von Thomas Heck...
Du weisst, Du bist im Deutschland des Jahres 2020, wenn Du über Frodo liest, der mit 23 über eine Vasektomie nachdenkt. Frodo ist feministisch und will Verhütung nicht nur den Frauen überlassen. An sich löblich. Verhütungsmittel seien unzuverlässig. Kondome, Hormonpflaster für Mann und Frau, die Pille: er hat sie alle ausprobiert. Manche saufen sogar Putzmittel. Jetzt soll es die Vasektomie richten. Schnipp Schnapp und Frodo ist aus dem Thema Fortpflanzung raus. Gut für den Planeten, so denkt er. Bei so einem Vollidioten denkt der Leser höchstens, gut, dass der sich dann nicht mehr fortpflanzen kann. Bleibt zu hoffen, dass Frodo weiss, auf welches öffentliche Klo er gehen muss, als Feminist. Seien Sie deshalb nicht wie Frodo. Und lesen Sie besser nicht ze.tt...
Warum Frodo mit 23 über eine Vasektomie nachdenkt
Mit 23 Jahren weiß Frodo bereits, dass er keine Kinder bekommen möchte. Er überlegt, sich sterilisieren zu lassen. Das empfindet er als feministische Pflicht.
Frodo hat nicht nur einen ungewöhnlichen Namen, sondern ihn beschäftigt auch ein für sein Alter eher untypisches Thema: die eigene Sterilisation, bei Männern Vasektomie genannt, als Verhütungsmaßnahme.
Der 23-Jährige hat seit vergangenem Sommer seinen Chemie-Bachelor in der Tasche, steuert auf den Master zu und ist kinderlos. So soll es auch bleiben – das ist zumindest momentan sein Plan. Doch warum gleich eine Vasektomie, wo es doch weniger radikale Verhütungsmethoden gibt?
Frodo findet: Kondome sind unzuverlässig, bei falscher Anwendung fehleranfällig oder würden, und das ist für ihn am meisten ausschlaggebend, mitunter gar nicht erst benutzt. Frodo kennt inzwischen so ziemlich alle anderen Verhütungsmittel für Frau und Mann. Von der Pille über Hormonpflaster bis hin zum Kondom für die Frau und Pille für den Mann. Sogar von einer sehr speziellen Methode hat er gelesen, Frodo nennt sie „Eier kochen“, eine Art thermische Verhütung, bei der die Hoden aufgeheizt werden. Frodo ist von keiner der Maßnahmen überzeugt.
Die Sache selbst in die Hand nehmen
Seit ungefähr einem Jahr beschäftigt er sich mit Alternativen zu herkömmlichen Methoden, eine Schwangerschaft zu verhindern. Sein Fazit: „Es stellt mich persönlich nicht zufrieden, dass sichere Verhütungsmethoden immer nur eine Sache der Frau“ – hier verbessert sich der 23-Jährige – „immer nur eine Sache von Menschen ohne Penis sind.“
Diese Sensibilität für Geschlechter kommt bei Frodo nicht von ungefähr: Seit rund sieben Jahren ist er politisch interessiert. Mit 21 übernahm er eine leitende Position bei der Grünen Jugend in Dortmund, seit vergangenem Jahr geht er mit Fridays for Future auf die Straße. Für ihn dabei ein sehr wichtiges Thema Feminismus – und der liefert aus seiner Sicht einen guten Grund dafür, von Arten der Verhütung abzuweichen, die, in seinen Worten, die Frau belasten.
Wie funktioniert eine Vasektomie?
Eine Vasektomie ist normalerweise eine ambulante Operation, bei der der Patient eine örtliche Betäubung erhält. In bestimmten Fällen wird auch eine Vollnarkose angeboten. Bei dem Eingriff werden über den Samenleitern an beiden Hodensäcken zwei kurze Schnitte gemacht. Dann werden die Samenleiter freigelegt, ein Teilstück davon auf jeder Seite entfernt und die Enden der Samenleiter werden jeweils verschlossen. Die Haut wird wieder zugenäht und die Samenleiter an eine*n Patholog*in geschickt, um auszuschließen, dass es bei der OP zu Verwechslungen (zum Beispiel mit einer bindegewebsveränderten Vene) gekommen ist.
Als die Pille 1961 in Deutschland auf den Markt kam, galt sie für viele als Zeichen der Emanzipation. Für Frodo ist eben deren Ablehnung feministisch. Da mögen ihm viele Frauen heutzutage zustimmen, ist die Pille doch aufgrund ihrer zahlreichen Nebenwirkungen inzwischen heftig umstritten. Doch wenn sich ein Mann deshalb sterilisieren lässt, ist das dann noch Feminismus?
„Es wäre es in meiner Vorstellung dann unfeministisch, wenn ich als Mann was entschieden habe, was beide entscheiden sollten“, gibt Frodo zu. Genauso pocht er aber auch auf seine eigene Selbstbestimmung und fügt hinzu: „Wenn man mich haben will, dann eben mit dieser Entscheidung“ – gemeint ist, sollte er sich tatsächlich sterilisieren lassen.
Durch die Grüne Jugend hat Frodo sich auch eingehend mit der Klimakrise befasst. Und die lässt ihn umso mehr an seinen Überlegungen festhalten: „Wenn sich jetzt nichts in der Klimapolitik ändert, bricht die menschliche Zivilisation zusammen, das sagt die Wissenschaft“, so Frodo. „Da denke ich ungern an Kinder.“
Verhütung war immer Frauensache
Mary, Frodos Freundin, ist von dessen Idee zur Vasektomie nicht wirklich begeistert, auch wenn sie sich mit dem Thema noch nicht so genau befasst hat. In ihrem Umfeld sei Verhütung immer „Frauensache“ gewesen. Dafür hat sie sich aber über viele alternative Wege informiert, wie sie als Frau eine Schwangerschaft verhindern kann. Nach einem Jahr Pille ist sie inzwischen auf den Verhütungsring umgestiegen.
Frodos Überlegungen führten innerhalb der Beziehung nicht zu Streit, das Thema sei aber dennoch schwierig. Mary gibt zu: „Der Hintergrund ist natürlich erstmal gut.“ Trotzdem sagt sie auch: „Wir sind beide noch relativ jung und unsere Meinung kann sich schnell mal wieder ändern.“ Mary hat momentan keine eindeutige Haltung zum Thema Kinder: „Ehrlich gesagt habe ich noch nicht so ganz viel darüber nachgedacht, ob ich wirklich einmal Kinder haben möchte“, sagt sie. „Ich könnte es mir nur nicht vorstellen, mal keine zu haben.“
Auch Mary ist bei der Grünen Jugend und FFF aktiv. Sie hat eine zwiespältige Meinung zum Verhältnis von Feminismus und Vasektomie: „Damit würde die Frau nicht mehr so unter Druck gesetzt werden, etwas zu tun, was sie vielleicht nicht will“, findet sie. „Auf der anderen Seite verliert die Frau die Möglichkeit zur Entscheidung beim Kinderwunsch.“
Abgesehen von Zeit- und Kostenaufwand sei der Erfolg einer Refertilisierung „fraglich“, so steht es auf dem Informationsblatt, das Ingerfeld seinen Patienten zur Aufklärung über eine mögliche Vasektomie aushändigt. Dazu erklärt Dr. Ingerfeld: „Erfolg bedeutet, Nachweis von Spermien im Ejakulat.“ Das schließe aber nicht mit ein, dass der Patient tatsächlich wieder zeugungsfähig sei. „Hier spielen weitere Faktoren eine Rolle“. So zum Beispiel Alter oder Vorerkrankungen beider Geschlechtspartner*innen. Für Frodo ist das zu unsicher. Die Möglichkeit einer Refertilisierung kalkuliert er nicht in seine Überlegungen zur Vasektomie mit ein.
Was passiert nach einer Vasektomie beim Orgasmus?
Nach der Vasektomie produziert der Mann deutlich weniger Sperma, „eine Art Schlafmodus“, nennt es Ingerfeld. Das wenige Sperma wird mit der Zeit in den Kanälen der Nebenhoden abgebaut. Im Ejakulat sind keine Spermien, was aber eigentlich nicht auffällt. Aus dem Penis kann aber selbst nach der Vasektomie noch Ejakulat austreten, weil im unoperierten Zustand das Prostatasekret und das Sperma erst in der Prostataregion zusammenkämen und dann aus dem Samenhügel weiter herausgeschleudert werden. Als ungesund stuft die Wissenschaft das Verfahren nicht ein.
Die Pille für den Mann noch keine Alternative
Normalerweise seien Dr. Ingerfelds Patienten, die sich sterilisieren lassen, zwischen 30 und 50 Jahre alt – und hätten dann schon zwei bis drei Kinder. Frodos Gedanken in seinem Alter seien „ungewöhnlich“ und führten auch nicht oft zu einer Operation, sagt Dr. Ingerfeld. Auch er führe aufgrund seiner Erfahrung in mit Frodo vergleichbaren Fällen keine Vasektomie durch – also bei gesunden, potenten und sehr jungen Männern.
Und doch sagt Ingerfeld auch: „Bei allein auf die Männer bezogenen Verhütungsmethoden ist die Auswahl ausgesprochen abgespeckt.“ Alternativen wie den Coitus interruptus oder spezielle Medikamente gegen den Samenerguss hält er für wenig zuverlässig. „Auch die Beobachtung, dass eine Überwärmung des Hodens zu einer Zeugungsunfähigkeit führen kann, bietet keinerlei Verlässlichkeit“, sagt er. Aus seiner Sicht könnte die Pille für den Mann zwar „Marktreife erlangen“, denn die Wirksamkeit sei vorhanden. Aber laut Umfragen gäbe es momentan nicht ausreichend Absatz dafür, so der Facharzt. An Frodo liegt das sicher nicht: „Am sinnvollsten wäre es, wenn die Pille für den Mann weiter entwickelt wird, damit Ausgeglichenheit herrscht“, sagt der 23-Jährige.
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