Das LNG-Importterminal in Maasvlakte bei Rotterdam: Im Gegensatz zu den Niederlanden verfügt Deutschland bislang über kein Terminal für den Import von verflüssigtem Erdgas.
Der Import von Flüssigerdgas nach Europa steigt. Die Fracht landet aber nicht direkt in Deutschland, denn dazu fehlt die Infrastruktur – trotz großer Pläne. Was steckt dahinter?
Mehr als 30 Schiffe aus den USA, betankt mit Flüssigerdgas, kreuzen diese Woche den Atlantik. Ihr Ziel: Europa. Das zeigt eine Analyse von Transponder- und Satellitendaten durch die WirtschaftsWoche. Der mutmaßliche Grund für den erhöhten Schiffsverkehr: Europa braucht Gas, denn die Nachfrage ist hoch. Der Winter zehrt an den Vorräten, Russland könnte den Gashahn zudem wegen der Eskalation der Ukrainekrise bald komplett zudrehen. Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck erklärte am Freitag, er wollte beim Gas für den nächsten Winter besser vorsorgen und dabei auf Flüssigerdgas setzen. „Wir haben aktuell in Europa ein etwas höheres Preisniveau als im Rest der Welt“, sagt Timm Kehler, Geschäftsführer der Brancheninitiative Zukunft Gas. Für die Amerikaner lohnt es sich also derzeit, ihr Erdgas nach Europa anstatt nach Asien zu exportieren.
Um das sogenannte LNG (Liquefied Natural Gas) vom Tanker an Land zu bringen, benötigt man spezielle Terminals. Diese LNG-Terminals können das gelieferte Flüssigerdgas aus Schiffen aufnehmen und lagern. Anschließend lässt sich das Erdgas dann in die Netze einspeisen. In Deutschland klappt das so jedoch nicht. Der Grund dafür ist simpel: Es existieren zurzeit keine deutschen LNG-Terminals, an denen Tanker ihre Ladung löschen könnten.
Eingestellte Projekte
In den vergangenen Jahren standen vier Projekte für LNG-Terminals in Deutschland zur Debatte. Zwei Investorengruppen haben ihre Projekte inzwischen aber schon wieder aufgegeben. So hatte der Energiekonzern Uniper im April 2021 entschieden, das geplante LNG-Terminal im niedersächsischen Wilhelmshaven zu stoppen. Bereits im November 2020 hatte der Konzern in Frage gestellt, ob überhaupt genug Nachfrage in Deutschland für Flüssigerdgas vorhanden sei.
Russland hat die Gasversorgung nach Europa gedrosselt – und nimmt damit auch Einfluss auf den Export von amerikanischem Flüssigerdgas. Transponderdaten zeigen nun, wie sich die Routen der Transportfrachter verschieben.
von Thomas Stölzel
Einem geplanten Terminal an der Ostsee erging es ähnlich schlecht. Ein belgischer und ein russischer Investor zogen sich im vergangenen Herbst aus dem angedachten Projekt in Rostock zurück. Ein Bau der Anlage ist somit in weite Ferne gerückt.
Bleiben noch zwei: Ein LNG-Terminal in Brunsbüttel (Schleswig-Holstein) und ein Terminal im niedersächsischen Stade. Die eigens für das Projekt gegründete German LNG Terminal GmbH plant das Infrastrukturprojekt an der Elbe umzusetzen. Teil des Joint-Ventures sind die zwei niederländischen Gaskonzerne Gasunie und Vopak.
Vopak hat im vergangenen Jahr allerdings entschieden, sich nicht mehr aktiv am geplanten LNG-Terminal in Brunsbüttel zu beteiligen, wie die Nachrichtenagentur Bloomberg berichtete. Man stehe aber weiterhin hinter dem geplanten Projekt, teilt das Unternehmen German LNG Terminal auf Anfrage der WirtschaftsWoche mit.
Wann man den Umschlagsort genau bauen will, steht jedoch nicht fest. „In Zeiten der Corona-Pandemie ist es schwieriger denn je, verlässliche Aussagen zum exakten zeitlichen Projektverlauf zu tätigen“, heißt es in einer schriftlichen Antwort des Unternehmens.
Ebenfalls an der Elbe, rund 50 Kilometer flussaufwärts in Stade, möchte die Firma Hanseatic Energy Hub GmbH ihr LNG-Terminal bauen. Bis Tanker zum ersten Mal Erdgas über dieses deutsche Terminal entladen können, wird es aber wohl noch lange dauern. „Wir planen eine Inbetriebnahme für 2026“, sagt das Unternehmen auf Anfrage der WirtschaftsWoche. Derzeit finalisiere man die Unterlagen für die Genehmigungen der Anlage, heißt es weiter.
Hürden in Deutschland
Fast jedes Land mit Meerzugang in Europa besitzt ein Terminal für die Abfertigung von verflüssigtem Erdgas. Der niederländische Staatskonzern Gasunie betreibt zusammen mit einem Partner beispielsweise in Rotterdam ein solches Terminal für LNG. In Belgien findet sich ebenfalls ein Terminal. In Frankreich stehen an der Atlantik- und Mittelmeerküste gleich mehrere Anlagen, unter anderem in Dünkirchen und dem Ort Montoir de Bretagne.
LNG-Terminals haben in Deutschland hingegen einen schweren Stand, kritisiert Timm Kehler von „Zukunft Gas“, einer Initiative der Gaswirtschaft. „Die Regulatorik ist in Deutschland offensichtlich nicht so, dass es für Investoren interessant ist, hier ein solches Projekt zu realisieren.“ Die Geldgeber würden auf Eintrittsbarrieren stoßen, die einen starken Einfluss auf die Wirtschaftlichkeit eines Terminals hätten. Kehler sieht die Politik in der Pflicht, bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, damit der Bau von LNG-Terminals in Deutschland attraktiver werde.
LNG spaltet die Gemüter
Die Anlieferung von LNG biete auch einen alternativen Transportweg zum Gas aus der Pipeline, findet Kehler. „Wettbewerb kann immer auch zu günstigeren Preisen führen. Langfristig könnten die Terminals auch genutzt werden, um flüssige grüne Energieträger nach Deutschland zu bringen, etwa Wasserstoff, Ammoniak oder synthetisches Gas.“
Wenig überraschend stellt sich die Deutsche Umwelthilfe gegen die deutschen Terminals für Flüssigerdgas. Die Gründe sind für die Umwelthilfe dabei klar: Die Produktion und der Transport von Erdgas erzeuge eine Menge Treibhausgase und sei deshalb schlecht für das Klima.
Auch den Bedarf für ein deutsches LNG-Terminal will die Umwelthilfe nicht erkennen. Die bestehenden LNG-Terminals in Europa könnten auch den deutschen Markt mit genügend Gas versorgen.
Und was meint das Bundeswirtschaftsministerium zum Thema LNG? Das Ministerium gibt sich eher zurückhaltend. Die aktuellen Baupläne in Norddeutschland seien die privatwirtschaftlichen Entscheidung einzelner Unternehmen. Allerdings verschaffe man sich derzeit ein Bild, ob und unter welchen Umständen man solche Terminals von Erdgas auf Wasserstoff umstellen könne, heißt es aus dem Ministerium.
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