Freitag, 2. Dezember 2016

Grün, heimlich schwul, nun Islamist

von Thomas Heck...

Wer schon mal eine Sicherheitsüberprüfung über sich ergehen lassen musste, fragt sich, wie das passieren konnte, dass sich ein Islamist beim Verfassungsschutz einschleichen könnte. 
Bei der einfachen Sicherheitsüberprüfung (Ü1) werden zunächst die Angaben der Sicherheitserklärung (s. u.) der zu überprüfenden Person unter Berücksichtigung der Erkenntnisse der Verfassungsschutzbehörden des Bundes und der Länder bewertet. Bei Angehörigen der Bundeswehr (Soldaten wie auch Zivilpersonal) führt die Überprüfung der Militärische Abschirmdienst durch. Zudem wird eine unbeschränkte Auskunft aus dem Bundeszentralregister (BZR) eingeholt, und es gehen Anfragen an das Bundeskriminalamt (BKA), das Bundespolizeipräsidium, die zuständige Staatsanwaltschaft und die Nachrichtendienste des Bundes.
Bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung (Ü2) gehen zusätzlich Anfragen an die Polizeidienststellen der innegehabten Wohnsitze des Betroffenen (in der Regel beschränkt auf die letzten fünf Jahre), und auch seine Identität wird überprüft. Der Ehegatte oder Lebenspartner des Betroffenen wird generell in die Sicherheitsüberprüfung miteinbezogen und soll dieser Einbeziehung zustimmen. Die im Gesetz verwendete Formulierung „soll“ bedeutet praktisch jedoch ein „muss“, denn ohne die Zustimmung der einzubeziehenden Person kann die Sicherheitsüberprüfung der betroffenen Person nicht durchgeführt werden. Die nicht erteilte Zustimmung hemmt den Beginn oder – wird sie später zurückgezogen – den Fortgang der Überprüfung. In begründeten Ausnahmefällen kann jedoch beantragt werden, auf die Einbeziehung der einzubeziehenden Person zu verzichten. Zusätzlich können Auskunftspersonen, die angegeben werden müssen, zum Zwecke der Identitätsprüfung befragt werden, was in der Praxis eher selten vorkommt.
Bei der erweiterten Sicherheitsüberprüfung mit Sicherheitsermittlungen (Ü3) werden zusätzlich die von dem Betroffenen in seiner Sicherheitserklärung angegebene Referenzpersonen und weitere geeignete Auskunftspersonen befragt, um zu prüfen, ob die Angaben des Betroffenen zutreffen und ob tatsächliche Anhaltspunkte vorliegen, die auf ein Sicherheitsrisiko schließen lassen. Eine erneute Sicherheitsüberprüfung erfolgt nach einer abgelaufenen Frist von 5 Jahren.
Zu überprüfende Personen, die aus der DDR stammen und vor dem 1. Januar 1970 geboren sind, müssen ein Auskunftsersuchen an den Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (BStU) über eine eventuelle Mitarbeit für den Staatssicherheitsdienst der DDR stellen. Bei der Ü2 und Ü3 muss auch die einzubeziehende Person (in der Regel der Lebensgefährte, Lebenspartner oder Ehegatte) diesen Antrag stellen. Der Versand des Antrages erfolgt von der einleitenden Behörde, diese wird auch über das Ergebnis informiert. Dieser Antrag wird auch bei der regelmäßigen Aktualisierung bzw. Wiederholung der Sicherheitsüberprüfung neu gestellt und an den Bundesbeauftragten übersandt.
In besonderen Fällen, insbesondere beim Aufdecken bestimmter Verdachtsfälle, kann die mitwirkende Behörde weitere geeignete Auskunftspersonen oder andere geeignete Stellen, insbesondere Staatsanwaltschaften oder Gerichte, befragen oder Einzelmaßnahmen der nächsthöheren Art der Sicherheitsüberprüfung durchführen.


Wie viele Leben passen eigentlich in eine einzelne Existenz? Und wie passen die alle zusammen?


Dies ist die Geschichte von Roque M. aus Tönisvorst, die – wie sie sich nennt – "Apfelstadt am Niederrhein". Es ist die Geschichte eines umtriebigen Biedermanns, der sich offenbar auf den Weg gemacht hatte, ein Brandstifter zu werden. Die Geschichte des Mannes, der heimlich bei Schwulenpornos mitwirkte, zum Islam konvertierte, sich beim Verfassungsschutz bewarb, alle Sicherheitsüberprüfungen bestand und beim Geheimdienst angestellt wurde, um die Islamistenszene zu beobachten. Des Mannes, der kürzlich aufflog, weil er in einem Chat anderen Islamisten angeboten hatte, ihnen Zugang zum Verfassungsschutzamt zu verschaffen, damit sie dort gegen "Ungläubige" vorgehen können.

Es ist eine irre Geschichte. Allerdings lässt sich noch nicht mit Sicherheit sagen, was daran irrer ist. Roque M.? Oder die Tatsache, dass dieser Mann sich mehr oder weniger in den Verfassungsschutz einschleichen konnte – was immer dabei sein Ziel war.

Sicher ist nur, dass Roque M. bis vor kurzem ein durch und durch bürgerliches Leben geführt hat. Vordergründig. Gebürtiger Spanier. 51 Jahre alt. Realschule. Abitur am Abendgymnasium nachgemacht. Bei der Volksbank Krefeld bringt er es zum Leiter Elektronische Medien. Nebenbei engagiert er sich politisch – bei den Grünen. Die wählen ihn in Tönisvorst 2008 zum Beisitzer in ihren Vorstand. Im selben Jahr tritt er aber auch schon wieder aus der Partei aus. Daneben ist er Schulpflegschaftsvorsitzender der katholischen Krefelder Marienschule, einer Einrichtung der Ursulinen, die sich "religiöse Erziehung und Bildung" auf die Fahnen geschrieben hat. "Was die Marienschule prägt, ist ihre Seele", schreibt Roque M. in einem Prospekt, in dem um Spenden geworben wird. Als "dominant", einen Menschen, "der sich gerne in Szene setzt" und "richtig gut auftreten kann", beschreibt ihn eine einstige Mutgrüne.

Mit seiner Frau, einer Medizinerin, hat er vier Kinder, die beiden Ältesten sind inzwischen erwachsen. Das dritte Kind ist geistig wie körperlich schwerstbehindert; der Junge ist spastisch gelähmt, kann nicht sehen, nicht laufen, nicht sprechen. Hoffnung auf Besserung: keine. Die Eltern versuchen es mit einer Delphintherapie auf der Karibikinsel Curacao. Den teuren Ausflug kann sich die junge Familie eigentlich nicht leisten – und bringt das Geld mit Hilfe eines Spendenaufrufs zusammen. Roque M. gründet aus Dank selbst eine "Stiftung Delphintherapie". Zu seinem 45. Geburtstag im Mai 2010 veröffentlicht er den Aufruf: "Mein Geburtstagswunsch: Helft mir, behinderten Kindern dauerhaft eine Delphintherapie zu ermöglichen." Das Ziel von 700 Euro übertrifft er rasch.

Ein guter Mensch? Nichts deutet darauf hin, dass Roque M. einmal so abdriften, vom Fördermitglied einer katholischen Schule zum Islamisten werden könnte. Allerdings gab es Anzeichen dafür, dass M. mit seinem Leben nicht zufrieden gewesen sein konnte, dass er trotz – oder wegen – seines schwerbehinderten Kindes noch etwas anderes suchte. Er versuchte sich an einem Literaturverlag, war persönlich haftender Gesellschafter eines Tattoostudios, das ein spanischer Bekannter in Krefeld betreibt. Und er versuchte sich an einem Startup für Unterwäsche. Die Produkte beschrieb er auf einer Internetseite als "German Military Underwear. Strong. Manly. Sexy." Das Logo hat etwas Runen-haftes. 

Christlich, grün, heimlich schwul - plötzlich Islamist


Wer will, kann darin einen Hinweis auf das pikanteste Detail der zweiten unbekannten Seite des Roque M. erkennen. Sein Alias, unter dem Roque M. in islamistische Foren chattete, diente ihm auch als Künstlername in Schwulenpornos, wie die "Washington Post" herausfand.

Es ist eine Geschichte, die man nicht erfinden kann. Christlich, grün, heimlich schwul – und plötzlich Islamist, der nach seiner Verhaftung prahlte: "Allah. Mich habt ihr jetzt, aber der Plan geht weiter." Es ist auch eine Geschichte, die man nicht leicht erklären kann. Noch kann niemand mit Bestimmtheit sagen, ob Roque M. einfach nur abgedreht ist, ein Fall für die Psychiatrie. Oder ob er eine ernsthafte Gefahr dargestellt hat.

Sicher ist nur: Das Bundesamt für Verfassungsschutz muss sich eine verdammt gute Erklärung einfallen lassen, wie dieser Mann den angeblich so guten Sicherheitscheck bestehen konnte – und wie sie es künftig besser machen wollen.

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