von Thomas Heck...
Würde man Merkels Besuch in den USA und den daraus resultierenden Ergebnissen für Deutschland über Schulnoten bewerten wollen, bliebe nur eine Note. Ungenügend, setzen, sechs. Außer Spesen nichts gewesen. Denn Merkel kehrt mal wieder mit leeren Händen zurück. Dafür hätte auch ein Telefonat gelangt. Widerstand ist zwecklos, titelt das Handelsbaltt. Die Kanzlerin kehrt von ihrer US-Reise mit leeren Händen zurück. Die bittere Bilanz ihres Besuchs: Donald Trump macht, was er will – ob es Deutschland passt oder nicht.
Kritik an seinen Alleingängen, Verunsicherung über seine Wutausbrüche, all das perlt am US-Präsidenten ab. Betrachte er seine Beliebtheitswerte in Deutschland, stelle er fest: „Da mag man vielleicht Donald Trump nicht. Aber das heißt, ich mache einen guten Job, denn ich repräsentiere ja die USA!“
Neben Trump steht die Bundeskanzlerin, reglos. Ihr bleibt nichts anderes übrig, als die Bemerkung gelassen hinzunehmen. Was sollte sie auch einwerfen? Ist sie doch mit ihrem undiplomatischen Auftreten vor, während und nach der Wahl von Donald Trump nicht nur mir unangenehm aufgefallen und so werden die Dossiers über die Kanzlerin, die dem US-Präsidenten anlässlich ihres Besuchs üblicherweise vorgelegt werden, sicher eindeutig ausfallen. Noch nie war die Unwichtigkeit eines Staatsbesuchs eines deutschen Regierungschefs in Washington so überdeutlich zu erkennen, wie der von Merkel. Es hätte gar nicht des 3-Tage-Besuchs von Macron, heißer Küsse inklusive, bedurft, um das aller Welt klarzumachen. Trump ist mit seinen Gedanken schon weitergewandert und schimpft auf seine Vorgänger, die so vieles falsch gemacht hätten.
Angela Merkel ist das erste Mal seit ihrer Wiederwahl in die USA geflogen. Miteinander sprechen sei besser als schweigen, ist die Haltung der Bundesregierung. Insofern ist jeder Besuch ein kleiner Erfolg. Immerhin soll die Begegnung zwischen Merkel und Trump unter vier Augen höflich verlaufen sein, und auch auf offener Bühne gab es keinen Eklat, was schon mal als Fortschritt gesehen werden muss. Doch ihre Mimik spricht Bände und sagt über Merkels angeknacktes Selbstbewußtsein eine ganze Menge aus, während der US-Präsident vor selbigen nahezu strotzt, und der Erfolg gibt ihm auch Recht und wer es einmal schafft, sein persönliches Ego aus der Leitung zu streichen, der müsste mir ebenso Recht geben.
Trump gratulierte Merkel zu ihrer vierten Amtszeit und betonte, die transatlantische Freundschaft bereichere „das Leben von Millionen Menschen“. Die Kanzlerin sagte, Amerika bleibe ein „Sehnsuchtsort“. Doch der oberflächlich nette Ton konnte nicht darüber hinwegtäuschen: Die Ausbeute von Merkels Reise ist mager, sie kehrt mit leeren Händen zurück.
Knapp drei Stunden verbrachten der US-Präsident und die Kanzlerin am Freitag im Weißen Haus. Zu Beginn der Woche hatte Trump den französischen Präsidenten Emmanuel Macron zum Staatsbesuch empfangen. Trotz der EU-Präsenz im Doppelpack ist Trump in zentralen Konfliktfeldern nicht von seiner Haltung abgerückt. Trump zieht seinen protektionistischen Kurs und seine Abscheu vor multilateralen Bündnissen durch. Ob es Europa nun passt oder nicht. Und so konnte der spröde der Kanzlerin auch nichts daran ändern, hat sie doch auch äußerlich nichts, was den US-Präsidenten auch nur im entferntesten erregen würde.
Besonders deutlich wurde die tiefe Entfremdung beim drohenden Handelskrieg. Am Dienstag endet eine von Washington gesetzte Frist, die europäische Stahl- und Aluminium-Hersteller bislang von US-Strafzöllen ausnimmt. Als ein Reporter Merkel darauf ansprach, grinste Trump. „Der Präsident wird entscheiden, das ist klar“, kommentierte die Kanzlerin knapp. Drei Tage, bevor es ernst werden soll, wissen Hersteller, Händler und Konsumenten nicht, worauf sie sich einstellen können.
Die Bundesregierung hatte kurz vor Merkels Reise die Hoffnungen auf einen Durchbruch heruntergedimmt. Man rechne kaum noch mit einer Einigung, hieß es. In Regierungskreisen hält man nun maximal eine Fristverlängerung für möglich - wenn überhaupt.
Die EU-Kommission plant im Fall der Fälle Vergeltungszölle auf amerikanisches Obst, Whiskey oder Harley-Davidson-Motorräder. Uiii, das Problem einer amerikanischen Abschottung wird man damit nicht lösen. In Berlin und Brüssel weiß man, dass die Metallzölle nur der Anfang für härtere Handelshemmnisse sein könnten - etwa für Barrieren gegen europäische Autos, die in den USA ein beliebtes Massenprodukt sind.
In Washington ließen Trump und Merkel nicht durchblicken, wie weit mögliche Pläne für Autozölle vorangeschritten sind. Vorsorglich erwähnte die Kanzlerin, dass nicht nur Europa Hunderttausende Fahrzeuge nach Amerika exportiere, sondern europäische Autokonzerne in den USA viele Arbeitsplätze schaffen. „Das ist eine enge Verbindung“, mahnte sie.
Öffentlich vermied sie ansonsten jeden Ansatz einer Konfrontation, ging stattdessen auf den Präsidenten zu. „Die WTO hat bedauerlicherweise seit Jahren keine multinationalen Handelsabkommen mehr zustande gebracht“, räumte Merkel in Washington ein. Trump hatte die Welthandelsorganisation in der Vergangenheit als „überflüssig“ bezeichnet.
Auch beim Streit um globale Rüstungskosten zeigte sie Verständnis. Trump drängte erneut darauf, dass die Nato-Partner jährlich zwei Prozent „und am besten noch viel mehr“ des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben müssten. Deutschlands Budget liegt bei 1,2 Prozent und soll laut Merkel im kommenden Jahr auf 1,3 Prozent wachsen. „Wir sind längst nicht da, wo wir hinmüssen“, gab Merkel zu. Rechnen kann sie also auch. 2% sind das Ziel, ca. 70 Mrd. Euro für die Verteidigung. Gut investiertes Geld.
„Wenn Konflikte vor unserer Haustür liegen, können wir uns nicht nur auf andere verlassen“, erklärte die Kanzlerin weiter. Deutschland wachse aus einer jahrzehntelang geübten Rolle langsam heraus. Nach dem Zweiten Weltkrieg seien alle „zu Recht froh gewesen“, wenn sich Deutschland nicht zu viel engagiert habe. „Heute müssen wir neu lernen, mehr Verantwortung zu übernehmen“, in der Entwicklungshilfe, in der Verteidigung, in der internationalen Diplomatie.
Eigentlich hätte dieser Moment so etwas wie eine Annäherung markieren können. Allerdings spürte man im Saal: Selbst wenn sich Trump und Merkel in der Sache einig waren, stand die Kanzlerin allein auf der Bühne. Denn ein Austausch auf historischer Grundlage ist mit dem Präsidenten kaum möglich, er ging darauf mit keinem Wort ein.
Für Trump zählte nur: Jedes Mitglied müsse seinen „fairen Beitrag“ leisten. Die USA „beschützen Europa, aber es hilft Europa und nicht uns, auch wenn wir dafür blechen“. Ende der Diskussion. Wenn sich beide Politiker mal in die Augen schauten, dann nur für einen kurzen Augenblick.
Merkels Besuch machte klar wie nie, dass die Bundesregierung die neue, oft unbequeme Realität unter Trump hinnehmen muss. Der US-Präsident hat bewiesen, dass er Drohungen Taten folgen lassen kann, und Merkel fährt zunehmend die Strategie: Widerstand ist zwecklos, Deutschland kann allenfalls Fakten und Argumente vorbringen und sich mit anderen Verbündeten absprechen.
Selbst das funktioniert nur bedingt. Monatelang hatten sich Deutschland, Frankreich und Großbritannien im Hintergrund abgestrampelt, das 2015 unter Obama geschlossene Iran-Atomabkommen zu retten. Trump wird es im Mai voraussichtlich aufkündigen, wenn es nicht noch in letzter Minute einen Durchbruch gibt.
Trump hingegen wirkte gestärkt und aufgedreht, wippte mit den Fersen und lobte sich selbst. Die jüngsten Fortschritte zwischen Nord- und Südkorea sah er als Erfolg seiner Mühen. „Ich hoffe, dass ich der Welt diesen Dienst erweisen kann“, sagte er mit Blick auf eine mögliche Abrüstung Nordkoreas und die Hoffnung auf Frieden. Minutenlang referierte er über die geplante US-Botschaft in Jerusalem, die laut Trump zunächst eine Milliarde kosten sollte, bevor er persönlich den Preis drückte. „Das Gebäude wird wunderschön!“, rief er.
Wie häufig bei Pressekonferenzen mit ausländischen Gästen redete sich Trump in Rage oder kam ins Schwärmen. Und wie viele ihrer Vorgänger am Rednerpult stand Merkel am Freitag neben dem Präsidenten und schaute ins Leere, bis Trump seinen Redefluss beendet hatte. Was hätte sie aber auch selbst belangloses beisteuern können?
„Unterschiedliche Blickwinkel“ hätten die USA und Deutschland zuweilen, sagte die Kanzlerin. Mit ihrer Reise habe sie zeigen wollen, „dass die transatlantischen Beziehungen von existenzieller Wichtigkeit sind“. Mehr kann sie gerade auch nicht tun.
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