Sonntag, 1. Juli 2018

Lügen haben kurze Beine...

von Thomas Heck...

Während die deutsche regierungstreue Presse Merkels Erfolg in der EU-Asylpolitik vermeldet und sich geradezu vor Freude überschlägt, fast schon ein Comeback der Kanzlerin sieht und man sich auf die nächsten 14 Jahre Merkel einstellt, wird der CSU und Seehofer ein miserables Zeugnis ausgestellt. Nun mischt sich in die Euphorie über die Manifestierung eines "Weiter so" des Flüchtlingsfrage leichte Zweifel. So sollen zahlreiche EU-Staaten plötzlich eine Flüchtlingsrücknahme zugesichert haben. Eine Sensation. Die Kanzlerin hat angeblich 14 Länder in einer Nachtschicht weichgekocht und eine beschleunigte Rückführung von Migranten vereinbart. Ungarn und Tschechien dementierten umgehend, Teil der Übereinkunft zu sein. Später auch aus Polen ein Dementi. Hat die Kanzlerin etwa gelogen?


Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat bei ihren Verhandlungen zur besseren Steuerung der Migration offenbar von 14 Ländern Zusagen zur beschleunigten Rückführung von Migrantinnen und Migranten erhalten. Das berichten die Deutsche Presse-Agentur und die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf ein achtseitiges Schreiben der Kanzlerin an die Partei- und Fraktionsvorsitzenden der Koalitionspartner SPD und CSU. Diese hatte die Kanzlerin bereits am Freitagabend in getrennten Telefonaten darüber informiert. Die Details werden nun in dem Dokument aufgeführt.


Demnach hat Merkel auch von Ungarn, Polen und Tschechien eine Zusage für entsprechende Verwaltungsabkommen erhalten – also von EU-Staaten, die ihrer Flüchtlingspolitik bisher extrem kritisch gegenüberstanden. Daneben stehen auch Belgien, Dänemark, Estland, Finnland, Frankreich, Litauen, Lettland, Luxemburg, die Niederlande, Portugal und Schweden auf der Liste.

Tschechien dementierte eine solche Zusage allerdings. "Diese alarmierende Nachricht ist völliger Unsinn", sagte Ministerpräsident Andrej Babiš laut einer Mitteilung der tschechischen Regierung. "Deutschland ist nicht an uns herangetreten, und in diesem Augenblick würde ich ein solches Abkommen auch nicht unterzeichnen." Tschechien plane keine Verhandlungen. "Wir lehnen dies entschieden ab."

Auch aus Ungarn kam am Samstagnachmittag Widerspruch. "So eine Vereinbarung ist nicht erreicht worden", sagte der ungarische Regierungssprecher Zoltan Kovacs der Nachrichtenagentur Reuters.

Ziel der beschleunigten Rückführung soll es sein, Geflüchtete in den ersten EU-Staat, in dem sie registriert wurden, zurückzubringen. Diese Rücküberstellung gelingt heute aus Deutschland nur in etwa 15 Prozent der Fälle. Mit den Verwaltungsabkommen soll diese Quote deutlich erhöht werden. Beschleunigte Rückführung meint in diesen Fällen, dass Asylverfahren nur noch eine Woche lang dauern und es auch beschleunigte Rechtsmittelverfahren gibt. 

Ankerzentren, mehr Polizei an der EU-Außengrenze und striktere Visumvergabe

Als weitere Maßnahme in der Asylpolitik plant Merkel spezielle Ankerzentren. In diesen Einrichtungen sollen Asylbewerberinnen und -bewerber untergebracht werden, die bereits in anderen EU-Ländern registriert sind. In den Unterkünften soll dann eine erweiterte und mit Sanktionen belegte Residenzpflicht gelten – die Betroffenen bekommen also Auflagen, die verhindern sollen, dass sie sich aus den Einrichtungen entfernen. Zudem soll eine Verteilung auf die Kommunen ausgeschlossen werden.

Betroffen sind dann nicht nur jene Migrantinnen und Migranten, die unter einen grenznahen Rücknahmemechanismus fallen, wie ihn Merkel am Rande des Brüsseler EU-Gipfels mit Griechenland und Spanien vereinbart hat. Auch solche, die versuchen, offizielle Grenzkontrollen zu umgehen und über die sogenannte grüne Grenze nach Deutschland zu kommen, sind Teil der Abkommen.

Schon bis Ende August will die Kanzlerin zudem Griechenland und Bulgarien dabei unterstützen, ihre Grenzpolizeien zu verstärken. Deutsche Bundespolizisten sollen dazu an die EU-Außengrenze nach Bulgarien entsendet werden. Durch diese Maßnahme solle in Übereinkunft mit Bulgarien die Zahl der in den grenzkontrollfreien Schengenraum Einreisenden weiter gesenkt werden. "Wir müssen auch bereit sein, im Bedarfsfall Slowenien und Kroatien beim Grenzschutz zu unterstützen", heißt es im Schreiben der Kanzlerin an ihre Koalitionspartner. 

Auch eine striktere Praxis bei der Vergabe von Schengen-Visa soll der Rat der EU-Innen- und Außenminister umgehend beschließen. So "können wir den Visumsmissbrauch und damit die Zahl der Asylersuchen in Deutschland substanziell verringern", schreibt die Kanzlerin. Im Jahr 2017 habe eine fünfstellige Zahl von Asylsuchenden in Deutschland einen entsprechenden Eintrag im EU-Visa-Informationssystem gehabt.

Merkel sieht sich gestärkt im Streit mit der CSU

Die Details der Verhandlungen soll nun Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) aushandeln – genau wie bei der trilateralen Vereinbarung mit Griechenland und Spanien. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur soll Seehofer Expertinnen und Experten seines Hauses beauftragt haben, die von Merkel vorgestellten Maßnahmen zu prüfen. Der CSU-Chef selbst will sich im Laufe des Tages nicht öffentlich zu den Vorschlägen äußern. An diesem Sonntagnachmittag kommen die Spitzengremien von CDU und CSU zu getrennten Sitzungen in Berlin und München zusammen, um über das weitere Vorgehen zu beraten.

Seehofer war es, der den Streit mit der Kanzlerin über die Asylpolitik der Bundesregierung hatte eskalieren lassen. Als Teil seines bis heute nicht präsentierten Masterplans Migration wollte er all jene Flüchtlinge, die bereits in einem anderen EU-Staat registriert wurden, direkt an der deutschen Grenze abweisen lassen. Von einem solchen Alleingang wollte er nur absehen, wenn die Kanzlerin zum Wochenende "wirkungsgleiche" Lösungen vorlegt. Während ihrer Pressekonferenz zum Abschluss des EU-Gipfels sah Merkel genau dies erreicht: "Wenn das alles umgesetzt wird, dann ist das mehr als wirkungsgleich", sagte sie in Brüssel, griff damit eine Formulierung von Seehofer auf und fügte hinzu: "Dann ist das ein wirklich substanzieller Fortschritt."

Der Deutung der CSU, die Beschlüsse aus Brüssel deckten nationale Maßnahmen wie etwa Zurückweisungen an den Grenzen mit ab, widersprach ein Regierungssprecher aber. "Unilaterale staatliche Maßnahmen zulasten anderer Staaten sind gerade nicht gemeint", sagte er. Sie entsprächen nicht der weiteren Gipfelforderung, dass die Mitgliedsstaaten bei der Bekämpfung der Sekundärmigration "eng zusammenarbeiten" sollten, um die Reisefreiheit nicht zu gefährden.

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