Dienstag, 13. Februar 2018

Wie man unliebsame politische Gegner entsorgt...

von Thomas Heck...

Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik droht einer verfassungsfeindlichen Partei der Verlust aller Zuschüsse aus öffentlichen Mitteln. Der Bundesrat beschloss am Freitag einstimmig, ein Verfahren zum Ausschluss der NPD aus der staatlichen Parteienfinanzierung einzuleiten. „Es kann nicht sein, dass diese Partei auch nur mit einem Euro unterstützt wird“, sagte Saarlands Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) in der Sitzung der Länderkammer. Kramp-Karrenbauer hatte als Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz den Antrag auf Entscheidung des Bundesrates gestellt.

Was auf den ersten Blick richtig erscheint, könnte sich um Nachklang als einen Boomerang und Angriff auf die Demokratie herausstellen, entsteht hier doch ein Präzedenzfall, der es künftig den etablierten Parteien ermöglicht, künftige unliebsame Gegner beizeiten zu entsorgen.  So könnte der Angriff auf die NPD letztlich auf einen politischen Gegner abzielen, der dem Establishment aktuell gefährlich geworden ist und die Parteienlandschaft durcheinander zu bringen droht. Die Rede ist von der AfD, die angesichts aktueller Umfragegebnisse zu Lasten der SPD und CDU das Wasser abzugraben droht. Bei Neuwahlen hätte eine Große Koalition derzeit keine politischen Mehrheiten mehr.

Umso schlimmer, dass man hier fast gezwungen wird, der NPD in die Bresche springen zu müssen und das Prozedere im Umgang mit der rechtsradikalen Partei  in Frage zu stellen. Schon dafür müsste man den etablierten Parteien vors Schienbein treten.

Zumal die NPD bei den letzten Fragen faktisch politisch keine Rolle mehr spielt. Wozu also der Aufwand, wenn nicht doch mehr dahintersteckt, als uns weis gemacht wird? Wird dem deutschen Wähler nichts mehr zugetraut und wer entscheidet überhaupt, wer richtig und wer falsch wählt? Allzu leicht drückt man der AfD einen rechtsradikalen Stempel auf, um die Partei zusammen mit der NPD in die Verfassungfeindlichkeit zu treiben. Den etablierten Parteien dabei hehre Motive zu attestieren, greift zu kurz und gäbe auch nicht die Realität wieder. Denn hier geht es um Macht und Pfründe. Und die Nähe linker Parteien von CDU, SPD, Grünen und Linkspartei zur Antifa gelte es auch zu hinterfragen.


Die Länderkammer wird nun beim Bundesverfassungsgericht beantragen, der NPD für sechs Jahre sämtliche staatlichen Gelder vorzuenthalten. Auf eine solche Frist hatten sich Bundestag und Bundesrat im Sommer 2017 verständigt, als sie das Grundgesetz zum Nachteil verfassungsfeindlicher Parteien änderten. Diesen soll es möglich sein, sich innerhalb von sechs Jahren so zu mäßigen, dass der Staat den Geldhahn doch wieder öffnen kann.

Es sei ein „starkes Signal“, dass alle 16 Bundesländer gemeinsam im Bundesrat den Antrag zur Einleitung des Verfahrens stellen, sagte die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), in der Bundesratsdebatte. Es sei wichtig, dass eine Demokratie zeige „wo es Grenzen gibt“. Und die Grenze sei erreicht, „wo die Demokratie selbst in Frage gestellt wird“. Schwesig betonte, in ihrem Bundeslang sei die NPD weiterhin „sehr umtriebig“, obwohl die Rechtsextremen 2016 den Landtag nach zehn Jahren verlassen musste.

Belege für Verfassungsfeindlichkeit

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) verwies auf die Lehren aus der Nazizeit. „Wir sind aus dem völkisch-nationalistischen Wahnsinn in ein Zeitalter der Demokratie und Menschenwürde eingetreten“, sagte Geisel. „Wir dürfen nicht zulassen, dass diese unbezahlbaren Werte durch politische Irrläufer in den Dreck gezogen und gefährdet werden – und die Steuerzahlerinnen und Steuerzahler dies auch noch bezahlen.“ Die NPD hatte in den vergangenen Jahren aus den Staatskassen meist um die eine Million Euro erhalten.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) nannte den Anlass für die Entscheidung des Bundesrates und die vorausgegangene Änderung des Grundgesetzes. Das Bundesverfassungsgericht habe „eine neue Tür geöffnet“. Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle hatte im Januar 2017 im Vorwort zum Urteil im NPD-Verbotsverfahren auf die Möglichkeit einer Änderung der Parteienfinanzierung hingewiesen. Im Urteil selbst wiesen die Richter den Antrag des Bundesrates ab, die rechtsextreme Partei aufzulösen. 

Voßkuhle und seine Kollegen betonten zwar die Verfassungsfeindlichkeit der NPD, hielten sie aber für zu klein und unbedeutend, um ein Verbot auszusprechen. Bundesrat und Bundestag griffen jedoch die Anregung zur Parteienfinanzierung auf und beschlossen im Sommer die Änderung von Grundgesetz-Artikel 21. Die jetzt erfolgte Entscheidung der Länderkammer, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag zum Entzug der staatlichen Gelder für die NPD zu stellen, ist der zweite Schritt.

Verbotsverfahren gegen die Partei war 2003 gescheitert

Der nächste wird ähnlich wie beim Verbotsverfahren die Sammlung von Material sein, das die Verfassungsfeindlichkeit der NPD und damit die Notwendigkeit des Entzugs staatlicher Gelder belegt. Die Belege müssen die Sicherheitsbehörden, vor allem der Verfassungsschutz, zusammenstellen. Für den Antrag, der dann in Karlsruhe eingereicht werden soll, wie auch für die Verhandlung dort will der Bundesrat wieder seine beiden Prozessbevollmächtigen aus dem Verbotsverfahren aktivieren. Die Berliner Rechtswissenschaftler Christian Waldhoff und Christoph Möllers hatten die Länderkammer vertreten.

„Die Anforderungen und Maßstäbe jetzt sind dieselben wie beim Verbotsverfahren“, sagte Waldhoff am Freitag dem Tagesspiegel. Die Sicherheitsbehörden müssten Material liefern, das nicht auf V-Leute zurückzuführen sei. An der Anwesenheit von Spitzeln in Führungsetagen der NPD war 2003 das erste Verbotsverfahren gegen die Partei gescheitert.

Die Rechtsextremen selbst wurden bereits im Vorgriff auf die von ihnen erwartete, aktuelle Entscheidung des Bundesrates tätig. Schon im September 2017 schickte NPD-Anwalt Peter Richter dem Bundesverfassungsgericht eine Organklage gegen die Änderung des Grundgesetzes. Wann in Karlsruhe darüber entschieden wird, ist offen. Möglicherweise führt der Zweite Senat die Organklage der NPD und den Antrag des Bundesrates auf Entzug der staatlichen Finanzierung für die Partei zu einem Verfahren zusammen.

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