Dienstag, 7. März 2023

100 Prozent Gehalt für abgewählte Berliner Stadträte...

von Thomas Heck...

Die Nachwahl von Berlin mit dem erdrutschartigen Wahlsieg der CDU wird für den Berliner Steuerzahler ein teures Nachspiel haben. Weil Stadträte in den Bezirken für die gesamte Legislaturperiode ernannt werden, erhalten Sie trotz einer Abwahl weiter ihr Gehalt. Künftig zahlt als der Berliner für manchen Stadtratsposten zwei Gehälter. 5 Mio. Euro zusätzliche Kosten für den Steuerzahler bis 2026. Dit jeht wohl nur in Berlin. Mir kann keiner erklären, warum die sich nicht wie der normale Bürger beim Jobcenter vorstellen dürfen, um ALG I oder gleich Bürgergeld zu beantragen.

Sie verlieren ihren Posten – bekommen aber weiterhin ihr Gehalt: Neuköllns Gesundheitsstadträtin Mirjam Blumenthal (50, SPD), Spandaus Jugendstadtrat Oliver Gellert (46), Alexander Freier-Winterwerb (38, SPD) aus Treptow-Köpenick


Dieser Griff in die Staatskasse ist wohl einmalig: Es geht um ein knappes Dutzend Stadträte von SPD, Linken, Grünen in den Rathäusern der Bezirke. Sie sollen Platz machen für CDU-Wahl-Gewinner.

Allerdings: Sie alle wurden nach der Chaos-Wahl von 2021 zu Beamten ernannt, haben eine gültige Ernennungsurkunde bis Ende der Legislaturperiode (Herbst 2026).

Deshalb soll den überzähligen Stadträten der Wahlverlierer-Parteien der Abschied mit 100 Prozent Gehalt für weitere drei Jahre versüßt werden. Also mindestens 9142 Euro/brutto im Monat – insgesamt pro Kopf rund 330.000 Euro.

Damit die Bezirksämter (Bürgermeister plus fünf Stadträte) auch die erfolgreichen Ergebnisse der Wiederholungswahl widerspiegeln, stehen der CDU elf zusätzliche Posten zu – Stadträte und Bezirksbürgermeister. Auf der anderen Seite muss die SPD sechs Posten abgeben, die Linke drei, die Grünen zwei Vertreter.

Die rechtliche Situation ist kompliziert: Stadträte sind für eine volle, fünfjährige Legislaturperiode gewählt. Die wurde durch die Wiederholungswahl nicht etwa beendet oder unterbrochen, sie läuft weiter.

Bei einem freiwilligen Rücktritt würden die betroffenen Bezirkspolitiker ihre Pensionsansprüche verlieren. Abwählen kann man einzelne Stadträte nur mit einer sehr breiten Zwei-Drittel-Mehrheit im Bezirksparlament – und die kommt nur schwer zustande.

Deshalb haben sich CDU, SPD, Grüne, Linkspartei auf Eckpunkte für eine neue gesetzliche Regelung verständigt: Die CDU-Kandidaten werden hinzugewählt, übernehmen die Aufgaben der bisherigen Stadträte. Ihre Vorgänger werden bei vollem Gehalt freigestellt. Auch, damit sie nicht klagen.

„Die Pläne offenbaren eine erschütternde Selbstbedienungsmentalität aller Parteien“, kritisiert Kristin Brinker (50), AfD-Fraktionschefin. „Mehr als drei Jahre lang 100 Prozent ihrer jetzigen überaus großzügigen Bezüge fürs Spazierengehen zahlen zu wollen, ist nur noch dreist.“

Ab wann die neuen Stadträte die alten ersetzen? Wohl erst Ende des Monats. Das neue Gesetz muss erst im Abgeordnetenhaus verabschiedet werden.
Bürgermeister-Tausch

Wechsel gibt es auch an mindestens vier Rathausspitzen: Dabei geht es aber nicht um teure Zwangs-Aussteiger, sondern nur um Postentausch zwischen Stadtrat und Bürgermeister durch veränderte Mehrheiten.

► Spandau: Frank Bewig (47, CDU)

Der Bildungsstadtrat erobert das Spandauer Rathaus für die CDU. So viel ist sicher. Noch-SPD-Bürgermeisterin Carola Brückner (60) sagte B.Z.: „Ich stehe selbstverständlich als Stadträtin zur Verfügung.“


Heißt: Sie wechselt in die zweite Reihe. Ihr Nachfolger ist durch und durch Spandauer: Zeppelin-Grundschule, Siemens-Gymnasium, Zivildienst in einer sozialen Einrichtung, Mitarbeiter beim damaligen Bundestagsabgeordneten Kai Wegner (50, bald Rote-Rathaus-Chef), Vorstandsmitglied im Sport Club Siemensstadt. Unterm Strich stellt die Union die Hälfte der Rathausmannschaft, die Grünen sind raus.

► Reinickendorf – Emine Demirbüken-Wegner (61, CDU)

Die Sozialstadträtin in Reinickendorf ist sichere Kandidatin für den Bürgermeisterposten. „Dass sie gewählt wird, ist sehr breiter Konsens und das alleinige Vorschlagsrecht hat die CDU“, sagt Kreischef Frank Balzer (58).


Sie hat reichlich Polit-Erfahrung: Als erste Türkischstämmige im CDU-Bundesvorstand, Berliner Gesundheits-Staatssekretärin, Abgeordnete, jetzt Vize-Bürgermeisterin. Und Amtsinhaber Uwe Brockhausen (60, SPD)? Sie tauschen, er wird wahrscheinlich ihr Vize. „Er ist ein grundanständiger Demokrat, der nicht an seinem Posten klebt“, ist CDU-Fraktionschef Marvin Schulz (28) sicher. (Ganz sicher, Anmerkung des Heck Tickers)

► Lichtenberg: Martin Schäfer (48, CDU)

Schäfer kann in Lichtenberg die Vorherrschaft des Linken-Bürgermeisters Michael Grunst (52) beenden. „Nach Einzelgesprächen sieht es sehr gut aus, dass ihn CDU, SPD, Grüne unterstützen“, sagt Kevin Hönicke (38, SPD).


Schäfer ist derzeit schon Stadtrat, hat ein weites Feld zu betreuen: Umwelt, Verkehr, Schule, Sport, Öffentliche Ordnung. Seit fast zwanzig Jahren lebt der studierte Theologe aus Gütersloh (war auch Pfarrer in einer evangelisch-freikirchlichen Gemeinde) im Weitlingkiez. Seine Frau ist Hebamme, die beiden haben drei Kinder.

► Pankow: Manuela Anders-Granitzki (44, CDU)

Anders-Granitzki ist die Top-Favoritin für den Chefsessel im Pankower Rathaus. In Berlins größtem Bezirk, der schon die 400.000-Einwohner-Grenze knackte, haben zwar erneut die Grünen die Wahl gewonnen. Deren Spitzenkandidatin Cordelia Koch (50) ist im eigenen Lager aber umstritten. Deshalb läuft der Posten mit großer Wahrscheinlichkeit auf die CDU-Politikerin zu.


Aufgewachsen in Weißensee, studierte Deutsch-Lehrerin, zwei Töchter. Abdanken muss dann Sören Benn (54, Linke). 2021war er bei der Bürgermeisterwahl auf Unterstützung angewiesen – es kam der Verdacht auf, er sei mit Stimmen der AfD ins Amt gekommen.








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