von Mirjam Lübke...
Hitler war niemals beim Christopher Street Day - tatsächlich würde ihn das heute zum Nazi machen, wenn er nicht ohnehin einer gewesen wäre. Erich Fromm vermutete einmal, der Diktator sei selbst latent homosexuell gewesen und das habe ihn zum Schwulenhasser gemacht. Das leitete der Psychoanalytiker aus Hitlers Hang zu Männerbünden ab. In der Tat wurden bekennende Homosexuelle in der Zeit des Nationalsozialismus ermordet - aber macht das die moderne Queerbewegung automatisch zu Nazi-Opfern? Der Bundestag sieht das so und widmete das diesjährige Gedenken am 27. Januar ganz der queeren Bewegung. Von der distanzieren sich zwar auch immer häufiger Homosexuelle, die einfach in Ruhe ihr Leben leben wollen, ohne ihre Sexualität an die große Glocke zu hängen, aber das ficht den Bundestag nicht an.
Um Gender- und Queer-Ideologie unters Volk zu tragen, darf auch gerne einmal der Holocaust etwas relativiert werden - während man sonst eifersüchtig darüber wacht, wer Vergleiche zieht. "Die Guten" vergeben nicht an jeden eine Lizenz dazu. Keineswegs etwa darf man erwähnen, dass Deutschland aufgrund der im dritten Reich gemachten Menschenversuche eventuell gewisse Hemmungen haben sollte, an modernen medizinischen Experimenten teilzunehmen oder gar seine Bürger zur Teilnahme zu zwingen. Man hätte sich hier ein wenig Aufarbeitung gewünscht: Wird der Slogan "Nie wieder!" auch wirksam, wenn der Staat etwas anordnet, das ethisch bedenklich ist? Wie wir gesehen haben, hat ein Teil der Gesellschaft hierbei kläglich versagt und zum Kampf gegen Kritiker geblasen. Dem Staat gefiel das, deshalb gibt es jetzt ein "Hinweisgeber-Schutzgesetz". "Nie wieder!" gilt eben nur, wenn es genehm ist.
Gendersternchen & Co. allerdings werden als schützenswert betrachtet - offensichtlich ist es in diesem Falle keine Relativierung des Nationalsozialismus, Kritiker auf die "dunkelsten Zeiten unserer Geschichte" zu verweisen. Auch wenn sich damals wahrscheinlich noch niemand vorstellen konnte, wie sehr sich unsere Sprache in diese Richtung entwickeln würde. Es fehlte bei der Gedenkzeremonie im Bundestag dann auch ein Überlebender, der bekundete, dass er als ehemaliger KZ-Insasse das Weglassen des Gendersternchens als ebenso furchtbar empfände wie sein damaliges Schicksal. Meine Einlassung mag makaber klingen, aber wird nicht eben das von jüdischen Zeitzeugen verlangt? Da darf in keiner Rede der Hinweis darauf fehlen, wie sehr man die offene Migrationspolitik der Bundesrepublik begrüße. Über den importierten Antisemitismus gilt es jedoch zu schweigen, sonst hat der Mainstream keine Hemmungen, auch Juden als Nazis zu bezeichnen. "Gerade Sie als Jude müssen doch wissen, was Fremdenfeindlichkeit bedeutet!" - ruft der Empörte und hat sich damit als jemand entlarvt, der Juden selbst als Fremde ansieht. Egal, welchen Pass sie haben.
Es gilt eben, den Gedenkkuchen möglichst großzügig aufzuteilen, da spielt es längst keine Rolle mehr, ob die genannte Minderheit nun tatsächlich damals zu den Opfern gehörte oder nicht. Oftmals wird der Vorwurf laut, das Gedenken würde den Deutschen von außen aufgezwungen, das mag direkt nach dem Krieg auch der Fall gewesen sein (schon Hannah Arendt bezeichnete die Art und Weise, wie das geschah, als kontraproduktiv). Doch spätestens die Achtundsechziger haben es dann an sich gerissen, obwohl sie sich anfänglich mehr für den Klassenkampf als für die Aufarbeitung der deutschen Geschichte interessierten. Irgendwann müssen sie aber zu der Erkenntnis gelangt sein, dass sie damit ein wichtiges Instrument erlangt hatten, um Meinungsbildung zu steuern und Unliebsames zu zensieren. Als erstes traf das ausgerechnet den jüdischen Staat, der fortan gemäß linker Vorgaben zu funktionieren hatte.
Aber auch Lobbyisten des politischen Islams, wie etwa die Diskriminierungsbeauftragte des Bundes, Ferda Ataman, profitierten davon. In diesem Jahr zeigte sie sich so begeistert von den Gedenkfeierlichkeiten, dass sie in der Aufzählung der Opfer des dritten Reiches die Juden glatt vergaß. Wenn es denn ein Versehen war, denn Ataman gehört zu den Vertretern der "Moslems sind die neuen Juden"-Bewegung, einem Zweig der offiziell anerkannten Holocaust-Relativierung, der jedes Mal aktiviert wird, wenn muslimische Migranten unangenehm auffallen. Der extrem hinkende Vergleich scheint niemandem aufzufallen, denn weder ist Muslimen das Sitzen auf Parkbänken oder das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel verboten, noch fielen deutsche Juden bisher als "Eventszene" auf, weder damals noch heute.
Viele Deutsche fragen sich ohnehin, was das alles noch mit ihnen zu tun hat, denn eine persönliche Schuld tragen sie nicht. Als Jüdin wundere ich mich ebenso, warum wir uns nicht auf unser eigenes Gedenken verlassen, anstatt uns zu Statisten von Veranstaltungen zu machen, in denen die gerade modische Minderheit protegiert wird. Erzwungenes Gedenken halte ich persönlich ohnehin für vollkommen sinnlos. Der Appell, die damalige Geschichte dürfe nicht in Vergessenheit geraten, ist allerdings richtig, allerdings auf andere Weise, als es sich die Veranstalter vorstellen: Wir müssen uns immer vor Augen halten, mit welchen propagandistischen Mitteln die Nazis arbeiteten, um die Bevölkerung zu lenken. Das wäre ein echtes "Wehret den Anfängen!", denn Totalitarismus beginnt nicht erst in Lagern, sondern bereits dort, wo eine eigene Meinung verboten ist.
Diese Ampel spaltet die Gesellschaft sogar da, wo bislang Konsens herrschte. Nämlich an die Einzigartigkeit des Holocaust. 6 Mio. ermordete Juden müssen sich die Trauer mit ein paar queeren Persverslingen teilen. Kann man sich kaum ausdenken.
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