Donnerstag, 1. Februar 2018

Gabriel fällt Trump in den Rücken...

von Thomas Heck...

Harmonisch schien es nicht gerade, das Zusammentreffen zwischen dem geschäftsführenden deutschen Außenminister Sigmar Gabriel und dem israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu am Mittwoch in Jerusalem. Zwar blieb ein Eklat wie im vergangenen Jahr, als Netanjahu das Treffen platzen ließ, aus. Gabriel war vielmehr gekommen, um Wogen zu glätten. Und doch wurde bei dem eintägigen Kurzbesuch in der Region deutlich, wie uneins sich diese beiden Politiker nach wie vor sind – auch beim Thema Nahostkonflikt: Er sei dankbar gewesen, zu hören, dass auch Israels Regierung für die Zweistaatenlösung sei, sagte Gabriel nach dem Treffen mit dem Premier. 















Netanjahu hakte ein und verbesserte: Israel werde auch zukünftig die Sicherheit westlich des Jordans kontrollieren – also das Westjordanland. „Ob das dann als Staat definiert wird, wenn wir die militärische Kontrolle haben … Bezeichnungen möchte ich lieber nicht diskutieren.“


Soll heißen: Wenn es nach Israels Regierung geht, wird die militärische Besatzung anhalten – eine Politik, die von kritischen israelischen Menschenrechtsorganisationen seit Jahren kritisiert wird. Jene Organisationen waren auch der Grund für den diplomatischen Eklat im April 2017: Damals hatte Gabriel in Israel auch NGOs wie Schowrim Schtika (Das Schweigen brechen) und Btselem getroffen. Schowrim Schtika ist eine Gruppe von ehemaligen Soldaten und Reservisten, die das Vorgehen der Armee in den besetzten Gebieten kritisiert. Betselem macht Israels Menschenrechtsverletzungen in den Gebieten öffentlich. Für viele Israelis sind sie Nestbeschmutzer, Israelhasser und Verräter.

Netanjahu sieht das ähnlich, er sagte deshalb im April sein Treffen mit Gabriel kurzfristig ab und ließ wissen: Es gehöre nicht zur seiner Politik, ausländische Besucher zu treffen, die auf diplomatischen Reisen mit Gruppen sprechen, die Soldaten des israelischen Militärs als Kriegsverbrecher beschimpfen. Dabei war der deutsche Außenminister bei Weitem nicht der erste ausländische Politiker, der mit diesen Gruppen sprach.

Dieses Mal also sollte alles anders werden: Menschenrechtsorganisationen standen nicht auf dem straffen Reiseplan, der Gabriel innerhalb eines Tages auch nach Ramallah zu Palästinenserpräsident Abbas und für eine Rede zur Jahreskonferenz des Instituts für Nationale Sicherheitsstudien (INSS) nach Tel Aviv führte.

Gabriel: Israel kann sich immer auf Deutschland verlassen

Sein Vorgehen im April bereut Gabriel deshalb aber nicht. Sowohl Netanjahu als auch er selbst seien überzeugt, beim letzten Besuch alles richtig gemacht zu haben, sagte Gabriel Anfang der Woche. „Aber wir bekamen beide, wie ich glaube, Beifall von der falschen Seite.“ Unter denen, die ihm, Gabriel, zujubelten, seien vermutlich auch jene gewesen, die hinter ihren antiisraelischen Positionen eine antisemitische Position verbärgen. Der große Beifall in Deutschland habe ihn sehr verunsichert, sagte Gabriel.

Und so versuchte der Außenminister, bei allem Dissens mit Netanjahu, auch das besondere freundschaftliche Verhältnis zwischen Israel und Deutschland zu betonen. „Israel kann sich immer auf Deutschland als einen fairen Partner verlassen, wenn es um die Verteidigung der Sicherheit Israels geht“, sagte Gabriel nach dem Treffen. Man habe vielleicht andere Ansichten bezüglich des Nuklearabkommens, nicht aber über das Verhalten des Iran. Während Deutschland am Nuklearabkommen festhalten will, kritisiert Israel den Deal und plädiert dafür, ihn zu verändern oder ganz zu annullieren.

Gabriel fordert von Israel Strategie für Frieden und plädierte für die Zwei-Staaten-Lösung und für Jerusalem als gemeinsame Hauptstadt. Er forderte Israel auf, eine klare Strategie für die Lösung des Konflikts mit den Palästinensern vorzulegen. Netanjahu hat den deutschen Beitrag zur Sicherheit Israels gewürdigt, war aber höflich genug, den Außenminister nicht bloßzustellen und die Rolle Deutschlands und der EU bei der Finanzierung der Märtyrer-Rente öffentlich anzuprangern.

Angespannt ist die Situation in Nahost für Gabriel aber auch dadurch, dass US-Präsident Donald Trump im Dezember Jerusalem als Hauptstadt Israels anerkannt hat. Bei seinem Besuch in Ramallah machte Gabriel seiner Frustration Luft. Aufgrund der nicht existierenden Friedensverhandlungen hätten viele Menschen den Eindruck, dass man sich jeden Tag ein Stück vom Osloer Friedensprozess entferne. „Die Entscheidung der USA, die Gelder für die palästinensische Autonomiebehörde und für die UNRWA zu kürzen, halten wir für falsch“, sagte Gabriel nach seinem Treffen mit Abbas. Um sogleich einzuspringen. Die EU hat heute beschlossen, für die USA einzuspringen und hat dem Uno-Hilfswerk für die Palästinenserflüchtlinge zusätzliche Hilfen versprochen. Forderungen Gabriels an die palästinensische Seite? Fehlanzeige. Insofern laufen die Maßnahmen Trumps gegen die friedensunwilligen Palästinenser, die Schulen nach Selbstmordattentätern benennen, ins Leere.

Die USA waren bislang der größte Geldgeber für das UN- Flüchtlingshilfswerk für Palästinenser und haben gut ein Viertel des Jahresbudgets gezahlt. Nun wollen sie erst wieder Geld geben, wenn die Palästinenser an den Verhandlungstisch mit den Israelis zurückkehren. Gabriel sagte, er hoffe, dass die USA einen Vorschlag vorlegen würden, über den man verhandeln könne. Für die Palästinenser kommen die USA nach Trumps Jerusalem-Entscheidung als Vermittler im Friedensprozess jedoch nicht mehr infrage.

Auf der INSS-Konferenz kritisierte Gabriel, dass sich auch einige israelische Kabinettsmitglieder offen gegen die Zweistaatenlösung aussprächen. Diese sei aber Grundlage des deutschen Engagements für den Friedensprozess. „Diese bestenfalls gemischten Signale gehen in Europa nicht ungehört vorbei. Dort wächst die Frustration über Israels Handeln“, sagte Gabriel. Junge Menschen seien immer weniger geneigt, die ihres Erachtens unfaire Behandlung der Palästinenser zu akzeptieren. So werde es „immer schwieriger, zu erklären, warum unsere Unterstützung für Israel anhalten muss“. Eine unverhohlende Drohung. Es gilt auch für Gabriel das alte Credo. An allem sind die Juden schuld...

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