Dienstag, 7. Februar 2023

Exklusiv: Fast jede zweite Faeser-Dienstreise führte nach Hessen

von Pauline Schwarz...

Nancy Faeser will Ministerpräsidentin von Hessen werden. Jetzt ist sie in einen Dienstreisen-Skandal verwickelt! Denn: Unsere Recherchen zeigen, dass Faeser schon seit einem Jahr (!) aus ihrem Amt als Innenministerin heraus ihren Wahlkampf mit unverhältnismäßig vielen Dienstreisen nach Hessen ankurbelt – und diesen Fakt vor Gericht verschweigen wollte.

Nancy Faeser: Hat sie Dienstreisen für den Wahlkampf missbraucht?


Nancy Faeser will gleichzeitig ihr Amt als Bundesinnenministerin fortführen und Wahlkampf für den Posten als hessische Ministerpräsidentin machen. Unsere Recherche zeigt nun: Faeser hat bereits in einem Jahr Amtszeit absurd viele Dienstreisen nach Hessen unternommen – fast jede zweite führte nach Hessen, alles auf Steuerzahlerkosten. Häufig an Tagen, an denen ganz zufälligerweise auch SPD-Veranstaltungen in der Nähe des Reiseziels stattfanden – oder die SPD-Veranstaltungen sogar das Reiseziel waren. Faeser versuchte, den Skandal zu verschleiern und ließ das Bundesinnenministerium (BMI) gegen unsere Recherche ankämpfen.

Dienstreisen nach Hessen fünffach überrepräsentiert

Am 31. Oktober 2022 haben wir „um die Zusendung einer Liste aller Dienstreisen der Bundesinnenministerin Nancy Faeser in Deutschland seit Dienstantritt“ gebeten. Diese einfache Anfrage löste einen Rechtsstreit mit dem Bundesinnenministerium aus. Eine Antwort erhielten wir nicht, eine erste Liste schickte das Ministerium erst im Rahmen einer juristischen Auseinandersetzung – diese war jedoch offenkundig unvollständig, wie eine einfache Recherche in den sozialen Netzwerken zeigte.

Was hatte Faeser also zu verbergen?

Insgesamt liegen uns nun alle 50 öffentlichen, nicht unter Geheimhaltung fallende, Dienstreisen vor. Von diesen 50 Dienstreisen von Nancy Faeser gingen 21 nach Hessen und 29 in alle anderen Bundesländer zusammen. Hessen ist damit deutlich überrepräsentiert: Die hessische Heimat von Frau Faeser ist, gemessen an der Bevölkerungszahl, mit 21 Dienstreisen fünffach überrepräsentiert.

Im Vergleich: NRW ist das einwohnerreichste Bundesland Deutschlands, dort leben Stand Juli 2022 mehr als 18 Millionen Menschen. In Hessen, das nur den fünften Platz im Einwohner-Ranking Deutschlands bekleidet, leben Stand Juni 2022 etwa 6,37 Millionen Menschen. Trotzdem hat die Innenministerin nur sieben Reisen nach NRW unternommen – sieben im Vergleich zu 21 Reisen nach Hessen. Und dass, obwohl in NRW mehr Behörden ansässig sind, die in den Zuständigkeitsbereich der Innenministerin fallen – zum Beispiel das Bundesverwaltungsamt und der Bundesverfassungsschutz in Köln oder das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in Bonn.

Von den insgesamt 21 Dienstreisen nach Hessen führten außerdem nur zwei Besuche direkt zu Behörden – Faeser besucht am 23. Mai 2022 das BKA in Wiesbaden und am 15. Juli 2022 die Bundesbereitschaftspolizei in Fuldatal.

Faeser war 21 Mal in Hessen – aber nicht ein einziges Mal in Bremen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und dem Saarland.

Das BMI gab vor Gericht nur 33 Dienstreisen heraus

Um an die zuvor genannten Informationen zu gelangen, mussten wir gerichtlich gegen das BMI vorgehen. Wir stellten deshalb einen Antrag auf einstweilige Anordnung(Eilantrag) beim Berliner Verwaltungsgericht. Das BMI nahm zu dem Antrag vor Gericht Stellung und händigte uns darin eine Liste mit insgesamt 33 Dienstreisen aus – genau hieß es: „Die Antragsgegnerin übermittelt in Anlage 2 eine Liste von Dienstreisen der Ministerin, soweit nicht Sicherheitsaspekte einer Auskunft entgegenstehen. Sie hält damit das Rechtsschutzbegehren der Antragstellerin für erledigt.”

Weil das BMI unser Begehren für erledigt hielt, impliziert die Aussage, dass die Liste vollständig ist – abgesehen von Terminen, die aus Sicherheitsgründen nicht herausgegeben werden können. Doch die Liste war alles andere als vollständig, womit das BMI vor den Augen des Gerichts bzw. der zuständigen Richter eine falsche Aussage tätigte.

Nach einer kurzen Recherche in den sozialen Medien zeigte sich, dass es noch 16 weitere öffentliche Dienstreisen gab – die allesamt von der Innenministerin persönlich oder dem BMI auf Facebook, Twitter oder Instagram veröffentlicht wurden – demnach können ihrer Nennung wohl kaum Sicherheitsbedenken entgegenstehen. Es drängte sich vielmehr der Verdacht auf, dass man uns die Reisen zunächst aus anderen Gründen verheimlichen wollte. Etwa, weil von den 16 Dienstreisen, die uns das BMI vor Gericht verschwieg und später in einer weiteren Presseanfrage als dienstliche Termine bestätigte, 13 nach Hessen führten.

13 verheimlichte Hessen-Reisen – mit auffallendem SPD-Bezug

Einige der 13 verheimlichten Hessen-Reisen haben zudem auffallend starken SPD- bzw. Wahlkampf-Bezug.

Am 16. September 2022 besuchte Nancy Faeser zum Beispiel den Bundesstützpunkt des deutschen Schützenbundes in Wiesbaden – laut BMI eine Dienstreise. Der Besuch taucht auf der Seite des Landesverbandes der SPD Hessen aber unter dem Titel „Hessentag der Landesvorsitzenden Nancy Faeser” auf. Nicht einmal die SPD scheint diese Reise also als Dienstreise der Innenministerin, sondern als Parteireise anzusehen. Außerdem: Am selben Tag besuchte Faeser die Firmen Brita in Taunusstein und die Molkerei Schwälbchen in Bad Schwalbach – wie das Schwälbchen selbst stolz mitteilte: in Anwesenheit des Schwalbacher SPD-Bürgermeisters Markus Oberndörfer und des SPD-Landtagsabgeordneten Marius Weiß. Kein dienstlicher Termin, wie uns das BMI auf Anfrage bestätigte. Und dann traf Faeser auch noch den SPD-Oberbürgermeister von Wiesbaden, Gert-Uwe Mende.

Und es geht noch weiter: Auch Frau Faesers Besuch im Polizeioldtimer Museum in Marburg am Wochenende des 4. / 5. November 2022 wird von der SPD unter der Überschrift „Hessentag der Landesvorsitzenden Nancy Faeser” geführt. Alte Polizeiautos klingen erstmal nach der Zuständigkeit einer Innenministerin, doch Frau Faeser traf sich im Anschluss auch noch zu einer Diskussion mit der Juso-Landesvorsitzenden & stellvertretenden Vorsitzenden der SPD Marburg, Sophie Frühwald, und Marburger Genossen im Bürgerhaus Wehrda. Gleichzeitig war Frau Faeser an diesem Wochenende, am Hessentag, zu Besuch beim THW in Alsfeld – eine „dienstlicher Termin“. Was jedoch kein dienstlicher Termin war: Der angeschlossene Besuch der May Eyth-Schule gemeinsam mit der SPD Vogelsberg, dem Landrat Manfred Görig und MdB Felix Döring (beide SPD).

Es gibt noch viele weitere auffällige Dienstreisen der Innenministerin, die man an dieser Stelle nennen könnte. Sie alle ergeben ein recht eindeutiges Bild davon, dass unsere Bundesinnenministerin nicht erst seit gestern Wahlkampf in Hessen macht – vielmehr scheint es so, als hätte Frau Faeser ihr Amt für Wahlkampfauftritte genutzt, auf Kosten des Steuerzahlers.

Thorsten Frei, Erster parlamentarischer Geschäftsführer der Unionsfraktion, fordert Nancy Faeser auf, die Vorwürfe auszuräumen: „Frau Faeser sollte ihr Haus nicht in Misskredit bringen und muss unverzüglich den Verdacht ausräumen, staatliche Mittel für ihren persönlichen Wahlkampf zu missbrauchen. Es zeigt sich einmal mehr, dass es höchst gefährlich ist, sich ausgerechnet in dieser Zeit nicht auf ihre eigentliche Aufgabe zu konzentrieren. Angesichts der dramatischen Folgen des russischen Angriffskrieges, der hohen Flüchtlingszahlen und der angespannten Sicherheitslage in Deutschland haben die Bürger einen Anspruch auf eine Vollzeitministerin.“

Stefan Müller, Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe im Bundestag: „Frau Faeser ist offenbar schon länger keine Vollzeitministerin mehr: Seit Monaten macht sie Wahlkampf in Hessen und verliert unser Land dabei aus den Augen. Die Kommunen können die immer weiter steigende Migration nicht mehr bewältigen. Während Frau Faeser also munter in Hessen Wahlkampf macht, steht bis heute nicht fest, wann und wie ein Migrationsgipfel stattfinden soll. Als Teilzeitministerin wird Nancy Faeser zum Sicherheitsrisiko für Deutschland.“

Auf Anfrage, ob einzelne oder alle Dienstreisen nach Hessen der Vorbereitung des Wahlkampfs dienten, hieß es aus Faesers Ministerium: „Sämtliche Dienstreisen nimmt die Bundesinnenministerin im Rahmen ihres Amtes vor. Parteipolitische Termine sind keine Dienstreisen.“




Bundesinnenministerin Nancy Faeser steht als Spitzenkandidatin der SPD für die hessische Landtagswahl am 8. Oktober bereit.


„Unanständiger“ Vorteil: Faeser erklärt Twitter-Account des Ministeriums für „privat“

Ministerin Faeser ist nun auch SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen. Auf Twitter hat sie dafür kurzerhand ihren Account umgewidmet.

Bundesinnenministerin Nancy Faeser könnte mit der Umwidmung ihres Twitter-Accounts gegen die Verfassung und das Parteiengesetz verstoßen haben. Diese Meinung vertreten unter anderem Oppositionspolitiker und Juristen wie der Kölner Rechtsanwalt Dr. Christian Conrad.

Am Donnerstag der Vorwoche, 2. Februar, hatte Faeser verkündet, parallel zu ihrem Ministeramt auch die SPD-Spitzenkandidatur für die Landtagswahlen in Hessen zu übernehmen. Zurück in die Landespolitik will die Landesvorsitzende der hessischen SPD aber nur als Ministerpräsidentin. Diese bedingte Rückkehrbereitschaft politisch zu bewerten, ist Sache des hessischen Wählers. Allerdings wirft das damit zusammenhängende Gebaren der Minister offenbar auch juristische Fragen auf.

Faeser fügt Amtsbezeichnung politische Funktion hinzu

Am Donnerstag hatte Faeser nicht nur offiziell ihre Spitzenkandidatur für die Hessenwahl angekündigt. Sie hat diesen Anlass zudem genutzt, um ihren bis dahin amtlich als Bundesinnenministerin genutzten Twitter-Account kurzerhand zu „privatisieren“ – unter Mitnahme aller bis dahin 142.707 Follower.

Dazu erklärte sie:

Ich bin mit voller Kraft Bundesinnenministerin. Künftig werde ich hier aber auch über meine Arbeit als SPD-Spitzenkandidatin für die Landtagswahl in Hessen informieren, daher wird dieser Kanal nicht mehr von meinem Ministerium betreut.“

In weiterer Folge änderte sie ihr Profilbild und fügte der Amtsbezeichnung „Bundesministerien des Innern und für Heimat“ die Funktionsbezeichnung als „Landesvorsitzende SPD Hessen“ hinzu. Das Impressum lautete nicht mehr auf das Bundesinnenministerium als Amt, sondern auf die Parteiseite „nancy-faeser.de“.

Follower des Ministeriums kurzerhand „mitgenommen“

Faeser ging offenbar davon aus, damit ihrer bis zum Herbst wahrgenommenen Doppelrolle in angemessener Weise gerecht geworden zu sein. Stattdessen stieß sie mit dem Schritt jedoch auf heftige Kritik. Die CDU-Bundestagsabgeordnete Serap Güler warf ihr eine Zweckentfremdung ihrer Follower vor, die ihren Account mit einer anderen Erwartungshaltung abonniert hätten:

Menschen sind Ihnen gefolgt, weil Sie hier als Innenministerin kommuniziert haben. Mit einem Profilbildwechsel und der Bio-Änderung sind Sie nicht plötzlich die SPD-Spitzenkandidatin aus Hessen. Es gibt so etwas wie Demut vor dem Amt, auch im Netz.“

Ihr Fraktionskollege Matthias Hauer erklärte es für „unanständig“, eine vom Ministerium aufgebaute und lange Zeit administrierte Seite zur privaten parteipolitischen Wahlkampfseite umzuwidmen. Dies gelte umso mehr, als sie mit einem für diesen Zweck neu eröffneten Account erst wieder Reichweite hätte aufbauen müssen. Stattdessen habe sie fast 130.000 Follower, die seit Dezember 2021 dem Ministerium gefolgt seien, einfach kurzerhand mitgenommen.

Amt darf nicht für parteipolitische Zwecke ausgenutzt werden

Rechtsanwalt Conrad, der auch Herausgeber eines Standardwerks zum öffentlichen Äußerungsrecht ist, sieht das Vorgehen Faesers auch juristisch als problematisch. In der „Legal Tribune Online“ (LTO) schreibt er in einer Analyse, dass es zwar in der Natur der Sache liege, dass ein Minister in vielfältiger „Rolle“ in der Öffentlichkeit auftreten könne.

Allerdings habe ein Accountname, der auf eine Amtsbezeichnung laute, nach gefestigter Rechtsprechung einen hoheitlichen Charakter. Daraus folge, es müsse sichergestellt sein, dass der Rückgriff auf Mittel, die mit dem Regierungsamt verbunden seien, keinen Vorteil gegenüber dem politischen Wettbewerber verschaffe.

Faesers Account mag demnach zwar ursprünglich privat gegründet worden sein, mit der Erklärung, dass „dieser Kanal nicht mehr vom Ministerium betreut“ werde, sei explizit deutlich geworden, dass es zuletzt ein amtlicher Account gewesen sei.

Faeser könnte Hessens SPD durch unzulässige Spende in Schwierigkeiten gebracht haben

Staatsorgane dürften ihren amtlichen Account jedoch nicht für parteipolitische Zwecke nutzen. Auch dürfen sie sich nicht mit politischen Parteien oder Wahlbewerbern identifizieren oder solche unter Einsatz staatlicher Mittel unterstützen oder bekämpfen. Andernfalls liege ein unzulässiger Eingriff in die Willensbildung der Bürger und in den politischen Wettbewerb vor.

Conrad sieht diesen Grundsatz durch die Übertragung eines vormals amtlichen Accounts zu Wahlkampfzwecken an einen Wahlkampfwerber verletzt. Im Übrigen ergäben sich auch Probleme des Daten- und Persönlichkeitsschutzes, sofern der Account zum Nachrichtenverkehr genutzt worden sei.

Hessens SPD könnte sogar eine Rückzahlungspflicht in dreifacher Höhe aufgrund eines geldwerten Vorteils durch eine unzulässige Parteispende drohen. Dies sei denkbar, weil die Übertragung des Accounts mit einem automatischen Zuwachs von rund 130.000 Followern verbunden war. Dies könne als nach Paragraf 25 Abs. 2 Nr. 1 PartG unzulässige Spende eines Ministeriums an eine Partei oder Politikerin gelten. Derartige unzulässige Spenden müssten nach der Regelung des Paragraf 25 Abs. 4 PartG unverzüglich an den Präsidenten des Deutschen Bundestages weitergeleitet werden.

Olaf Scholz zeigt sich als Vorbild

Conrad empfiehlt Faeser, den Account stillzulegen und zwecks Archivierung an das Ministerium zurückzuübertragen. Politische Mitbewerber könnten dies andernfalls sogar mit Erfolgsaussicht einklagen. Faeser solle sich stattdessen einen eigenen privaten Account zu Wahlkampfzwecken zulegen – und erforderlichenfalls Geld zum Aufbau von Reichweite investieren. Eine Vielzahl von Followern des Bundesinnenministeriums dürfte an hessischer Landespolitik ohnehin kein Interesse haben.

Als Vorbild könne ihr dabei ihr Parteikollege und Bundeskanzler Olaf Scholz dienen. Dieser unterhalte seit Mai 2009 einen Politikeraccount. Einen amtlichen Account des unter seiner Leitung stehenden Bundeskanzleramts gibt es dazu seit Februar 2022.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen