Dienstag, 20. Februar 2018

Der Gender-Schwachsinn greift immer mehr um sich...

von Thomas Heck...

Immer wenn man denkt, dass einem kein Thema mehr einfällt, kommt irgendjemand um die Ecke und vertritt ein derart schwachsinniges Thema, dass man sich nur noch kopfschüttelnd zurückziehen möchte. Wenn dann auch noch Gerichte beschäftigt und erhebliche Kosten verursacht werden, während Schulen und Kindergärten verrotten, wird es noch absurder.

Eine Frau aus dem Saarland will durchsetzen, dass ihre Bank auch weibliche Personenbezeichnungen in ihre Formulare aufnimmt. Damit beschäftigt sich nun der Bundesgerichtshof. Wenn Sprache die Geschlechter in gerechter Weise berücksichtige, wirke sich das auf die Gesellschaft insgesamt aus, meint die Sprachwissenschaftlerin Damaris Nübling im Gespräch mit dem zwangsgebührenfinanzierten Deutschlandfunk über diesen Gender-Schwachsinn.



Ute Welty: Kundin statt Kunde und Kontoinhaberin statt Kontoinhaber – eine Frau aus dem Saarland möchte durchsetzen, dass ihre Bank auch weibliche Personenbezeichnungen in ihre Formulare mit reinschreibt. Heute prüft der Bundesgerichtshof den Fall. Der Anwalt der Klägerin betont, es ginge ums Prinzip, aber ist dieses Prinzip eher ein großes wichtiges oder dann doch eines von der Sorte mit dem ganz kleinen Karo. Wie wichtig ist es tatsächlich für die Gleichberechtigung, dass es Kundin heißt und nicht nur Kunde. Professor Damaris Nübling forscht seit Jahren an der Johannes Gutenberg-Universität Mainz zur geschlechtergerechten Sprache. Guten Morgen!

Damaris Nübling: Guten Morgen!

Welty: Der Bundesgerichtshof ist jetzt nicht irgendein Gericht, sondern die letzte Instanz in Zivil- und Strafrechtsverfahren. Muss das wirklich sein, dass sich oberste Richter und Richterinnen mit einer solchen Textarbeit beschäftigen?

Nübling: Ja, offensichtlich, wenn es so weitergereicht wird, diese Angelegenheit. An und für sich habe ich mich ein bisschen gewundert, weil das, was da gefordert wird, eigentlich eine Selbstverständlichkeit ist, zumal, wie wir sagen, in sogenannten adressierenden Textsorten, also da, wo man Menschen anspricht oder sie auffordert, etwas zu tun, da sollte man sie im höchsten Grade auch nach ihrem Geschlecht benennen. Genau da wäre es gegeben.

Welty: Wie kann das denn praktisch aussehen? Kunde und Kundin finden vielleicht noch Platz im Bankformular, aber bei Kontoinhaber und Kontoinhaberin könnte es allein vom Raum her schon schwierig werden.

Nübling: Das ist eine oft vorgebrachte und sattsam bekannter Einwand, in dem Sie genau das machen, was Sie eben gesagt haben, einen Schrägstrich dran und ein "in" dranhängen. Gerade bei Formularen ist das eine akzeptable Form, dass man die sogenannte Schrägstrichvariante wählt. Das sind genau zwei Buchstaben mehr, das sollte die Sache wert sein.

Welty: Und auch das große I, das geht ja.

Nübling: Das ist noch nicht normgerecht. Ich selbst verwende es. Ich finde es am praktischsten, aber das muss in diesem Falle gar nicht sein. Ein Schrägstrich und ein kleines I plus ein N und die Sache ist erledigt.

Welty: Inwieweit ändert sich durch die Sprache denn tatsächlich etwas an der realen Situation von Frauen, oder anders gefragt: Was nutzt mir ein Arbeitsvertrag, der vielleicht geschlechtergerecht formuliert ist, nachdem ich aber dann als Frau trotzdem die 21 Prozent weniger verdiene, die die durchschnittliche Lohnlücke zwischen Männern und Frauen ausmacht?

Nübling: Ich glaube, keine ernstzunehmende Linguistin und kein Linguist hat jemals behauptet, dass mit der Veränderung der Sprache sich sofort die Realität ändert. Das ist ein sich gegenseitig bedingender Prozess. Selbstverständlich wirkt auch die Gesellschaft auf die Sprache ein, so wie wir jetzt das Erbe der letzten tausende von Jahren tragen, in denen Männer tatsächlich dann doch das Sagen hatten, und genauso haben wir uns das vorzustellen, dass weiterer gesellschaftlicher Fortschritt sich auf die Sprache auswirkt und dass die Sprache, wenn die ihrerseits die Geschlechter in gerechter Weise berücksichtigt, dass das dann sozusagen ein sich gegenseitig bedingender Prozess ist.
Richtig gendern

Welty: Im Unibetrieb haben wir uns ja mehr oder weniger daran gewöhnt, dass wir von Studierenden und Dozierenden sprechen, aber so richtig schön klingt das auch nicht, oder?

Nübling: Das Problem ist, dass oft sehr viele Menschen ein Rezept sich wünschen, und dann sagt man, splitten, Doppelformen oder, was Sie eben angedeutet haben, diese Präsenzpartizipien, und wenn Sie ein Verfahren konsequent durchexekutieren, sage ich mal, dann wird jeder Text hässlich. Es kommt drauf an, dass man kreativ ist, das berühmte Wort der Kreativität, und das geht tatsächlich. Ich bin ja auch damit befasst, solche Texte zu verfassen, und wenn Sie einen geschlechtergerecht verfassten Text haben, einen guten, dann merken Sie gar nicht, dass er bearbeitet wurde. Das heißt, man bringt ab und zu mal solche Doppelformen, aber eben nicht ständig und dauernd, dass es stört. Ein Verfahren zum Beispiel ist, dass man pluralisiert. Zum Beispiel, dass man so etwas wie "jeder, der" überführte in "alle, die" oder "mancher, der" überführt in "einige, die" und so weiter. Also man kann über Pluralisierung sehr viel von diesen maskulinen Vorstellungen rausnehmen, und dann gibt es noch ein Dutzend weiterer Verfahren, die man anwenden kann. Ist übrigens gerade von Duden – ich bin nicht beteiligt – ein Heft erschienen, "Richtig gendern", und da sieht man, die ganze Vielfalt wird da angeboten. Ich sage immer, wo ein Wille, da ein Weg. Da findet man sehr wohl Möglichkeiten. Wie gesagt, ich tu es ja auch, ohne dass ich dauersplitte oder solche hässlichen Dinge verwende. Wenn man natürlich gegen sprachliche Gleichstellung ist, dann ist auch jedes Mittel dazu nicht recht.
Nicht alle Maskulina müssen "stören"

Welty: Wenn wir in die Geschichte der DDR schauen, da war es ganz selbstverständlich und selbstbewusst, dass eine Frau sagte, ich bin Lehrer, und heute tun das viele Frauen, gerade im Osten noch. Lässt sich ein Sprachwandel verordnen?

Nübling: Ja, lässt sich verordnen, das nebenbei, das gibt es schon, wissen wir aus Norwegen. Das ist eine Sache, es gab eine Diskussion in der damaligen DDR, und da gab es sehr wohl Befürworter und Befürworterinnen, beides vor allem für Worte, die Demovierungen gewünscht haben, und die wurden staatlicherseits untersagt. Das heißt, die ganze Diskussion, die hier stattgefunden hat, wurde dort nicht zugelassen. Es wurde verordnet, dass diese grammatischen Maskulina Männer und Frauen also vertreten würden in gleicher Weise, und dann kann sich natürlich so etwas, oder über Jahrzehnte hinweg, spielt sich sowas ein. Jetzt bei dem Fall "ich bin Lehrer", da ist ja durch das Ich ohnehin schon klar, dass es sich um eine Frau handelt, wenn eine Frau das äußert oder "sie ist Lehrer". In solchen Fällen – wir reden da von der prädikativen Position –, da ist das Geschlecht schon klar, und dann kann man durchaus hier und da, wenn die Rollen nicht so ganz wichtig sind, man sagt doch auch als Frau, "ich bin Linkshänder" oder "ich bin", was weiß ich, "Feinschmecker" oder "ich bin kein Freund von x", das hört man sehr, sehr oft, man kann denen ja auch nicht unterstellen, dass sie nicht emanzipiert seien. Das heißt, wenn das Geschlecht bereits klar ist, gibt es durchaus Verwendungen von Maskulina, die dann sozusagen nicht stören. Wenn Sie das Geschlecht aber nicht kennen und sagen, "dort drüben steht ein Lehrer", dann wird man auch in der DDR nicht auf die Idee gekommen sein, dass es eine Frau sein könnte.

Welty: Die Mainzer Sprachwissenschaftlerin Damaris Nübling über geschlechtergerechte Sprache, mit der sich heute auch der Bundesgerichtshof auseinandersetzt. Frau Nübling, herzlichen Dank für dieses Gespräch!


Nübling: Ja, gerne!

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