Mittwoch, 29. Juni 2016

"Warum sind Sie denn überhaupt hier?"

von Thomas Heck...

EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker hat in der Sondersitzung des EU-Parlaments am Dienstag seine Gefühle gegenüber den Brexit-Befürwortern deutlich gezeigt. Besonders mit dem Ukip-Chef Nigel Farage legte sich Juncker an. Ein Wunder, dass er ihn nicht teeren und federn lassen. Es begann damit, dass der EU-Kommissionschef anders als während der Debatte üblich kein Englisch sprach. Normalerweise hält Juncker zumindest einen Teil der Ansprachen in Englisch. Bei der Sondersitzung verzichtete er auf Englisch und sprach lediglich Deutsch und Französisch. Ein klarer Affront und Ausdrucke mangelnden Respekts.


Nur ein einziges Mal ging er ins Englische über. Er wandte sich direkt an den rechtspopulistischen Brexit-Wortführer und EU-Abgeordneten Farage, der auf seinem Tisch eine englische Flagge aufgestellt hatte, und wurde dabei sehr deutlich: "Ich bin überrascht, dass Sie hier sind. Sie haben für den Austritt gekämpft, die Bürger haben dafür gestimmt", sagte Juncker und fragte dann: "Warum sind Sie denn überhaupt hier?" Vermutlich, weil Farage, im Gegensatz zu Juncker, vom Volke gewählt ist und mehr Legitimation geniesst als der Rest der EU-Bande. 

"Das ist das letzte Mal, dass Sie mir applaudiert haben", sagte er. Er werde bis zum letzten Atemzug für das europäische Projekt kämpfen. Aus welchem Bunker er bis zum letzten Atemzug kämpfen wird, verrät er nicht, doch was für Polemik. Vorverhandlungen mit der britischen Regierung über das weitere Verhältnis zwischen dem Königreich und der EU werde es nicht geben. Ist das schon die Kriegserklärung? Ab wann wird zurückgeschossen? Kindlicher habe die EU-Mächtigen bislang noch nicht erlebt.



Farage, der wie ein Sieger auftrat, bekam weitere hitzige Reaktionen zu spüren. Buhrufe begleiteten seine Rede, die er gleich mit einer Provokation eröffnete: Vor 17 Jahren habe man ihn noch für seine Brexit-Kampagne ausgelacht, sagte er. "Jetzt lachen Sie nicht mehr, oder?" Farage hatte im Brexit-Wahlkampf mit Parolen gegen Flüchtlinge und EU-Migranten für einen EU-Austritt geworben. Die Volksabstimmung sei ein "erdbebenartiges" Ereignis, so Farage. Und er sei sicher: "Das Vereinigte Königreich wird nicht der letzte Mitgliedsstaat sein, der die Europäische Union verlässt."

Besonders hoch schlugen die Emotionen, als er den EU-Abgeordneten vorwarf, dass die Mehrheit von ihnen noch nie einer regulären Arbeit nachgegangen sei. Der Fraktionschef der Liberalen, Guy Verhofstadt, konterte darauf mit dem Hinweis, dass anders als der Ukip-Chef vermutlich nicht viele seiner Wähler über Fonds in Steuerparadiesen verfügt hätten. Farage forderte die EU auf, mit Großbritannien ein Freihandelsabkommen ohne Zölle abzuschließen. Eine solche Vereinbarung nach dem Austritt der Briten sei "vernünftig, pragmatisch und realistisch", sagte er. Denn ohne ein solches Abkommen wären die wirtschaftlichen Folgen für die EU-Staaten "weit schlimmer als für uns". Farage warnte, die Wiedereinführung von Zöllen würde in der Autobranche "Hunderttausende Jobs deutscher Arbeiter in Gefahr bringen".

Juncker stand bereits vor der Debatte zu seinen Gefühlen. Er werde sich nicht dafür entschuldigen, traurig über das Votum der Briten zu sein. "Ich bin kein grauer Bürokrat", sagte er. "Und auch kein Roboter." Juncker sagte am Ende zu Farage, er bedauere es sehr, dass dies nun das letzte Mal gewesen sei, dass sie gemeinsam debattiert haben. "Denn Sie werden nicht wiederkommen." Nach der Debatte verabschiedete das Europaparlament eine Resolution, in der es schnelle Verhandlungen über einen EU-Austritt Großbritanniens forderte.

Doch noch schweigen die Waffen. Europa hat die letzte Chance, fair mit einem Aussteiger, von dem das Resteuropa noch viel an Demokratie hätte lernen können, umzugehen und hat sein häßlichstes Gesicht gezeigt. Eines, dass mir Angst macht. Denn so gelassen und desinteressiert Juncker, Schulze, Merkel & Co. tun, so gelassen und desinteressiert sind Sie nicht, denn man spürt deren Druck mit jeder Aussage. Vertrauen schafft das in mir nicht und in mir wächst der Wunsch nach einem Dexit und die Abstimmung hierüber über ein Plebiszit immer mehr.

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