von Thomas Heck...
Viel Tamm-Tamm um Nichts. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Macron beschwören in Strasbourg die Freundschaft ihrer Völker. Das ist heute eine Selbstverständlichkeit – Europa ist weit gekommen und sicher keine Frage von Krieg und Frieden. Darüber hinaus braucht es einen feierlichen Freundschaftsvertrag nicht wirklich. Doch beide brauchen große Bilder. Macron steckt mitten im Bürgerkrieg mit den Gelbwesten, wird nur durch eine marodierende Polizei in Räuberzivil vor der Guillotine in der Bastille geschützt, Merkels Bevölkerung in Deutschland steht kurz vor einem Aufstand, der Brexit wirft dunkle Schatten und offenbart, wie die EU wirklich tickt. Und das Mißtrauen in den Bevölkerungen beider Länder ist groß... nur nicht bei der deutschen Journaille, die das Treffen allzu kritiklos kommentiert. Für kritische Töne muss man schon mal in die Schweiz schauen, die NZZ beurteilt den Treffen sehr viel realistischer und mit der gebotenen Distanz.
Beide Staatschefs konnten die grosse Bühne gut gebrauchen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Macron beschworen am Dienstag im historischen Rathaus von Aachen zusammen die deutsch-französische Völkerfreundschaft. Das war ein schöner Anlass. Just auf den Tag genau vor 56 Jahren hatten Bundeskanzler Adenauer und Präsident de Gaulle den Prozess der Versöhnung der einander im letzten Jahrhundert in zwei erbitterten Weltkriegen gegenüberstehenden Nachbarvölker mit der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages symbolisch eingeleitet. An die wundervolle friedliche Annäherung dieser beiden grossen Rivalen und Machtblöcke der europäischen Geschichte kann nicht genug erinnert werden.
Ein feierlich unterzeichneter deutsch-französischer Freundschaftsvertrag sollte an diese Erfolgsgeschichte anknüpfen. Doch das 16 Seiten starke Papier hat nichts Heroisches. Eine Reihe von Absichtserklärungen auf den Gebieten der Verteidigung, Sicherheit, Rüstung, von Wirtschaft, Umwelt und Kultur bekräftigt den gemeinsamen Willen zur Zusammenarbeit. Doch die jeweils sehr allgemein gehaltenen Formulierungen des Vertrags verbergen nur flüchtig das Fehlen wirklich grosser gemeinsamer Projekte und Ziele. Und selbst diese institutionalisierte Unverbindlichkeit schützte nicht vor Blössen. In Deutschland berichteten die nationalen Medien zwar artig über das Regierungstreffen und den Vertrag, doch nirgendwo waren Engagement oder Enthusiasmus zu erkennen. In Frankreich war es nicht viel anders. Einige Nationalisten rieben sich an den wenigen halbwegs konkreten Zusagen zu Zusammenarbeit und Deregulierung in den Grenzregionen am Rhein. Ein paar Vertreter der Protestbewegung der «gilet jaunes» vermuteten argwöhnisch gleich eine Verschwörung der verhassten Staatselite gegen die Interessen der einfachen Franzosen, doch zur massiven Mobilisierung von Protesten in Aachen kam es nicht.
Der unspektakuläre Ablauf des Vertragsabschlusses von Aachen hat vor allem zwei Gründe. Erstens und sehr positiv unterstreicht der Anlass, wie viel die beiden Nationen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ihrem gegenseitigen Verhältnis erreicht haben. Vieles, was in dem neuen Papier erklärt wird, ist heute selbstverständlich. Die feierliche Zusicherung gegenseitigen Beistehens im Krisenfall ist im Rahmen von Nato und EU längst besiegelt. Von den Städtepartnerschaften, die durch den neuen Vertrag gefördert werden sollen, gibt es bereits Hunderte. Franzosen wie Deutsche reisen selbstverständlich in die Nachbarländer; besonders unter den jüngeren Bürgern sind der persönliche Austausch und die Sympathie ganz normal. Der neue Vertrag ist in diesen zentralen Belangen kein Meilenstein, sondern eine routinierte Bekräftigung der heutigen Lebenswelten.
Viel Tamm-Tamm um Nichts. Bundeskanzlerin Merkel und Präsident Macron beschwören in Strasbourg die Freundschaft ihrer Völker. Das ist heute eine Selbstverständlichkeit – Europa ist weit gekommen und sicher keine Frage von Krieg und Frieden. Darüber hinaus braucht es einen feierlichen Freundschaftsvertrag nicht wirklich. Doch beide brauchen große Bilder. Macron steckt mitten im Bürgerkrieg mit den Gelbwesten, wird nur durch eine marodierende Polizei in Räuberzivil vor der Guillotine in der Bastille geschützt, Merkels Bevölkerung in Deutschland steht kurz vor einem Aufstand, der Brexit wirft dunkle Schatten und offenbart, wie die EU wirklich tickt. Und das Mißtrauen in den Bevölkerungen beider Länder ist groß... nur nicht bei der deutschen Journaille, die das Treffen allzu kritiklos kommentiert. Für kritische Töne muss man schon mal in die Schweiz schauen, die NZZ beurteilt den Treffen sehr viel realistischer und mit der gebotenen Distanz.
Beide Staatschefs konnten die grosse Bühne gut gebrauchen. Bundeskanzlerin Angela Merkel und Präsident Macron beschworen am Dienstag im historischen Rathaus von Aachen zusammen die deutsch-französische Völkerfreundschaft. Das war ein schöner Anlass. Just auf den Tag genau vor 56 Jahren hatten Bundeskanzler Adenauer und Präsident de Gaulle den Prozess der Versöhnung der einander im letzten Jahrhundert in zwei erbitterten Weltkriegen gegenüberstehenden Nachbarvölker mit der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages symbolisch eingeleitet. An die wundervolle friedliche Annäherung dieser beiden grossen Rivalen und Machtblöcke der europäischen Geschichte kann nicht genug erinnert werden.
Ein feierlich unterzeichneter deutsch-französischer Freundschaftsvertrag sollte an diese Erfolgsgeschichte anknüpfen. Doch das 16 Seiten starke Papier hat nichts Heroisches. Eine Reihe von Absichtserklärungen auf den Gebieten der Verteidigung, Sicherheit, Rüstung, von Wirtschaft, Umwelt und Kultur bekräftigt den gemeinsamen Willen zur Zusammenarbeit. Doch die jeweils sehr allgemein gehaltenen Formulierungen des Vertrags verbergen nur flüchtig das Fehlen wirklich grosser gemeinsamer Projekte und Ziele. Und selbst diese institutionalisierte Unverbindlichkeit schützte nicht vor Blössen. In Deutschland berichteten die nationalen Medien zwar artig über das Regierungstreffen und den Vertrag, doch nirgendwo waren Engagement oder Enthusiasmus zu erkennen. In Frankreich war es nicht viel anders. Einige Nationalisten rieben sich an den wenigen halbwegs konkreten Zusagen zu Zusammenarbeit und Deregulierung in den Grenzregionen am Rhein. Ein paar Vertreter der Protestbewegung der «gilet jaunes» vermuteten argwöhnisch gleich eine Verschwörung der verhassten Staatselite gegen die Interessen der einfachen Franzosen, doch zur massiven Mobilisierung von Protesten in Aachen kam es nicht.
Der unspektakuläre Ablauf des Vertragsabschlusses von Aachen hat vor allem zwei Gründe. Erstens und sehr positiv unterstreicht der Anlass, wie viel die beiden Nationen seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in ihrem gegenseitigen Verhältnis erreicht haben. Vieles, was in dem neuen Papier erklärt wird, ist heute selbstverständlich. Die feierliche Zusicherung gegenseitigen Beistehens im Krisenfall ist im Rahmen von Nato und EU längst besiegelt. Von den Städtepartnerschaften, die durch den neuen Vertrag gefördert werden sollen, gibt es bereits Hunderte. Franzosen wie Deutsche reisen selbstverständlich in die Nachbarländer; besonders unter den jüngeren Bürgern sind der persönliche Austausch und die Sympathie ganz normal. Der neue Vertrag ist in diesen zentralen Belangen kein Meilenstein, sondern eine routinierte Bekräftigung der heutigen Lebenswelten.
Genau 56 Jahre nach der Unterzeichnung des Elysée-Vertrages besiegeln Deutschland und Frankreich in Aachen einen neuen Freundschaftspakt. Dieser ist laut Merkel und Macron auch eine Antwort auf den steigenden Populismus – und den Brexit. (Bild: Thilo Schmuelgen / Reuters)
Zweitens und weniger erfreulich für die beiden Staatschefs zeigt das Treffen von Aachen, wie wenig sie in Europa noch bewegen können. In der Präambel des Vertrags wird festgehalten, dass «die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich für eine geeinte, leistungsfähige, souveräne und starke Europäische Union» unabdingbar bleibe. Immer wieder wird in dem Vertrag betont, dass die Kooperation der beiden Länder die weitere Entwicklung der EU fördern solle. Doch die Zeiten, in denen die Geschicke der EU in Paris und Berlin gelenkt werden, sind vorbei. Die anderen 25 Mitgliedländer fühlen sich stark genug, um den beiden Grossen nicht einfach widerspruchslos die Zügel zu überlassen. Macron und Merkel sind innenpolitisch geschwächt. Die weitere Vertiefung der Union zulasten nationaler Souveränität wird von namhaften Teilen der Bevölkerung beider Länder nicht mehr mitgetragen – aus Gleichgültigkeit oder aus offener Ablehnung. Schief erscheint in diesem Zusammenhang die Formulierung einer «souveränen» EU als Fortschritt.
Die Vertiefung der deutsch-französischen Freundschaft ist bereits ein hoher Wert an sich. Kultureller Austausch ist immer schön. Mehr Spielraum und Ausnahmeregelungen in der staatlichen Bürokratie zum Zweck eines leichteren kleinen Grenzverkehrs ist gut für die Bürger. Für eine Weiterentwicklung von EU und Nato braucht es aber keinen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag – dafür haben die Organisationen ihre eigenen Gremien mit allen Mitgliedsländern.
Zweitens und weniger erfreulich für die beiden Staatschefs zeigt das Treffen von Aachen, wie wenig sie in Europa noch bewegen können. In der Präambel des Vertrags wird festgehalten, dass «die Freundschaft zwischen Deutschland und Frankreich für eine geeinte, leistungsfähige, souveräne und starke Europäische Union» unabdingbar bleibe. Immer wieder wird in dem Vertrag betont, dass die Kooperation der beiden Länder die weitere Entwicklung der EU fördern solle. Doch die Zeiten, in denen die Geschicke der EU in Paris und Berlin gelenkt werden, sind vorbei. Die anderen 25 Mitgliedländer fühlen sich stark genug, um den beiden Grossen nicht einfach widerspruchslos die Zügel zu überlassen. Macron und Merkel sind innenpolitisch geschwächt. Die weitere Vertiefung der Union zulasten nationaler Souveränität wird von namhaften Teilen der Bevölkerung beider Länder nicht mehr mitgetragen – aus Gleichgültigkeit oder aus offener Ablehnung. Schief erscheint in diesem Zusammenhang die Formulierung einer «souveränen» EU als Fortschritt.
Die Vertiefung der deutsch-französischen Freundschaft ist bereits ein hoher Wert an sich. Kultureller Austausch ist immer schön. Mehr Spielraum und Ausnahmeregelungen in der staatlichen Bürokratie zum Zweck eines leichteren kleinen Grenzverkehrs ist gut für die Bürger. Für eine Weiterentwicklung von EU und Nato braucht es aber keinen deutsch-französischen Freundschaftsvertrag – dafür haben die Organisationen ihre eigenen Gremien mit allen Mitgliedsländern.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen