Freitag, 25. November 2022

Plan B ist vollkommen Überbewertet!

von Mirjam Lübke...

Am Wochenende würde ich mütterlicherseits verdonnert, mir Systemcomedy beim WDR anzuschauen. Bei den "Mitternachtsspitzen" wagte man sogar ein wenig sanften Spott über straßenklebende Klimaaktivisten auszuschütten - was heute schon fast einem Sakrileg gleichkommt. Wahrscheinlich erhielt der Sender Protestmails, bis der Server rauchte, denn bei einer derart ernsten Sache ist Humor vollkommen deplatziert. Der Planet stirbt, und die tapferen jungen Retter, welche das Unheil in letzter Sekunde noch aufhalten könnten, erfahren nicht die ihnen gebührende Wertschätzung. Das ist ein Medienskandal!


Anschließend erfreute uns das Soloprogramm eines Kabarettisten, dessen Name nach bayerischem Migrationshintergrund klang. Dieser wusch Klimaleugnern und Querdenkern aber mal so richtig den Kopf! Schuldbewusst versank ich in Mamas Sofakissen und schämte mich meiner offensichtlichen Unwissenheit zu allen Pandemie- und Klimaereignissen. Denn, so führte der junge Mann aus, jeder Kritiker der jeweiligen Politik habe seine Erkenntnisse doch nur aus YouTube-Videos zweifelhaften Ursprungs gewonnen. Wolfgang Wodarg und Hendrik Streeck als Absolventen der Online-Universität? Man höre und staune. Dieser Kaberettist hatte wirklich knallhart recherchiert - wenn er dabei auf das Twitter-Abgangszeugnis von Karl Lauterbach gestoßen war, verschwieg er es allerdings konsequent. Und wer von Langzeitfolgen der Impfung zu sprechen wagt, glaubt höchstwahrscheinlich auch daran, dass Olaf Scholz ein Echsenmensch ist. So sind sie die Querdenker - wer ihnen zuhört oder gar ihre Meinung teilt, sollte mit Liebesentzug nicht unter zwei Jahren bestraft werden.
 
Das gilt nun auch für Sandra Maischberger, welche die Dreistigkeit besaß, Anna Schneider von der "Welt" einzuladen. Die Szene tobt, denn Frau Schneider pflegt sich regelmäßig kritisch über alles zu äußern, was den "Guten" lieb und teuer ist. Und sie hängt offenbar nicht dem Glauben an, dass Festkleben auf der Straße das Weltklima verändern könnte. Oder zumindest die Industrienationen dieses Planeten dazu bringen würde, künftig nur noch Solar- und Windenergie zu benutzen. Dabei stehen wir so kurz davor! Nur noch drei Mal Kleben und die Chinesen steigen auf erneuerbare Energien um - oder bauen aus Begeisterung über die tapferen Helden der Straße schnell ihren Fusionsreaktor fertig.
Allein einen Plan B anzudenken, ist daher eine Unverschämtheit. Da Luisa Neubauer schon im zarten Alter von zwölf Jahren in Harvard ihren Abschluss in Geologie und Meteorologie erwarb und mit vierzehn den Lehrstuhl in beiden Fächern angetragen bekam, kann sie uns mit Sicherheit sagen, dass der Klimawandel nicht auf natürlichen Zyklen beruht, sondern lediglich entstanden ist, weil die Menschen pupsende Kühe halten und Dieselautos fahren. Etwas anderes zu behaupten, ist Blasphemie und mithin irgendwie rechtsextremistisch.
 
Deshalb ist es auch rechtsextremistisch, darüber nachzudenken, ob es sinnvoll sein könnte, sich mit Hilfe der Wissenschaft auf das Kommende vorzubereiten, anstatt sich auf die Wirksamkeit des Straßenklebens zu verlassen. Dennoch forschen rund um die Welt diabolische Nazi-Wissenschaftler an wärmeresistenten Bäumen und Nutzpflanzen, die eventuell auch noch mit wenig Wasser auskommen. Oder an alternativen Wohnformen. Manche dieser diabolischen Nazi-Wissenschaftler sind gar der Ansicht, man könne durch Renaturierung von Flussbetten Überschwemmungen abwenden oder in Wäldern CO2 binden, anstatt diese zugunsten von Windrädern abzuholzen. Wälder sind eben nicht nur der natürliche Lebensraum von Reh und Wildschwein, sondern auch des heimtückischen Wanderfaschisten, einer Spezies, die vor allem im Osten Deutschlands heimisch ist.
 
Sandra Maischberger hat sich also daran beteiligt, Wanderfaschisten und klimaleugnenden Nazi-Wissenschaftlern eine Plattform zu bieten. Wenn man es recht bedenkt, müsste man das gesamte öffentlich-rechtliche Fernsehen dafür in Haftung nehmen, das wiederum Frau Maischberger eine Bühne bereitet. Es ist ein Dilemma, das den Klimaaktivisten weitreichende ethische Kompromisse abverlangt: Werden die deutschen Talkshows aufgrund ihrer Komplizenschaft mit Klimaleugner-Rechtsextremisten und deren Kollaborateuren zum Teufel gejagt, entfällt gleichzeitig auch die eigene Werbeplattform. Also muss man zu milderen Mitteln greifen - dem Nazi-Framing! Zwar ist die Relativierung des Nationalsozialismus in Deutschland eigentlich verboten, aber für das Klima kann man schon einmal ein Auge zudrücken.
 
Sandra Maischberger wird sich jetzt hoffentlich überlegen, wen sie demnächst in ihre Sendung einlädt, sonst muss man ihr notfalls Jan Böhmermann in die Runde setzen, der hat schließlich schon mit Markus Lanz Tacheles geredet. Und wenn dann in der Show nur noch Gleichgesinnte sitzen, wird es doch gleich viel gemütlicher. So lange, bis der nächste Dissident ausgemacht wird.




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