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Donnerstag, 21. Dezember 2023

Kevin Kühnert: Das ist der Hoffnungsträger der SPD

von Sucy Pretsch...

Kevin Kühnert ist eine der schillerndsten Figuren in der deutschen Politik der letzten Jahre. Als charismatischer Politiker, Aktivist und Vordenker hat er es geschafft, eine breite Öffentlichkeit für seine Anliegen und Ideen zu begeistern. (Anmerkung des Heck Tickers: Als Generalsekretär einer 15%-Partei... LOL)


Der politische Shootingstar Kevin Kühnert ist einer der bekanntesten Menschen in der SPD. Nachdem er jahrelang Vorsitzender der Jungsozialist:innen ist, wird er 2021 zum SPD-Generalsekretär gewählt. Sein Leben in Bildern – auch abseits des Deutschen Bundestags.

Steile Karriere


Geboren wird Kühnert am 01.07.1989 als Einzelkind in West-Berlin. Der Vater ist Finanzbeamter, seine Mutter arbeitet bei der Arbeitsagentur. Mitglied der SPD wird er bereits 2005 als 16-Jähriger.

Mit gerade einmal 34 Jahren kann Kühnert bereits auf eine beeindruckende Karriere zurückblicken, in der er immer wieder die Schlagzeilen beherrscht und zur Stimme einer ganzen Generation wird. In seiner Position als Vorsitzender der Jusos äußert bereits er regelmäßig deutliche Kritik an seiner eigenen Partei.


Kevin Kühnert teilt sich seinen Geburtstag am 1. Juli mit einer anderen, sehr prominenten Person: Nämlich Prinzessin Diana. Die 1997 tödlich verunglückte englische Adlige wäre in diesem Jahr 62 Jahre alt geworden. Eine weitere Gemeinsamkeit: Auch Diana ist kämpferisch.

Diese Haltung wird von vielen Menschen geschätzt, während andere ihn dafür verachteten. Seit Ende 2021 bekleidet der 1989 in West-Berlin Geborene das Amt des Generalsekretärs innerhalb der SPD. Im bürgerlichen Steglitz-Zehlendorf wächst er auf – heute lebt er laut swp.de in Schöneberg.


Kühnert, der bereits als Schüler großes politisches Interesse zeigt und sich als Schülersprecher betätigt, ist seiner Heimatstadt an der Spree immer treu geblieben. Heute lebt er in einer WG im trendigen Stadtteil Schöneberg.

"Ich habe einen Partner"


Tatsächlich hat Kevin Kühnert das WG-Leben aber schon seit einer Weile satt: Im Podcast “Berliner & Pfannkuchen” verrät der Politiker 2022, dass er eine Wohnung für sich in Berlin sucht. Woran es scheitert erklärt er im Podcast selbst: “Nun ist es als Bundestagsabgeordneter so, dass man nicht ganz schlecht verdient, können ja alle nachlesen, wie viel das ist, es scheitert also im Großen und Ganzen nicht am Geld. Es scheitert aber am Angebot.”

Im Jahre 2015 übernimmt er die Position des stellvertretenden Vorsitzenden der Jusos und im Jahr 2017 wird er zum Vorsitzenden gewählt. Nach den Bundestagswahlen kritisiert er seine eigene Partei scharf und spricht sich gegen die Entscheidung der SPD aus, eine Große Koalition mit der CDU einzugehen.


Da sogar er als gutverdienender Politiker in Berlin unmittelbar von der Wohnungsknappheit betroffen ist, weiß Kevin Kühnert, wie wichtig das Bauen von neuen Wohnungen ist. Dass jetzt schon absehbar ist, dass die von der SPD angekündigten 400.000 neuen Wohnungen im Jahr 2023 nicht erreicht werden, ist ihm bewusst. Im “ZDF Morgenmagazin” gibt er an, dass am besten “soviel wie möglich” gebaut werden soll.

Insbesondere durch den Hashtag #NoGroKo macht er in den sozialen Medien auf sich aufmerksam – was zu einigen Konflikten innerhalb seiner Partei führt. Seit 2021 ist er Abgeordneter im Deutschen Bundestag, so swp.de.


Als eine Person des öffentlichen Lebens wird Kevin Kühnert inzwischen auch auf der Straße erkannt. Dennoch fährt der gebürtige Berliner weiter mit der U-Bahn und überrascht laut Vorwärts die Menschen, wenn sie ihn als Politiker in der Bahn in der 2. Klasse antreffen.

Im Jahr 2018 macht Kühnert öffentlich, dass er schwul ist und äußert sich zu seinem Beziehungsstatus: "Ich habe einen Partner". Mit diesem Schritt wolle er laut swp.de ein Vorbild für junge Menschen sein. Wer sein Freund ist, verrät der 34-Jährige allerdings nicht.


Immer wieder für Diskussion sorgt Kühnerts Bildungsgrad. Durch sein abgebrochenes Publizistik-Studium an der FU Berlin und ein ruhendes Fernstudium der Politikwissenschaft an der Uni Hagen ist sein derzeit höchster Bildungsabschluss das Abitur. Den Schulabschluss macht er 2008 am Beethoven-Gymnasium in Berlin-Lankwitz.


Dabei ist der Statuts Studienabbrecher:in keine Seltenheit im Bundestag: Laut Magazin Unicum fehlen rund 20 Prozent der Abgeordneten der Studienabschluss, darunter bei so prominenten Namen wie Claudia Roth und Katrin Göring-Eckhardt. Kühnert selbst steht selbstbewusst zu seinen Lebensentscheidungen.


Nach der Schule absolviert der Sozialdemokrat ein Freiwilliges Soziales Jahr im Kinder- und Jugendbüro Steglitz-Zehlendorf. Später sammelt er laut eigenen Angaben seine ersten beruflichen Erfahrungen in einem Callcenter.


Während viele Politiker:innen auf höhere Preise pochen, damit weniger konsumiert und somit auch weniger CO2 ausgestoßen wird, findet Kevin Kühnert, dass dies der falsche Weg sei. Laut ihm träfen diese Abgaben vor allem ärmere Menschen. Stattdessen plädiert der Politiker im Interview mit dem “Spiegel” für eine Reichensteuer.


Bundeskanzler will der als großer Erneuerer der SPD geltende Kühnert anscheinend nicht werden. Im Interview mit Orange/ Handelsblatt sagt er: "Ich hab’ auch noch andere Hobbies neben Politik und ich glaube, so richtig krass Berufspolitik (…) bedeutet vor allem auch, dass das restliche Leben extrem zurückstehen muss."


Für den Wahlkreis Berlin-Tempelhof-Schöneberg wird er im September 2021 direktes Mitglied des Deutschen Bundestages. Drei Monate später erfolgt seine Wahl zum neuen Generalsekretär der SPD – mit rund 78 Prozent aller Delegierten-Stimmen.


Seine politische Karriere beinhaltet außerdem den stellvertretenden Parteivorsitz von Dezember 2019 bis Dezember 2021 und einen Sitz in der Bezirksverordnetenversammlung Tempelhof-Schöneberg in Berlin.


Kevin Kühnert findet es ein Unding, wie in Deutschland mit Langzeitarbeitslosen umgegangen wird. Im Jahr 2018 kritisiert er laut des “Spiegels”, dass viele arbeitslose Menschen in “unsinnigen Weiterbildungsmaßnahmen” festhängen würden. Er sagt: "Bestehende Schikanen gehören abgeschafft, die Sanktionsmöglichkeiten vorneweg."


Im Gespräch mit der Zeit erzählt Kühnert, dass er als Juso-Vorsitzender nichts verdiene. Seinen Lebensunterhalt bestreite er mit der Arbeit für ein Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses.


So wird der 170 cm große Jungpolitiker mit den blauen Augen und dunkelblonden Haaren in den Medien (u.a. von Neue Osnabrücker Zeitung) zuweilen als “Rebell mit Pausbacken” bezeichnet.


Vom Time-Magazin wird Kühnert zu diesem Zeitpunkt zum "Next Generation Leader" gekürt. In Deutschland führt das junge Alter des Nachwuchspolitikers des Öfteren zu Debatten über Altersdiskriminierung und die Ignoranz der Medien und älteren Politikern gegenüber den Jungen.


Kevin Kühnert ist gerade einmal 28 Jahre alt, als er im November 2017 zum Bundesvorsitzenden der SPD-Jugendgruppe gewählt wird. Wegen sozialistischer Äußerungen zur Besteuerung von Vermögen, Erhöhung des Mindestlohns oder einer Kollektivierung von Großkonzernen gilt er innerhalb der Partei als umstritten.


Seit 2014 ist Kühnert für verschiedene SPD-Politiker:innen in der Berliner Kommunal- und Landespolitik tätig. Parteiübergreifend bekannt wird er als Landes- und später Bundesvorsitzender der Jusos, vor allem mit seiner #NoGroKo-Kampagne gegen die große Koalition.

 

Montag, 7. August 2023

In einer einzigen Wahlperiode: Kevin Kühnert verdient 1,1 Millionen Euro

von Thomas Heck...

Er ist mein Lieblings-Sozi. Ehemaliger Callboy... äh... Callcenter-Boy Kevin Kühnert. SPD-Generalsekretär und Männeken fürs grobe. Ich habe mich immer gefragt, was wird der verdienen? Als Ungelernte, als Unstudierter, als jemand, der nie richtig gearbeitet hat und keine Ahnung haben kann? Ich hätte niemals gedacht, dass es so viel ist, wie Julian Reichelt von NIUS errechnet hat. 1,1 Mio. in einer Wahlperiode. Nicht schlecht für einen Niemand... den SPD-Influencer...

Respekt-Kanzler Olaf Scholz sorgt sich gut. Leider nicht um die Bürger, sondern um die Partei-Kollegen.


Olaf Scholz nennt sich selbst den „Respekt-Kanzler“. Respekt – das ist auch immer eine Frage des Einkommens. Gutes Geld für gute Arbeit – das war schon immer eine vollkommen berechtigte Forderung der Sozialdemokraten. Ein Gefühl des Respekts herrscht in einem Land nicht, weil der Kanzler das Wort Respekt ständig benutzt, sondern weil die Mehrheit das Gefühl hat, dass Können, Lebensleistung, Einsatz, harte Arbeit, Ausbildung, Berufserfahrung belohnt werden.

Was nicht zum einstigen sozialdemokratischen Verständnis von Respekt passt, ist eine Funktionärselite, die sich in der Partei hochgedient, aber noch nie wirklich gearbeitet hat, die nichts gelernt oder nichts studiert, die noch nie etwas zu Ende gebracht hat – und trotzdem zu den hochbezahlten Menschen dieses Landes gehört. Menschen wie Kevin Kühnert.

Der größte Ausdruck von Respekt ist es, das Leben von Millionen Menschen besser zu machen. Olaf Scholz hat vor allem das Leben von Kevin Kühnert besser gemacht.



Der Lebenslauf von Kevin Kühnert besteht aus exakt drei Buchstaben: S – P – D.

Kevin Kühnert ist Generalsekretär der SPD. Er hat in seinem Leben – abgesehen von ein paar Schichten in einem Callcenter – noch nie gearbeitet. Er hat sich auf einen Studienplatz für Kommunikationswissenschaften eingeklagt und nach wenigen Monaten abgebrochen. Einige Jahre später versuchte er es noch einmal mit Politikwissenschaften an der Fernuni Hagen. Auch dieses Studium brachte er nicht zu Ende.

Kevin Kühnert ist 34 Jahre alt und hat nichts gelernt. Ohne Politik und Partei würde er von Hartz IV leben. Was er als Politiker sagt, ist: BMW sollte verstaatlicht und Wohnungseigentümer sollten enteignet werden. Jeder solle nur den Wohnraum besitzen dürfen, den er selber bewohnt, so Kühnert, der sich selbst als Sozialist bezeichnet. Kühnert weiß nicht, was es für Menschen emotional bedeutet, wenn man androht, ihnen etwas wegzunehmen, was sie erarbeitet haben. Weil er selbst niemals etwas erarbeitet hat. Zum Wohlstand dieses Landes hat Kevin Kühnert exakt null beigetragen. Kevin Kühnert ist Mitglied der Gewerkschaft Ver.di.

Nicht gelernt, viel verdient: SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert



Gewerkschaftsmitglieder, die noch nie gearbeitet haben, sind die scheinheiligsten Klassenkämpfer. Wie kann man einen Arbeitskampf führen, wenn man selber nie gearbeitet hat und offenkundig nie arbeiten wollte?

Für den derzeitigen Mindestlohn von zwölf Euro würde Kevin Kühnert nicht aufstehen.

Hier ist, was er verdient – wie gesagt, ohne jegliche Qualifikation, Ausbildung oder Kompetenz.

Als Abgeordneter im Bundestag verdient Kevin Kühnert jeden Monat 10.591,70 Euro.
Hinzu kommt eine monatliche Aufwandspauschale in Höhe von 4.725,48, die übrigens steuerfrei ist. 4700 Euro steuerfrei – das allein sind ungefähr 8000 Euro, die Kühnert brutto verdienen müsste.
Vor wenigen Tagen hat die FAZ die Nebeneinkünfte der Abgeordneten ausgewertet und kam bei Kevin Kühnert auf weitere 108.000 Euro im Jahr, vermutlich für seinen Posten als SPD-Generalsekretär.

Wir haben mal den Taschenrechner zur Hand genommen und ausgerechnet, was Kevin Kühnert im Jahr verdient:

12 mal 10.591,70 sind 127.100,40 Euro.
12 mal 4.725,48 macht 56.705,76 Euro.

Sind zusammen 183.806,16 Euro.Dazu kommt noch mal der ordentliche Schluck aus der SPD-Pulle.

183.806,16 plus 108.000 macht 291.806,16 Euro.

Macht im Monat 24.317,18, also gut und gerne 13.000 Euro nach Steuern und Abgaben.

Damit gehört Kevin Kühnert zum reichsten Prozent des Landes. 99 Prozent der Menschen in Deutschland bekommen weniger Gehalt als Kevin Kühnert.

Um es noch etwas anschaulicher zu machen: In dieser Legislaturperiode verdient der ungelernte Studienabbrecher Kevin Kühnert – zum großen Teil aus Steuergeldern – rund 1,1 Millionen Euro. 1,1 Millionen Euro. Das ist der Mann, der Ihre Wohnung enteignen will, für die Sie Jahrzehnte lang gearbeitet haben, wenn Sie nicht selbst drin wohnen.

Wer mit Respekt auf dieses Land und seine Menschen blickt, der würde dafür sorgen, dass seine wichtigsten Mitarbeiter ein Vorbild an Leistung und Qualifikation sind. Respekt bedeutet, unser Land in jedem Moment und in jeder Position in die besten Hände zu legen. Wer Respekt vor diesem Land hat, der nennt eine offenkundig unfähige Frau wie Christine Lambrecht nicht eine “erstklassige Verteidigungsministerin” und der sorgt dafür, dass seine Partei keine Kaste von Schnöselbonzen heranzieht wie Kevin Kühnert.

Kein Mensch im Land glaubt, dass Kevin Kühnert in dieser Legislaturperiode irgendetwas leistet, was eine Million Euro wert wäre. Der einzige politische Gedanke, den Kevin Kühnert je gehabt hat, lautet Wegnehmen und Umverteilen. Die Frage ist, warum er diesen Gedanken nie auf sich angewendet hat, sondern immer nur auf Menschen, die schon mal gearbeitet haben. Die Million, die Kevin Kühnert verdient, wäre überall besser aufgehoben als bei Kevin Kühnert.


Donnerstag, 13. August 2020

SPD streitet um die besten Plätze an den Fleischtöpfen...

von Thomas Heck...

Wenn es ums Geld geht, fallen auch beim SPD-Politiker die letzten Hemmungen. Umso mehr gilt die alte SPD-Weisheit der Steigerungsform Freund, Feind, Parteifreund. Denn wenn am Ende die Musik ausgeht, soll auch für den letzten Parteigenossen noch ein Pöstchen im Bundestag möglich sein. Und keiner will verzichten. Schon gar nicht Sawsan "Raffzahn" Chebli...

Chebli will in den Bundestag. Doch in der Berliner SPD machen ihr mehrere prominente Kandidaten den sicher geglaubten Wahlkreis streitig. Grund ist ein Dominoeffekt, den Kevin Kühnert ausgelöst hat. Von „asozialem“ Verhalten ist die Rede. 

In der SPD werden die Weichen für den Bundestagswahlkampf im kommenden Jahr gestellt. Nach der Bekanntgabe, dass Vizekanzler Olaf Scholz die Spitzenkandidatur übernehmen soll, rückt nun vor allem die Auswahl der Direktkandidaten der Berliner Landespartei in den Fokus.

Denn im Wahlkreis Charlottenburg-Wilmersdorf droht ein regelrechter Kampf um den Posten. Am Montag hatte der Regierende Bürgermeister Michael Müller angekündigt, dass er für den Wahlkreis kandidieren will. Klar ist schon länger, dass Müller die Führung der Berliner SPD abgibt. Am 31. Oktober wollen sich Bundesfamilienministerin Franziska Giffey und der Berliner SPD-Fraktionschef Raed Saleh als neue Doppelspitze wählen lassen. Darauf hatte sich ein enger Zirkel der Parteispitze mit Müller im Januar geeinigt.

Das Problem: Für die Kandidatur in Charlottenburg-Wilmersdorf hatte sich intern bereits Sawsan Chebli in Position gebracht. Der Kreis ist der Heimatbezirk der Berliner Staatssekretärin für Bürgerschaftliches Engagement. Chebli machte nach Müllers Klarstellung deutlich, dass sie sich eine Bundestagskandidatur weiter offenhält und darüber nach weiteren Gesprächen „sehr bald“ entscheiden wolle. Eine Kandidatur gegen Müller ist also nicht ausgeschlossen. Es scheint: Chebli hat wenig Interesse daran, von ihren Ambitionen abzurücken.


Zumal Müller wohl eigentlich für einen anderen Wahlkreis vorgesehen war: Tempelhof-Schöneberg. Hier jedoch fuhr ihm Juso-Chef Kevin Kühnert in die Parade. Der 31-Jährige erklärte vor einer Woche via Berliner „Tagesspiegel“ seine Kandidatur in dem Wahlkreis, aus dem Kühnert stammt. Mit Kühnert und ihm sei eine „kuriose Situation“ eingetreten, sagte Müller RTL/n-tv mit Blick auf die Lage im Wahlkreis Tempelhof-Schöneberg. „Und irgendwie muss man sich dann eben auch einigen.“ Ein hochrangiger SPD-Politiker nannte das Vorgehen Kühnerts gegenüber der Nachrichtenagentur dpa „asozial“.

Neben Chebli und Müller hat auch der Intendant der Brüder-Grimm-Festspiele, Frank-Lorenz Engel, Interesse an einer Kandidatur in Charlottenburg-Wilmersdorf bekundet. Möglichkeiten, auf andere Bezirke auszuweichen, sind für die Beteiligten rar. In Mitte bringt sich Juso-Landesvorsitzende Annika Klose in Stellung, andere Kreise lassen „keine externen Kandidaten“ zu, berichtet der „Tagesspiegel“.

Am Dienstagabend schlug die Abteilung SPD Ku’damm Chebli als Kandidatin vor. Doch ob sie gegen Müller gewinnen kann, ist fraglich. Eine Lösung ist derzeit nicht in Sicht – auch, weil die Plätze auf der Landesliste zuerst den Direktkandidaten vorbehalten sind. Es droht die Konfrontation. Am Donnerstagabend werden Chebli, Müller und Engel auf der Sitzung des SPD-Kreisvorstands erwartet.




Montag, 25. November 2019

Kevin Kühnerts Manifest... mit Jubel in den Sozialismus...

von Thomas Heck...

Jugend ist Leidenschaft. Das war schon immer so und das sollte auch so sein. Bei der SPD ist Jugend ein wenig anders, fordern die nicht nur einfach sozialistische Experimente, sondern nichts anderes, als die Umwandlung unserer Sozialen Marktwirtschaft in eine sozialistisch-stalinistische Gesellschaft. Eine Linkswende soll das Allheilmittel sein.


„Wesentliche Produktionsmittel“ sollen „vergesellschaftet“ werden, darunter Grund und Boden, große Fabriken und die dort eingesetzten Maschinen, „sämtliche der Daseinsvorsorge dienende Strukturen und Systeme“, große Logistikstandorte, Banken, sowie „Kapitalvermögen, die eine festgesetzte Grenze überschreiten“. In der Wohnungspolitik brauche es „eine 180-Grad Wende“. Die privatwirtschaftliche Organisation von Wohnraum dürfe „nur noch die Ausnahme“ sein.

Wie geil dieses Revival der DDR heute schon in Berlin funktioniert, kann man am kollabierenden Wohnungsmarkt sehen. Die Mietbremse wirkt. Und wie die wirkt. Gefährliche sozialistische Experimente 30 Jahre nach dem Mauerfall.



Die Jusos feiern auf ihrem Kongress die Redner mit den markigsten Worten. Abweichende Meinungen finden hingegen wenig Gehör. Besonders deutlich zeigt sich das bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden. 

Ob sie nun dafür gestimmt haben, Passagierflüge in Deutschland abzuschaffen oder doch in ganz Europa, wissen viele Jusos am Ende selbst nicht mehr so genau. Man solle bitte beim Vorstand fragen, sagt eine Delegierte. Eine andere kramt in Papieren, ohne aber eine Antwort zu finden. Nach Dutzenden Debatten und Hunderten Anträgen haben viele am Samstagabend etwas die Übersicht verloren. Kaum einer kann auf die Schnelle sagen, was nun eigentlich die Beschlusslage ist beim Bundeskongress der Jusos.

Dabei dürften die vielen bis Sonntagnachmittag verabschiedeten Papiere und Personalentscheidungen nicht nur die rund 80.000 Mitglieder des Verbands interessieren – sondern auch die Mutterpartei SPD. Anfang Dezember will der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert für den Vorstand der Partei kandidieren, eventuell einen Vizeposten einnehmen.

Unabhängig davon plant er, Gespräche mit Grünen und Linkspartei aufzunehmen für eine Zeit nach der Großen Koalition. Die Parteijugend formuliert ihren neuen Anspruch unbescheiden: Sie will die Parteilinke künftig „organisieren und anführen“.

Dafür verabschiedet sie am Samstagabend ein neues Grundsatzprogramm, das ausbuchstabiert, wie sich die Jusos einen „demokratischen Sozialismus“ vorstellen. Die zentralen Forderungen, die der Bundesvorstand in einem Leitantrag formuliert hat, werden nicht im Kern debattiert, sondern bestätigt: Die Jusos wollen auf eine „Linkswende“ hinarbeiten, was nichts anderes bedeutet als eine Neuordnung von Wirtschaft und Gesellschaft.

„Wesentliche Produktionsmittel“ sollen „vergesellschaftet“ werden, darunter Grund und Boden, große Fabriken und die dort eingesetzten Maschinen, „sämtliche der Daseinsvorsorge dienende Strukturen und Systeme“, große Logistikstandorte, Banken, sowie „Kapitalvermögen, die eine festgesetzte Grenze überschreiten“.

In der Wohnungspolitik brauche es „eine 180-Grad Wende“, heißt es weiter. Die privatwirtschaftliche Organisation von Wohnraum dürfe „nur noch die Ausnahme“ sein. Der öffentliche Wohnungsbau solle forciert werden, Wohnbaugenossenschaften gestärkt werden und „Großunternehmen auf dem Wohnungsmarkt“ enteignet werden. Erst als die Idee aufkommt, die Enteignungen ohne Entschädigungen durchzusetzen, gibt es Kritik. Das sei verfassungsrechtlich schwierig, sagt ein Delegierter.

Was die Neuordnung von Staat und Gesellschaft betrifft, so stellen sich die Jusos zwar einen „demokratischen“ und „zurückhaltenden Staat“ vor, stellen aber gleichzeitig fest, dass kollektive Interessen in Widerspruch zu individuellen stehen können. „Dies ist einerseits nicht immer aufzulösen, andererseits kein Grund, auf das Prinzip von Mehrheitsentscheidungen (bei einer unbedingten Garantie des Minderheitenschutzes) zu verzichten.“ Wie dieser Minderheitenschutz aussehen soll, wird nicht ausbuchstabiert.

Laut werden die Redebeiträge, als es um das Thema Migration geht. Aber nicht, weil die Haltung hier umstritten wäre. Im Grundsatzprogramm wird ein „globales Recht auf Migration“ festgeschrieben. „Für uns ist klar, dass alle Menschen unabhängig ihrer Herkunft dort leben können sollen, wo sie möchten“, heißt es.

Die EU oder die Bundesrepublik sollen „humanitäre Visa“ einführen, die „gebührenfrei und unbürokratisch“ in den Botschaften zu Verfügung gestellt werden. Außerdem müsse der sichere Transport in die EU organisiert und finanziert werden.

Entsprechend scharf kritisieren die Jusos die Haltung ihrer Parteifreunde im Bundestag. In einem Antrag, den der Verband aus Rheinland-Pfalz einbringt, wird den SPD-Abgeordneten ein „Rechtsruck“ vorgeworfen. Die Abgeordneten hatten im Sommer das Geordnete-Rückkehr-Gesetz mitgetragen, das die Ausweisung von ausreisepflichtigen Migranten erleichtern soll.

Dieses „Hau-ab-Gesetz“ sei „Hetze durch Gesetze“, sagt ein Delegierter. Alle Abgeordneten seien aufgefordert, „die schädliche Wirkung“ des Paketes einzudämmen und sich – wo möglich – von dem eigenen Abstimmungsverhalten zu distanzieren. Passagen, in denen die Bundestagsabgeordneten zu einer „öffentlichen Entschuldigung“ aufgefordert werden, wurden hingegen schon im Vorfeld aus dem Antrag gestrichen.

So formulieren die Jusos zwar oft drastische Forderungen auf der Bühne, aber über unterschiedliche Haltungen wird kaum diskutiert. Bei vielen Anträgen wurden schon im Vorfeld Kompromisse zwischen den unterschiedlichen Landesverbänden und Bezirken ausgehandelt. Änderungsanträge, die nicht bereits durch die Antragskommission abgesegnet wurden, haben praktisch keine Chance.

Wenn es doch mal ein Delegierter wagt, eine abweichende Haltung kundzutun, wird er in der Regel niedergestimmt. Das beschleunigt zwar die Debatte, aber erschwert das Ringen um die besten Argumente. Die Delegierten bestätigen in der Regel das, was die Gremien vorbereitet haben.

Auch bei der Wahl der stellvertretenden Vorsitzenden zeigt sich das. Querdenker haben praktisch keine Chance. So bewirbt sich Florian Burkhardt aus Baden-Württemberg als einer von zwölf Kandidaten auf einen der zehn Posten. „Ich bin einer von zwei Kandidaten, die nicht zu den organisierten linken Flügeln in diesem Verband gehören“, sagt er und wirbt darum, ihn trotzdem zu berücksichtigen.

„Pluralismus und Meinungsvielfalt“ seien eine Stärke, keine Schwäche im Verband. Seine Rede ist nicht schlechter als die seiner Konkurrenten, allerdings wird Burkhardt mit einem außerordentlich schlechten Ergebnis abserviert. Während zehn Bewerber jeweils Zustimmungswerte zwischen 70 und 80 Prozent erzielen, landen der Baden-Württemberger und ein weiterer Kandidat bei um die 20 Prozent.

Gewählt wird hingegen Julie Rothe – und zwar als Bundesgeschäftsführerin. Ihre Rede ist derb. „Mich fuckt die Zeit, in der wir gerade leben, und die Gesellschaft irgendwie total ab“, sagt sie, als sie einen Rechtsruck kritisiert. Der SPD wirft sie vor, „populistische Politik“ mitzutragen und zu rechtfertigen. „Es nervt mich einfach richtig hart ab.“ Die Jusos müssten das „Korrektiv“ sein „gegen einfache Antworten“. Sie komme aus Berlin, erklärt sie am Ende ihrer Rede und sagt dann: „Auf meiner Geburtsurkunde sind noch Hammer und Sichel (Anm. des Heck Tickers, vermutlich eher Hammer und Zirkel), einigen hier bedeutet das vielleicht was.“ Einige Delegierte klatschen und johlen. Rothe erhält eine Zustimmung von knapp 83 Prozent.





Donnerstag, 2. Mai 2019

VEB BMW... laut SPD ein künftiges Erfolgsmodell?

von Thomas Heck...

Das Gespenst der Enteignung und Verstaatlichung geht weiter um sich. Nachdem in den vergangenen Wochen der Versuch gemacht wurde, die Möglichkeiten der Verstaatlichung von Wohnungsbaugesellschaften zu eroieren, legte Jungsozialist Kevn Kühnert noch einen nach. Wihmraumbesitz über die selgstgenutzte Wohnung hinaus dürfte es nicht geben. In einer Talkshow vor ein paar Wochen ging es noch um tausende von Wohnungen. Nun verdichtet sich doch beim Kevin der Wunsch nach einer Demokratie sozialistischen Prägung sichtlich, Reinigungen inklusive. 


Jetzt will er BMW verstaatlichen, einer der prosperierendsten und effektivsten Unternehmen in Deutschland überhaupt. Mit einer Produktivität, von der die VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau nur träumen konnten. Bei einer spontanen Umfrage der Berliner Abendschau vor dem Werkstor in Berlin Spandau unter der Belegschaft war die Botschaft klar. Keine sozialistischen Experimente gewünscht. Zumal BMW-Mitarbeiter über Belegschaftsaktien am Unternehmenserfolg beteiligt sind und Gewinnbeteiligungen in nicht unerheblicher Höhe die Attraktivität des Arbeitgebers BMW mitbestimmen.

Das kann ein Kevin Kühnert natürlich nicht verstehen, der in seinem Leben außer einem abgebrochenem Studium eher nichts vorzuweisen hat. Wer Schwachsinn verzapft, darf sich über Spott, auch aus den eigenen Reihen, nicht wundern, ist doch die SPD in Umfragewerten weiter im Tiefflug und mit der Wahl zum Europaparlament droht das nächste Debakel.  Da muss man dem Jungspund ja schon fast für die ehrlichen Worte dankbar sein. Und es wird Zeit, dass der SPIEGEL dem Revoluzzer zur Seite springt und seine revolutionäre Stange hält. So schreibt der SPIEGEL im Relotius-Stil:


Fast wäre der "Kampftag der Arbeiterklasse" in diesem Jahr an Deutschland so spurlos wie immer vorbeigezogen: ein paar Tausend friedlich-freundliche Gewerkschafter in Großstädten, ein paar Appelle zu mehr sozialer Gerechtigkeit - dann aber bitte zurück zum Alltag. Hätte Kevin Kühnert der "Zeit" nicht ein Interview über sein Streben nach und seinen Vorstellungen vom Sozialismus gegeben.

Hat er aber. Und so wird an diesem 2. Mai in Deutschland heftig über die Überwindung des Kapitalismus und über eben jenen Kevin Kühnert debattiert. Der Chef der SPD-Nachwuchsorganisation (Jungsozialisten, kurz: Jusos) muss sich von eigenen Parteifreunden fragen lassen, welche Drogen er konsumiert habe, solch "groben Unfug" zu formulieren.

Nur: Was fordert Kevin Kühnert denn da eigentlich genau? Die "Zeit"-Journalisten versuchen, den Juso-Chef im Interview auf eine konkrete Antwort festzunageln, allerdings vergeblich. Stattdessen fallen gleich mehrere jener Begriffe, die vor allem im konservativ-wirtschaftsliberalen Lager für Aufregung sorgen, so als stünde die Republik bereits kurz davor, das Vorbild der DDR nachzuahmen mit ihren "Volkseigenen Betrieben" wie dem Chemiewerk VEB "Walter Ulbricht". 



Dabei bleibt unklar, ob Kühnert seine Vorschläge wirklich im Wortsinne meint. Um diese Begriffe geht es:

Kollektivierung

"Ohne Kollektivierung ist eine Überwindung des Kapitalismus nicht denkbar", sagt Kühnert. Im ökonomischen Sinne bedeutet Kollektivierung laut dem "Gabler Wirtschaftslexikon" sehr allgemein die "Überführung von Privat- in Gemeinschaftseigentum". Was Kollektivierung im konkreten Fall bewirkt, hängt also entscheidend davon ab, was mit "Kollektiv" - also der "Gemeinschaft" - gemeint ist: ein Zusammenschluss von einem Dutzend Handwerkern, die ein Unternehmen gründen? Die Belegschaft, der die Firma gehört? Oder gleich alle Bürger eines Staats als Eigentümer eines Konzerns?

Was Kevin Kühnert unter dem Kollektiv versteht, bleibt im Interview unklar: Einerseits verwendet er ihn für die Idee, ein Autokonzern wie BMW solle "zu gleichen Anteilen" seinen Mitarbeitern gehören. Es könne nicht sein, dass etwa bei BMW "Zehntausende, die den Wert schaffen, mit einer aus Abhängigkeit heraus verhandelten Lohnsumme abgespeist werden".

Möglich ist, dass Kühnert sich den bayerischen Autobauer als Beispiel ausgesucht hat, weil der Eigentümerclan Quandt zu den reichsten Deutschen gehört - und allein 2018 mehr als eine Milliarde an BMW verdient hat. Auf der anderen Seite taugt der deutsche Automobilbau nicht recht als Beispiel für eine die Arbeiter knechtende Ausbeuterbranche. In deutschen Autofabriken verdient ein Berufsanfänger am Band rund 3700 Euro pro Monat - und damit mehr als mancher Akademiker.

Kühnert geht aber noch weiter: Er findet, "das Kollektiv" könne womöglich in Zukunft auch entscheiden, ob es BMW überhaupt noch brauche - schwer vorstellbar, dass er damit ebenfalls die BMW-Arbeiter meint. 

Verstaatlichung

Isoliert betrachtet lesen sich manche Aussagen des Juso-Chefs ausgesprochen radikal. Allerdings relativiert er viele umgehend selbst, wenn er von der "Zeit" darauf angesprochen wird etwa. So sagt er zunächst, eine demokratische Kontrolle von Profiten "schließt aus, dass es einen kapitalistischen Eigentümer dieses Betriebs gibt" - nur um kurz darauf einen Schutz für Eigentum zumindest dann zuzusichern, wenn es "tatsächlich selbst erarbeitet wurde". Dürfte ein deutscher Jeff Bezos also seine Milliarden behalten, weil er Amazon selbst gegründet hat, die BMW-Erben aber nicht?

Der Juso-Chef lässt - vermutlich bewusst - einen sehr breiten Interpretationsspielraum. Die Geschichte und politische Praxis kennen jedenfalls viele und sehr unterschiedliche Varianten der Verstaatlichung - und zwar auch in kapitalistischen Systemen.

Bekannt sind etwa Notfallverstaatlichungen: In der weltweiten Finanz- und Wirtschaftskrise wurde so etwa die Krisenbank Hypo Real Estate vollständig und die Commerzbank teilweise verstaatlicht, um einen Kollaps des Finanzsystems zu verhindern.

Andere Beispiele sind Bereiche, bei denen Ökonomen von "natürlichen Monopolen" sprechen. Darunter fällt häufig die öffentliche Versorgung. Beim Aufbau eines Energie- oder Wasserversorgungsnetzes etwa fallen in der Regel so hohe Kosten an, dass sich ein Markteintritt für neue Wettbewerber nicht lohnt. Dann kann der Staat eingreifen und den Netzbetreiber verstaatlichen, damit der seine Marktmacht nicht ausnutzt.

Apropos Marktmacht: Damit argumentieren auch viele Kritiker von Amazon, Facebook und Google, die wahlweise eine Zerschlagung oder eine deutlich striktere Regulierung der Techkonzerne fordern. Bei Kühnert findet sich die Debatte in einem Nebensatz ("Reden wir über den Umgang mit Internetgiganten"), der aber offenlässt, wie eine von Deutschland betriebene Vergesellschaftung der an US-Börsen notierten Firmen aussehen soll.

Kühnert beruft sich in dem Interview allerdings auch explizit auf Karl Marx. Der Vordenker des Kommunismus hat seine Idee einmal so formuliert: Das Proletariat - heute würde man vielleicht eher von abhängig Beschäftigten sprechen - müsse der Bourgeoisie (vulgo: den Reichen) "nach und nach alles Kapital entreißen, alle Produktionsinstrumente in den Händen des Staats (...) zentralisieren und die Masse der Produktionskräfte möglichst rasch vermehren".

Dahinter steht die Vorstellung, dass ein wie auch immer geartetes "Kollektiv" beziehungsweise ein sozialistischer Staat die besseren Unternehmer sein könnten, weil kapitalistische Eigentümer in der Tendenz Arbeiter und Firmen nur zum eigenen Nutzen ausschlachten. 

Historische Belege für eine Überlegenheit sozialistischen Wirtschaftens sind allerdings spärlich. Während des Kalten Kriegs tat sich der Westen zwar aus Mangel an verlässlichen Daten ziemlich schwer, die tatsächliche Wirtschaftskraft des Ostblocks korrekt einzuschätzen. Spätestens mit dem Fall der Mauer 1989 wurde die Rückständigkeit der Staatsökonomien von DDR und Sowjetunion aber offensichtlich.

Auch das deutlich aktuellere Beispiel Venezuela taugt eher nicht als Beleg für Kühnerts Thesen. 2002 ließ die dortige sozialistische Führung den größten Ölkonzern des Landes verstaatlichen, 18.000 Mitarbeiter wurden ausgewechselt. Davon hat sich das Unternehmen nie erholt, die Ölförderung des ölreichsten Landes der Welt liegt heute nur noch bei knapp der Hälfte des Volumens vor der Verstaatlichung.

Das Modell der Genossenschaften

Kevin Kühnert sagt, er könne sich durchaus eine Umwandlung von BMW in einen "genossenschaftlichen Automobilbetrieb" vorstellen. An anderer Stelle lobt er Genossenschaften als gutes Zukunftsmodell zur Lösung der Probleme auf dem Wohnungsmarkt.

Als Zusammenschluss von Personen zur Erzielung eines gemeinsamen wirtschaftlichen oder sozialen Zwecks hat die Genossenschaft in Deutschland eine lange Tradition. Am bekanntesten sind die Volks- und Raiffeisenbanken. Darüber hinaus gibt es viele Sektoren, in denen kleinere Betriebe Teile ihrer Geschäftstätigkeit bündeln, um am Markt gemeinsam stärker aufzutreten. Landwirte und Winzer vermarkten so in Genossenschaften ihre Produkte, Einzelhändler bündeln ihren Einkauf. 

Sehr selten ist hingegen das Konstrukt, dass Kühnert für die Umorganisation von BMW beziehungsweise der deutschen Wirtschaft insgesamt vorschwebt. Das Modell wird in Fachkreisen "Produktivgenossenschaft" genannt und in manchen Medien "Mitarbeiterunternehmen": Die Firma gehört dabei nicht irgendwelchen Kapitalgebern oder Eigentümerfamilien, sondern den Angestellten selbst*.

Wie viele solcher Firmen in Deutschland bestehen, ist nicht bekannt. "Unstrittig ist, dass die Zahl der Produktivgenossenschaften (...) sehr gering ist", schreibt die Universität Lüneburg in einem Beitrag zu dem Thema. Ein Grund dafür: Mitarbeiterfirmen haben oft Schwierigkeiten, sich gegenüber der Konkurrenz am Markt zu behaupten. Sie seien deshalb oft nur in "ökonomischen Nischen" zu finden, die für andere Unternehmen "aufgrund ihrer Profitabilität uninteressant sind". Das vermutlich bekannteste deutsche Mitarbeiterunternehmen war Photo Porst. Dessen Eigentümer gewährte den Mitarbeitern in den Siebzigerjahren "totale Mitbestimmung". Allerdings rutschte das Unternehmen schon Anfang der Achtzigerjahre tief in die roten Zahlen, die Mitarbeiter-Beteiligungs-KG musste Konkurs anmelden.

Demokratische Kontrolle

Kühnert begründet sein Ausweichen bei Fragen nach der konkreten Ausgestaltung des Sozialismus explizit damit, dass er darunter kein fertig ausgearbeitetes Konzept verstehe, sondern das "Ergebnis von demokratischen Prozessen, orientiert an unumstößlichen Grundsätzen". Auch die BMW-Kollektivierung will er nur "auf demokratischem Wege". Es ist das überwölbende Prinzip Kühnerts zu einer gerechteren Gesellschaft - und Kollektivierung oder Verstaatlichung nennt er nur als mögliche Instrumente, dieses Prinzip umzusetzen.

Unklar bleibt aber, was der Juso-Chef unter "demokratischen Prozessen" versteht - und was nicht. Ist die Abstimmung von Mitgliedern einer Genossenschaft bereits eine demokratische Legitimation? Aber was ist, wenn es sich um einen in eine Genossenschaft gewandelten Rüstungskonzern handelt, und deren Mitglieder darüber abstimmen, ob weiter Waffen produziert werden sollten? 

Im Grunde geht es - wie schon bei der Kollektivierung - auch hier um die Frage: Wer gehört jeweils zu dem Personenkreis, der über eine bestimmte Frage entscheiden kann? Dass Kühnert sich hier nicht festlegt, ist nachvollziehbar: Würde alles auf der höchstmöglichen Ebene entschieden - also der staatlichen -, wäre man wieder bei der Planwirtschaft. 

Fazit

Die Nachwuchsorganisation der SPD nennt sich selbst Jung-Sozialisten. Ihr Chef Kevin Kühnert will diesem Namen erkennbar Ehre machen. Sein Interview kann ein Anstoß sein für eine Debatte, wie die Ungleichheit in Deutschland bekämpft werden könnte. Den "Zugang zu Vermögen" hält Kühnert nicht zu Unrecht für viel zu ungerecht verteilt.

Seine Lösungsvorschläge kommen aber nicht über Ansätze hinaus. Sie sind teilweise widersprüchlich. Kühnert gibt an, ihm sei "nicht wichtig, ob am Ende auf dem Klingelschild von BMW staatlicher Automobilbetrieb steht oder genossenschaftlicher Automobilbetrieb".

Am Ende des Interviews bleibt der Eindruck, das könnte ihm womöglich auch deshalb so gleichgültig sein, weil er sich mit den Unterschieden im Detail ohnehin nicht beschäftigt hat.

Erschienen im SPIEGEL

Soweit die kühnen Träume eines abgebrochenen Studenten mit der Wirtschaftswissen eines Regenwurms. Im FOCUS legte Kühnert gestern nochmals nach. Es gelte, den Kapitalismus zu überwinden. Gut zu wissen.










Samstag, 3. November 2018

Andrea Nahles hängt wie Pattex am Amt...

von Thomas Heck...

Merkel hat es vorgemacht, wenn auch zu spät. Das Loslassen vom Amt. Andrea Nahles, amtierende Vorsitzender der unter Ihrer Ägide zur Splitterpartei verkommenden "Volkspartei" SPD, ist von diesem Schritt noch weit entfernt und hängt am hochdotierten Amt wie Pattex. Trotzig verkündete sie zwar, sie führe die Partei mit all ihrer „Kraft, Leidenschaft und Zuversicht, wenn jemand meint, es schneller oder besser zu können, soll er sich melden“, doch schon bei der Ausstrahlung hapert es. Kraft, Leidenschaft und Zuversicht sehen anders aus. 

Dabei wäre es auch an der Zeit, den zwar nicht wohlverdienten Ruhestand anzutreten, würde uns dieser Schritt doch letztlich von diesem ordinären Schreihals befreien, für den man sich nur fremdschämen kann. Denn mit dieser alternden ehemaligen Juso-Vorsitzenden ist sicher kein Staat mehr zu machen, von einem Neuanfang der gebeutelten Arbeiterpartei ganz zu schweigen. Vielleicht wäre Kevin Kühnert, der aktuelle Juso-Chef der Richtige für den Posten, denn nach den letzten beiden katastrophalen Entscheidungen zum Parteivorsitz mit Martin Schulz und Andrea Nahles ist die Partei stärker denn je abgestraft worden. Und es soll bis zum nächsten regulären SPD-Bundesparteitag Ende 2019 (!!!) so weiter gehen.



SPD-Chefin Andrea Nahles versucht, vor der Klausurtagung der Partei in die Offensive zu gehen. Sie forderte ihre Kritiker auf, sich zu melden, wenn sie glauben sollten, ihren Job besser zu können. Juso-Chef Kevin Kühnert hält den Druck auf Nahles aufrecht und stellt Forderungen für die Fortsetzung der Groko auf.

Die intern stark unter Druck stehende SPD-Vorsitzende Andrea Nahles geht gegen ihre Kritiker in die Offensive. In der „Süddeutschen Zeitung“ forderte sie mehr Ehrlichkeit und Offenheit. Sie führe die Partei mit all ihrer „Kraft, Leidenschaft und Zuversicht“, sagte Nahles, „wenn jemand meint, es schneller oder besser zu können, soll er sich melden“.

Bei der am Sonntag beginnenden zweitägigen Klausurtagung der SPD-Führung will Nahles den Vorstoß abwehren, den für Ende 2019 geplanten Parteitag samt Wahlen vorzuziehen und damit früher als geplant über ihre persönliche Zukunft sowie wohl auch die der großen Koalition zu entscheiden. Unter anderem Juso-Chef Kevin Kühnert hatte für ein Vorziehen plädiert. „Ich möchte wissen, was es bringen soll, wenn man einen Parteitag vorzieht oder das Personal austauscht. Ich möchte auch, dass die Motive und Anliegen der Leute offen auf den Tisch gepackt werden. Das ist es, worum ich bitte“, sagte Nahles.

Kühnert stellte sich erneut gegen Parteichefin Nahles und und hielt an seiner Forderung fest, den für Ende 2019 geplanten Parteitag vorzuziehen. „Angesichts des fragilen Zustands der Koalition haben wir keine Zeit zu verlieren, um unsere Programmatik gemeinsam mit den 600 Delegierten auf den aktuellen Stand zu bringen“, begründete Kühnert in der „Rheinischen Post“ seinen erneuten Vorstoß. „Mit Blick auf die Entwicklungen in der Union müssen wir zügig handlungsfähig sein.“ Sich jetzt noch auf das Erreichen der Revisionsklausel zu verlassen, könne schnell nach hinten losgehen. Die Revisionsklausel war auf Drängen der SPD in den Koalitionsvertrag gekommen. Nach zwei Jahren soll auf diesem Wege überprüft werden, ob die große Koalition genug zustande gebracht hat und ob das Bündnis noch funktionstüchtig ist. Von vielen wird das Ganze als „Ausstiegsklausel“ verstanden.

Jusos stellen Bedingungen für Fortsetzung der GroKo

In einem Antrag der Jusos wird der Zeitung zufolge auch unmissverständlich deutlich gemacht, dass die SPD die große Koalition vorzeitig verlassen müsse, „sollte es keine grundlegende Veränderung in der Zusammenarbeit geben“. Die Hürden für ein Fortbestehen der Koalition legen die Jusos hoch. So heißt es in dem Antrag unter anderem: „Das Einwanderungsgesetz muss noch dieses Jahr beschlossen werden und die Möglichkeit eines Spurwechsels zwischen dem Asylverfahren und dem Verfahren nach dem Einwanderungsgesetz beinhalten.“ Bis zur Sommerpause 2019 verlangen Kühnert und seine Mitstreiter zudem eine Kabinettsbefassung zu Investitionen in den sozialen Wohnungsbau. 

Nahles will am bisherigen Fahrplan mit dem Parteitag Ende 2019 festhalten. „Vom Neuanfang in der großen Koalition bis zur inhaltlichen Erneuerung der SPD unter Beteiligung der Parteimitglieder – da ist der Zeitpunkt für den Parteitag Ende 2019 schon extrem sportlich“, erklärte sie. Sie wolle, dass die Partei wieder mehr debattiere und in strittigen Fragen Klarheit finde. „Wir brauchen die Zeit bis ins nächste Jahr, wenn wir es richtig machen wollen. Jetzt kopflos alles umzuwerfen, ist Blödsinn.“

Mittwoch, 7. März 2018

Der Robin Hood von Berlin... Helden in roten Strumpfhosen...

von Thomas Heck...

Kevin Kühnert hat eine Eigenschaft, die in der alten Tante SPD nicht mehr so verbreitet ist. Er scheint ehrlich zu sein. Das ist aber auch das einzige, was an dem Jung-Revoluzzer sympathisch rüberkommt, der in seinem Leben nicht einen einzigen Handschlag produktiver Arbeit geleistet hat und sich sein restliche Leben von Parteipöstchen zu Parteipöstchen hangeln wird. Aber, wie gesagt, ehrlich scheint er zu sein und lässt im Zeit-Interview deutlich erkennen, was sein Begehr ist. Nämlich das Geld anderer Leute, vornehmlich derer, die mehr Geld verdienen, als er selbst. Kevin Kühnert: "Wir müssen den exorbitant Vermögenden was wegnehmen". Rotlackierte Raubritter mit  dem Anschein sozialer Empathie:
Der Juso-Vorsitzende Kevin Kühnert © Michael Kappeler/dpa

ZEIT ONLINE: Sie haben mal gesagt: Wenn die SPD noch einmal eine große Koalition riskiert, dann geht sie unter. Und jetzt?
Kühnert: Jetzt müssen wir versuchen, die Regierungsarbeit von dem zu trennen, was innerhalb der Partei passiert.
ZEIT ONLINE: Was meinen Sie damit?
Kühnert: In der Regierung wird die SPD eine Politik mittragen müssen, die nicht immer ihre ist. Die Mindestlöhne etwa werden kaum steigen. Innerhalb der Partei aber müssen wir für einen höheren Mindestlohn streiten. Wir müssen selbstbewusst neben der Regierung stehen und sagen: Was die dort exekutieren, das ist der maximal mögliche Kompromiss. Das, was wir machen, ist ein eigenständiger Gesellschaftsentwurf, den wir beim nächsten Mal zur Wahl stellen.
ZEIT ONLINE: Wenn Sie den Wählern die ganze Zeit erklären, wie schlecht die Kompromisse der Regierung sind, dann fragen die sich aber irgendwann, warum die SPD so schlecht regiert.
Kühnert: Ich sage ja nicht, dass wir unsere Regierungsarbeit schlechtreden sollen. Wir müssen nur aufhören, sie übereuphorisch zu kommentieren. Sonst halten die Menschen den Kompromiss für unsere Position.
ZEIT ONLINE: Wie soll das klappen, gleichzeitig Regierung und Opposition zu sein?
Kühnert: Es wird mit Sicherheit kräftezehrend, weil es Widersprüche produziert, die wir aushalten müssen. Man muss das durchhalten wollen.
ZEIT ONLINE: Alle in der SPD reden jetzt von Erneuerung. Was verstehen Sie darunter?
Kühnert: Vor allem: Dass wir klar sagen, was wir konkret umsetzen wollen. Ich kann mich nicht darüber beschweren, dass Vermögen zu ungleich verteilt sind, aber dann nichts auf der Pfanne haben, um das zu ändern.
ZEIT ONLINE: Und wie ließe sich das ändern?
Kühnert: Zum Beispiel über die Vermögenssteuer. Oder über die Erbschaftssteuer, da könnten wir uns von dem Ausnahmedschungel befreien, der über Jahre systematisch zugelassen wurde. Oder über einen neuen Spitzensteuersatz. Gerne auch mit einer höheren Einkommensgrenze, aber dann müssten wir auch über mehr als die drei Prozentpunkte Aufschlag reden, die in unserem letzten Wahlprogramm standen. Wir Jusos sind bereit, darüber zu streiten, welche der Maßnahmen am besten geeignet ist. Aber wir werden es der SPD nicht mehr durchgehen lassen, dass sie sich für keine der drei Varianten so richtig ausspricht und am Ende einfach wegduckt. Man kann so ein Thema doch nicht einfach liegenlassen! Wir sind als Parteien immer auf der Suche nach Themen, die große Zustimmung in der Bevölkerung finden. Und dass es nicht sein kann, dass 45 Menschen so viel besitzen wie die ärmere Hälfte der Bevölkerung – da muss ich doch kein volkswirtschaftliches Seminar abhalten, damit die Leute sagen: Da habt ihr recht.
ZEIT ONLINE: Warum schneidet die SPD dann so schlecht ab?
Kühnert: Wir wollen immer Politik für möglichst viele Menschen machen. Bei der letzten Bundestagswahl hat die SPD quer durch alle Milieus zwischen 17 und 23 Prozent der Stimmen bekommen, egal ob bei den Abgehängten oder den Topverdienern. Das ist eine schlechte Nachricht für eine Partei. Parteien sind nicht dafür da, allen Menschen gleichermaßen zu gefallen. Wir müssen vielen Menschen ein Angebot machen, ja. Aber das bedeutet auch, dass wir manchen was wegnehmen müssen.
ZEIT ONLINE: Wem?
Kühnert: Na zum Beispiel denen mit exorbitant hohem Vermögen. Die haben das ja nicht allein durch ihre eigene Arbeit erwirtschaftet, sondern dadurch, dass Menschen in ihren Unternehmen stehen und arbeiten, aber seit 20 Jahren unterdurchschnittlich an den Gewinnen beteiligt werden. Es gibt viele Menschen in Deutschland, die haben Reallohnverluste. Die werden um ihren gerechten Anteil an unserem Reichtum betrogen.
ZEIT ONLINE: Was gehört noch zur Erneuerung der SPD?
Kühnert: Das Thema Nachhaltigkeit zum Beispiel. Ich halte es für einen großen Fehler, dass wir lange Zeit gesagt haben: Dafür sind die Grünen zuständig. Beim Kohleausstieg, der unweigerlich auf uns zu kommt, bleibt die SPD seit Jahren eine Antwort schuldig. Da gibt es auf der einen Seite Menschen, die haben dank der Kohle gut bezahlte Industriejobs. Auf der anderen Seite stehen Leute, die erwarten, dass wir endlich für eine nachhaltige Energieversorgung sorgen. Und wir stehen dazwischen, haben große Angst irgendjemandem wehzutun – und geben gar keine Antwort. Wer jetzt bei Vattenfall im Braunkohlerevier arbeitet und gut verdient, für den kann es ja nicht die Lösung sein, dass er mal einen Eisladen am Baggersee aufmacht. Wenn wir aus der Kohle aussteigen, müssen wir Geld in die Hand nehmen, um andere Industriezweige aufzubauen.
ZEIT ONLINE: Viele glauben, dass sich die SPD zu sehr auf Themen stürzt, die den meisten Stammwählern gar nicht wichtig sind: Ökothemen oder der Familiennachzug für Flüchtlinge. 
Kühnert: Ökologie ist kein Nischenthema. Gerade junge Menschen, die uns künftig wählen sollen, haben verstanden, dass da die Lebensbedingungen ihrer Zukunft verhandelt werden. Und die ganze Flüchtlingspolitik ist aus meiner Sicht eine Haltungsfrage. Wenn ich mir die Grundwerte der SPD angucke, zu denen bekanntermaßen die Solidarität gehört, kann ich zu keinem anderen Schluss kommen, als dass wir Menschen, die auf absehbare Zeit bei uns leben werden und von denen wir verlangen, dass sie sich integrieren, die bestmöglichen Bedingungen dafür bieten. Dazu gehört, dass wir sie nicht im Unklaren darüber lassen, ob es ihren engsten Verwandten gut geht oder nicht.
ZEIT ONLINE: Viele Ihrer potenziellen Wähler fühlen sich von den Flüchtlingen aber eher verunsichert.
Kühnert: Die Ursachen für dieses Bedrohungsgefühl liegen doch oft nicht bei den Flüchtlingen. Ich habe meine NoGroko-Tour in Pirna in Sachsen begonnen, wo die AfD 40 Prozent geholt hat. Dort hat sich der Staat aus seiner Verantwortung herausgezogen: beim bezahlbaren Wohnen, bei der Sicherung von Arbeitsplätzen, bei der Mobilität im ländlichen Raum. Als dann 2015 die vielen Flüchtlinge kamen, dachten sie: Warum ist jetzt plötzlich Geld da – und vorher nicht? Dass der Staat vielerorts zum Nachtwächter wurde, das wird auch uns angelastet – zu recht. Diese Politik muss sich ändern, und das fängt damit an, dass die SPD sich hinstellt und sagt: Sorry, wir haben da Fehler gemacht. 
ZEIT ONLINE: Die AfD greift dieses Gefühl, vom Staat vernachlässigt zu werden, sehr erfolgreich auf. Wie sollte die SPD mit den Rechtspopulisten umgehen?
Kühnert: Die AfD hat einen völkisch-rassistischen Kern, der gehört nicht zum demokratischen Spektrum. Die Wähler der AfD sind aber nicht die AfD. Sie treiben Themen um, die wir ernst zu nehmen haben. Und diese Themen haben viel mit dem Rückzug des Staates zu tun. Die allermeisten wählen doch nicht die AfD, weil sie ihr irgendeine Problemlösungskompetenz zuschreiben. Sie wählen AfD, weil sie die etablierten Parteien zum Umdenken zwingen wollen. Der Dialog mit diesen Menschen ist eine ganz große Aufgabe für die SPD. Die müssen wir anpacken, vor allem im Osten. 
ZEIT ONLINE: Wo die SPD kaum Strukturen hat: In Sachsen haben Sie gerade mal 5.000 Mitglieder, in Thüringen knapp über 4.000. 
Kühnert: Umso dringender müssen wir unsere Präsenz dort erhöhen. In ganz Mecklenburg-Vorpommern hat die SPD nur noch zwei Regionalbüros. Wir sollten überlegen, ob wir dort künftig mit Kleinbussen die Städte und Dörfer besuchen und Sprechstunden anbieten. Das könnte ein Anfang sein. 
ZEIT ONLINE: Wo werden heute Wahlen gewonnen: rechts, links oder in der Mitte?
Kühnert: Dazu hat Sigmar Gabriel mal was Kluges gesagt: Die Mitte ist kein fester Ort, Parteien können sie verschieben. Sie können Wahlen gewinnen, wenn sie die eigenen Themen zu den Themen der Mehrheit machen. Das ist uns in den letzten Jahren kaum gelungen. Wir haben zu oft den Finger in die Höhe gehalten, um zu erspüren, woher der Wind vermeintlich gerade weht. So was wird nicht gewählt.

"Ich bin und bleibe Juso-Vorsitzender"

ZEIT ONLINE: Bei der letzten Wahl hat sich die Mitte nach rechts verschoben. Was heißt das für die SPD?
Kühnert: Dass wir wieder über andere Themen diskutieren müssen als im jüngsten Wahlkampf. Wir haben uns einreden lassen, alles drehe sich um Flüchtlinge. Dabei haben die meisten Menschen ganz andere Probleme: Arbeit, Verteilung, Soziales. Wir haben aber in der großen Koalition verlernt, bei diesen Themen die Konflikte mit der Union zu kultivieren und stattdessen den Konsens vorweg gedacht. Wir sind handzahm geworden und haben damit Raum für die Themen der anderen gelassen. Und wir dürfen nicht zulassen, dass die Hauptkonfliktlinie in der Politik künftig lautet: Die vermeintlichen Systemparteien gegen die Neuen.
ZEIT ONLINE: Sie haben jetzt viel über inhaltliche Erneuerung gesprochen. Bei den Grünen und der CDU kann man das Neue vor allem daran erkennen, dass andere Leute an die Spitze kommen: Annalena Baerbock, Annegret Kramp-Karrenbauer, Robert Habeck. Wer ist das bei der SPD? Sie?
Kühnert: Ich bin und bleibe Juso-Vorsitzender. Bei den Landtagswahlen hat die SPD immer dort gut abgeschnitten, wo sie kluge personelle Angebote gemacht hat, zum Beispiel mit Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz. Sie war übrigens auch deshalb so erfolgreich, weil sie beim Thema Flüchtlinge ganz klar Haltung gezeigt hat. Manuela Schwesig gehört auch dazu. Die alte SPD hatte an der Spitze einen enormen Männerüberschuss – das hat uns geschadet. 
ZEIT ONLINE: Wenn man in der Partei herumfragt, sagen alle, dass Kevin Kühnert beim Erneuerungsprozess eine wichtige Rolle spielen soll. Haben ihnen Andrea Nahles und Olaf Scholz schon einen Job angeboten?
Kühnert: Nein, müssen sie auch nicht. Wir stehen noch ganz am Anfang. Wir reden viel miteinander, aber das wäre der dritte Schritt vor dem ersten – und darum geht es auch gar nicht. Für viele von uns kehrt gerade das erste Mal seit einem Jahr ein bisschen Ruhe ein. Diese Ruhe brauchen wir jetzt zum Nachdenken. Wir brauchen keine Schnellschüsse. Aber auf unserem Parteitag im April muss es dann mit der Erneuerung richtig losgehen.
ZEIT ONLINE: Haben Sie in den vergangenen Wochen etwas über die SPD gelernt, was Sie bisher nicht wussten?
Kühnert: Wir werfen uns selbst gern vor, wir seien zu homogen und nicht genug verankert in der Breite der Bevölkerung. Bei meinen Veranstaltungen habe ich rund 7.000 Leute getroffen – und da war alles dabei, wirklich alles, alle Altersgruppen, alle Berufe, Handwerker, Akademiker, schillernde und schüchterne Persönlichkeiten. So vielschichtig hätte ich uns nicht erwartet.
ZEIT ONLINE: Und was haben Sie über sich selbst erfahren?
Kühnert: Mit wie wenig Schlaf ich auskommen kann.
ZEIT ONLINE: Während Ihrer Tour ist die SPD auf 16 Prozent zurückgefallen, hinter die AfD. Haben Sie mal befürchtet, Sie könnten ihrer Partei den Rest geben?
Kühnert: Eine Kampagne, die nach meiner Einschätzung das Potenzial hat, die SPD zu zerstören, hätte ich nicht gemacht. In den letzten 20 Jahren hat sich die SPD halbiert. Und zwar nicht in der Opposition, sondern in Regierungsverantwortung.
ZEIT ONLINE: Gab es etwas auf Ihrer Tour, was sie berührt hat?
Kühnert: (denkt lange nach) Ich war gerührt und ein bisschen ehrfürchtig, wenn ältere Mitglieder zu mir gekommen sind und – entweder mit strahlendem Gesicht oder mit einer kleinen Träne im Auge – gesagt haben, dass sie wieder Hoffnung für die SPD haben, wegen uns Jusos. Da schluckt man schon. Und es zeigt, dass die SPD mehr ist als ein Zweckverein. Für viele Leute ist sie eine sehr emotionale Angelegenheit.
ZEIT ONLINE: Was nervt Sie an der SPD?
Kühnert: Das, was bei jeder Großorganisation nervt: dass alles so lange dauert.