von Thomas Heck...
Wie wichtig unseren Politikern das Amt des Bundespräsidenten wirklich ist, kann man an dem jämmerlichen und unwürdigen Geschachere ermessen, dass die Republik dieser Tage durchzieht. Merkel sucht jemanden, der sich nicht einmischt, titelt die Welt treffend. Mehr Verachtung kann man für das höchste Amt in Deutschland nicht zeigen. Ein Mehr an Respektlosigkeit geht kaum noch. Doch wer Gesetze missachtet und mit Füßen tritt, von dem ist nichts anderes zu erwarten. Ein Bauerntrampel halt. Altkanzler Kohl soll sich mal geäußert haben, dass die Merkel nicht mal ordentlich mit Messer und Gabel essen könne. Das trifft es auch. An sich ein guter Zeitpunkt, dass Amt des Bundespräsidenten an sich zur Disposition zu stellen. Denn gedacht als ein Gegengewicht zum Bundeskanzler und mitnichten ohne Macht ausgestattet, konterkariert Merkels platte Äußerung die Intention der Väter des Grundgesetzes.
„Er muss doch wissen, wie die EU funktioniert! Und die Nato!“, schimpfte Angela Merkel, als das CDU-Präsidium in einer Telefonkonferenz über einen Kandidaten für das Amt des Bundespräsidenten beriet. Die Kanzlerin argumentierte, auf Deutschland und Europa kämen stürmische Zeiten zu, in denen die „Nummer eins“ der Republik mit der Mechanik des Regierens vertraut sein müsse. Obwohl der Präsident der Deutschen eigentlich weniger Steuermann ist als Galionsfigur am Staatsschiff, meinte Merkel, man brauche im Sturm einen Profi und schloss: „Der Gauck wird’s schon mal nicht.“
Das war 2012. Der ehemalige Pastor aus Rostock wurde es trotzdem, weil der damalige FDP-Chef Philipp Rösler der Kanzlerin nicht folgte und ins rot-grüne Gauck-Lager überlief. Doch auch nach Gaucks Präsidentschaft, die von Bevölkerung und Eliten in selten gewordener Eintracht als erfolg- oder sogar segensreich gesehen wird, hat Merkel ihre Kriterien zur Auswahl des Staatsoberhauptes nicht geändert: Merkel möchte einen politischen Profi ins Schloss Bellevue senden. Nach diesem Kriterium sucht sie auch jetzt wieder einen Kandidaten.
Erneut wird aus Merkels Umfeld auf die gefährliche Gemengelage in und außerhalb Europas verwiesen: auf Brexit, Flüchtlinge und vielleicht wiederkehrende Staatsschulden- und Währungskrisen. Ein neues Argument ist hinzugekommen – der nächste Bundestag werde aller Voraussicht nach ein Parlament mit sechs Parteien. Bei schwierigen Mehrheiten aber könne es für die Regierungsbildung auf den Präsidenten ankommen. Scheitert etwa der Vorsitzende der größten Fraktion mit der Suche nach einer Mehrheit, entscheide der Präsident, ob und welchen Politiker er mit einem zweiten Versuch beauftrage oder ob er es zu Neuwahlen kommen lasse.
Merkel wollte Birthler nicht
Allerdings hat die Krisenbewältigung auch unter dem Nichtpolitiker Gauck keinesfalls gelitten. Gemeinsam mit dem Chef des Präsidialamts, David Gill, manövrierte Gauck unfallfrei durch alle Verfahrensklippen. Dieser Bundespräsident behielt es sich freilich, anders als seine beiden glücklosen Vorgänger, vor, eigene Akzente zu setzten: Gauck ging auf Distanz zu autokratischen Regimen, vor allem zu Russland, und warb dafür, dass Deutschland sich außenpolitisch künftig auch militärisch stärker als Teil des Westens einbringt.
In Union und SPD wird deshalb spöttisch bemerkt, wenn Merkel jemanden suche, der wisse, wie man regiere, meine sie eigentlich: Einer, der weiß, wie schwer regieren ist und es mir deshalb nicht noch schwerer macht, indem er sich einmischt. Die Idee, erneut eine Persönlichkeit der Zivilgesellschaft in Präsidialamt zu bringen, behagte Merkel auch diesmal nicht wirklich.
Jüngere in der CDU-Führung dachten an Marianne Birthler. Wie Gauck ehemalige Chefin der Stasi-Unterlagenbehörde hätte die grüne Politikerin, die aus der Bürgerrechtsbewegung der DDR kommt, keine rot-rot-grünen Machtfantasien beflügelt. Aber Merkel machte sich den Vorschlag nicht zu eigen. Andere Kandidaten, wie der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Andreas Voßkuhle, sagten ab. Das hatte Merkel erwartet.
Von einer Kandidatur Norbert Lammerts war man im Merkel-Lager hingegen zunächst ausgegangen. „Der Unfehlbare wird sich schon platzieren“, hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder intern in Anspielung an Lammerts enormes Selbstbewusstsein gescherzt. Der langjährige Bundestagspräsident, der als einziger CDU-Politiker seiner Generation eine große Karriere gemacht hat ohne je Kohlianer oder Merkelianer gewesen zu sein, wäre damit fast auch als unabhängiger Kandidat durchgegangen. Aber Lammert will nicht.
Von einer Kandidatur Norbert Lammerts war man im Merkel-Lager hingegen zunächst ausgegangen. „Der Unfehlbare wird sich schon platzieren“, hatte Unionsfraktionschef Volker Kauder intern in Anspielung an Lammerts enormes Selbstbewusstsein gescherzt. Der langjährige Bundestagspräsident, der als einziger CDU-Politiker seiner Generation eine große Karriere gemacht hat ohne je Kohlianer oder Merkelianer gewesen zu sein, wäre damit fast auch als unabhängiger Kandidat durchgegangen. Aber Lammert will nicht.
Zuletzt erwog Merkel sogar, Frank-Walter Steinmeier als gemeinsamen Kandidaten der großen Koalition zu präsentieren. Der Außenminister und frühere Kanzleramtschef weiß wie keiner, wie das Regierungsgeschäft funktioniert. Aber ausgerechnet SPD-Chef Sigmar Gabriel durchkreuzte die Pläne, seinen Genossen gemeinsam auf den Schild zu heben. Gabriel brach die Absprache der Parteivorsitzenden, am 6. November zunächst intern über einen gemeinsamen Kandidaten reden zu wollen. Indem er Steinmeier einseitig ausrief, machte Gabriel es Merkel schwer, den Außenminister den eigenen Leuten als überparteilichen Kandidaten zu verkaufen.
Aber vielleicht ist es noch möglich. Am Freitagabend beriet die Bundeskanzlerin mit dem CSU-Chef Seehofer im Kanzleramt darüber. Merkel schlug vor, die absprachewidrige Festlegung Gabriels erst einmal zu ignorieren und abzuwarten, ob sich Steinmeier von Gabriel tatsächlich zu einem rot-rot-grünen Kandidaten machen lasse.
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