufiger kontrolliert und härter behandelt“
In diesem Zusammenhang wirft Pelzer den Verantwortlichen in Deutschland „institutionelle Diskriminierung“ vor. „Geflüchtete aus dem Libanon und deren Nachkommen in bereits dritter Generation haben in nicht wenigen Fällen keinen Aufenthaltstitel. Sie sind ausländerrechtlich nur geduldet, obwohl vollkommen klar ist, dass ihr Lebensmittelpunkt und ihre Lebensperspektive in Deutschland liegt und sie nicht in den Libanon zurückkehren oder als in Deutschland Geborene dorthin auswandern werden.“
Für den Wissenschaftler steht fest: „Menschen, die hier dauerhaft leben, in ihren Möglichkeiten zur gesellschaftlichen Integration derart einzuschränken, ist aus kriminalpräventiver Sicht vollkommen kontraproduktiv.“ Es wäre besser, „soziale Ungleichheit zu reduzieren und allen Menschen eine Perspektive zu gesellschaftlicher Teilhabe zu bieten.“
In den Interviews mit Mitarbeitern der TU Berlin berichteten viele Angehörige arabischer Großfamilien „über negative Erfahrungen mit Polizeikontakten“, so Pelzer. Sie glaubten, „dass sie aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes, ihres Nachnamens oder ihrer Herkunft von der Polizei häufiger kontrolliert und härter behandelt werden“.
Über die Rolle der Polizei sagt der Forscher zu FOCUS online: „Feststellen können wir zunächst, dass das Polizei-Verhalten häufig als stigmatisierend erlebt wird und dass diese Erlebnisse dazu beitragen können, dass die Betroffenen sich aus der Gesellschaft zurückziehen.“ Pelzer: „Wie der Rest der Gesellschaft, ist auch die Polizei von Alltagsrassismen geprägt.“
Die Einschätzung des Forschers ist brisant. Denn nach dieser Lesart führt der verstärkte Druck von Polizei und Justiz auf Angehörige arabischer Großfamilien dazu, dass sich die Betroffenen erst recht abschotten und kriminelle Handlungen begehen. Auf die Reaktionen von Clan-Ermittlern in Bund und Ländern darf man gespannt sein.
„Das ist Rassismus“ - Studienleiter kritisiert Medien
Und auch die Medien würden beim Thema Clankriminalität schwere Fehler machen, behauptet der Forscher. Er hält es nämlich für „rassistisch“, wenn man entsprechende Großfamilien, aus denen heraus immer wieder Straftaten verübt werden, als „Remmo-Clan“, „Abou-Chaker-Clan“, „Miri-Clan“ oder „Al-Zein-Clan“ bezeichnet. „Sie müssen sich vergegenwärtigen, dass diesen Familiennamen oder ‚Clans‘ jeweils mehrere hundert oder tausend Menschen zugerechnet werden können. Sie haben zwar denselben Nachnamen, viele Angehörige kennen sich aber nicht und haben im Alltag gar nichts miteinander zu tun.“
Die Forschung zeige, dass traditionelle Clanstrukturen im Alltag kaum noch eine Rolle spielten. Vielmehr hätten sich die Clans in zahlreiche Sub-Gruppen und Sub-Sub-Gruppen ausdifferenziert.
„Wenn also in den Medien von einem bestimmten ‚kriminellen Clan‘ die Rede ist, werden dadurch logischerweise alle Menschen, die sich diesem ‚Clan‘ zurechnen, über einen Kamm geschert, obwohl kriminelle Strukturen nur in einzelnen Gruppen dieses ‚Clans‘ zu finden sind“, so Pelzer.
„Das ist Rassismus, weil das Attribut ‚kriminell‘ einzig anhand von gleichen Nachnamen und einer angenommenen gemeinsamen Abstammung aller Angehörigen, der gesamten Gruppe verallgemeinert zugeschrieben wird.“
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