Sonntag, 12. November 2017

Ein Armageddon biblischen Ausmaßes... aber nur in Krefeld...

von Thomas Heck...

Glaube nur der Statistik, die Du selbst gefälscht hast. Dieses Zitat schreibt man dem guten alten Sir Winston Churchill zu. Und es gilt heute mehr denn je. In einer Zeit, wo wir das Wissen der Welt in der Tasche haben, uns immer und überall im Internet frei informieren können, ist es letztlich doch nur der Glaube, ob es den Klimawandel gibt oder nicht, ob mein Diesel schmutziger ist, als der Benziner meines Nachbarn, ob Merkel mit Verstand die Flüchtlinge ins Land geholt hat oder einfach nur irre ist. Die Welt ist zwar vernetzt wie nie zuvor, jeder kann sich informieren, doch es wird immer wichtiger zu wissen, woher eine Information stammt und was mit ihr politisch bezweckt wird.

Ein gutes Beispiel dieser Tage ist das angebliche Insektensterben biblischen Ausmaßes, seltsamerweise nur in Deutschland. Und überall verbreitet sich die Erkenntnis, dass bei längeren Autobahnfahrten die Frontscheiben nicht mehr mit Insektenleichen gepflastert sind, früher war alles anders. 

Dabei gibt es das Insektensterben eigentlich nur in Krefeld, wo ein paar "Wissenschaftler" auf die glorreiche Idee kamen,  ihre statistischen Erkenntnisse auf ganz Deutschland zu extrapolieren, letztlich aber mit der Mär des Insektenholocaust eigentlich nur die Art unserer Landwirtschaft verändern wollten. Die Basler-Zeitung hat sich das, wohltuend abhebend von der Hysterie hier in Deutschland, einmal genauer angeschaut und kommt zu ganz anderen Ergebnissen.



Glaubt man den Zeitungen, stehen wir vor einer ökologischen Katastrophe. Von einem «erschreckenden Ergebnis» schrieb der Tages-Anzeiger, gar von einem «schockierenden Ergebnis» die Neue Zürcher Zeitung: Eine Studie ist zum Schluss gekommen, dass die Menge der Insekten in Deutschland um über drei Viertel abgenommen habe – und das in nur 27 Jahren. Die deutsche Zeit nannte das Resultat «ein ökologisches Armageddon» und sagte – ganz in Endzeitstimmung – den Insekten schon mal «lebt wohl». Von einem «grossen Sterben» schrieb auch die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ): «Wir befinden uns mitten im einem Albtraum.» Der Blick warnte vor einem «unheimlichen Sterben unserer Insekten», während das Schwesterblatt Sonntagsblick schon mal Tipps gegen den Insektentod verbreitete: Man solle insektenfreundliche, einheimische Pflanzen bevorzugen und Überwinterungsmöglichkeiten für Insekten bieten: «Ganz egal, ob auf Fenstersims, Balkon oder im Garten – jedes bisschen hilft.»

Die Studie, die für so viel Schrecken sorgt, ist im Oktober in der Fachzeitschrift PLOS One erschienen. Sie stützt sich auf die Sammelresultate des Entomologischen Vereins Krefeld in Nordrhein-Westfalen. Die Mitglieder des Insektenvereins fingen seit 1989 fliegende Insekten wie Bienen, Wespen, Motten, Heuschrecken, Fliegen und Falter. Sie benutzten dazu spezielle Netzvorrichtungen, sogenannte Malaise-Fallen. Aufgestellt wurden diese an insgesamt 63 Standorten. So waren bis 2016 bei 1500 Einzelproben über 53 Kilogramm Insekten zusammengekommen.

Wechselnde Standorte

Unterstützt von niederländischen und britischen Forschern, werteten die Vereinsmitglieder die Sammelwerte aus und bereiteten sie statistisch auf – nicht nach einzelnen Insektenarten oder nach der Zahl der Tiere, sondern nach dem totalen Gewicht. Das Resultat der Auswertung war, dass seit 1989 die Menge an Insekten um 76 Prozent zurückgegangen sein soll, in den Sommermonaten gar um 82 Prozent.

Das tönt in der Tat dramatisch. Schaut man sich die Studie genauer an, ist der Befund allerdings stark zu relativieren. Anders als in den Medien suggeriert, hatten die Mitglieder des Insektenvereins an den 63 Standorten nämlich nicht jährlich wiederkehrend Tiere gefangen. Die Fallen wurden vielmehr an immer neuen Orten aufgestellt.

So gab es keinen einzigen Standort, an dem seit 1989 durchgehend Proben genommen wurden. Am Standort mit den häufigsten Messungen war nur in insgesamt vier Jahren eine Falle aufgestellt worden. Umgekehrt war an der Mehrheit der Standorte (37 von 63) nur ein einziges Mal eine Falle aufgestellt worden, an 20 weiteren Orten nur zweimal. Um aussagekräftige Datenreihen zu bekommen, müsste man aber zumindest von einigen Standorten durchgehende (jährliche) Fangresultate haben. Der Krefelder Insektenverein verzichtete aber darauf – nicht nur wegen des grossen Aufwands, sondern auch, weil jährliches Insektenfangen an den gleichen Standorten die dortigen Populationen bedrohlich dezimieren würde.

«Fünf nach zwölf»

Nicht nur die Standorte wechselten ständig: Der Insektenverein machte von Jahr zu Jahr auch ganz unterschiedlich viele Messungen. So stellte er 2014 an 23 Standorten Insektenfallen auf, 2015 aber nur an einem einzigen Ort, 2016 wiederum an sieben Orten. In drei Jahren – 1996, 1998 und 2002 – hatte der Verein gar keine Messungen vorgenommen.

Entsprechend ist die Kurve der jährlichen durchschnittlichen Tagesfangmengen eine zackige Linie mit Lücken (siehe Grafik). In einigen Jahren ist dieser Durchschnittswert doppelt so hoch wie im Vorjahr. In anderen Fällen halbierte er sich innert Jahresfrist fast. Zwar zeigt sich über die Jahre durchaus ein Abwärtstrend der gefangenen Insektenmengen. Wie gross die Abnahme über die Jahre ausfällt, hängt bei so stark schwankenden Resultaten aber stark vom gewählten Anfangs- und Endjahr der Beobachtungen ab. Das ist unter anderem Walter Krämer aufgefallen, Spezialist für Statistik und Professor an der Technischen Universität Dortmund. «Hätte man das Jahr 1991 statt 1989 als Anfangspunkt gewählt, dann wären es statt 76 Prozent weniger Insekten nur etwa 30 Prozent weniger gewesen», schrieb Krämer in einem Kommentar zur Studie.


Zudem sind die Messungen nicht repräsentativ für Deutschland oder gar ganz Europa: Die Hobbyforscher hatten ihre Fallen, durchaus nachvollziehbar, vor allem in der Nähe ihrer Heimatstadt Krefeld aufgestellt: Entsprechend befanden sich 57 der 63 Messstandorte im westlichen Teil des westlichen Bundeslandes Nordrhein-Westfalen. Daneben gab es einen einzigen Standort in der ebenfalls westlich gelegenen Rheinland-Pfalz, dazu fünf Standorte im ostdeutschen Brandenburg. Weiter wurden die Insektenfallen ausschliesslich in Naturschutzgebieten aufgestellt. Wie die Entwicklung der Insektenmengen in landwirtschaftlich genutzten Gebieten oder in Stadtflächen ausfällt, ist darum nicht bekannt.

Auffallend ist, dass der Befund der Studie – ein Rückgang der Insekten um über 75 Prozent – mit den Zahlen übereinstimmt, die linke Politiker schon lange vor deren Publikation herumgeboten haben. In Nordrhein-Westfalen sei die Insektenbiomasse um 80 Prozent eingebrochen, mahnte die Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen im letzten März. «Insektensterben: Fünf nach zwölf», schrieben die Grünen damals.

Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) machte im Juli einen Rückgang des Insektenbestands in Teilen Deutschlands um 80 Prozent seit 1982 geltend. «Wer heute mit dem Auto übers Land fährt, findet danach kaum noch Insekten auf der Windschutzscheibe», behauptete Hendricks. Linksliberale Medien wie der Spiegel verbreiteten solche Warnungen eifrig weiter, meist ohne sie zu hinterfragen. Auch der Entomologische Verein Krefeld meldete schon vor drei Jahren, der Insektenrückgang betrage über drei Viertel – lange bevor sie zusammen mit Universitätsforschern nun zum gleichen Schluss gekommen sind. Das «erschreckende Ergebnis» scheint seit Langem festzustehen.

Bio-Landbau durchsetzen

Die politischen Absichten hinter den Warnungen sind offensichtlich: Es geht gegen die Intensiv-Landwirtschaft, insbesondere gegen den Einsatz von Pestiziden und Kunstdünger, und für die Durchsetzung von Bio-Landbau. Die Grünen machten die angeblich nötige «Ökologisierung der Landwirtschaft» im vergangenen Wahlkampf zu einem ihrer Kernthemen – und reichten im Bundestag Antrag um Antrag für eine Reduktion des Pestizideinsatzes ein. «Handlungserfordernis ist dringender denn je», behauptete im letzten Winter auch der Naturschutzbund Deutschland und forderte ein «endgültiges Verbot von Neonicotinoiden». Neonicotinoide gehören zu den am weitestverbreiteten Insektiziden.

Selbst Regierungsmitglied Hendricks beklagte im Juli die «grossen Mengen an Pestiziden», die eingesetzt würden: «Die bisherige Landwirtschaft macht den Insekten das Überleben schwer», so die SPD-Ministerin. Auch bei den Insektenfreunden von Krefeld scheint es eine weltanschauliche Nähe zu links-grünen Kreisen zu geben: So stellte sich Vorstandsmitglied und Studien-Co-Autor Martin Sorg gegenüber einem Reporter der FAZ explizit als «Aktivist» vor.

Richtig ist, dass bis heute keine Ursache bekannt ist für den Rückgang an Insekten, wie gross dieser auch sein mag. In der Studie in PLOS One wird zwar mit statistischen Methoden möglichen Gründen nachgegangen – allerdings ohne Resultat: Veränderungen im Pflanzenspektrum, in der Landwirtschaft oder im Klima könnten als Ursache ausgeschlossen werden, halten die Autoren fest. Möglicherweise sind die Gründe für eine Abnahme der Insekten anderswo als in der Landwirtschaft zu finden: Viele Naturschutzgebiete in Deutschland verbuschen nachweislich. Eine immer dichtere Vegetation wirkt sich erfahrungsgemäss aber negativ auf die Vielfalt von Pflanzen und Tieren aus. Davon könnten auch Insekten betroffen sein.

Mehr Fläche nötig

Die Studie in PLOS One gebe durchaus Anlass zum Nachdenken über den Insektenrückgang, schrieb Walter Krämer. «Es ist aber auch ein Anlass, darüber nachzudenken, warum man immer wieder versucht, uns mit möglichst erschreckenden Zahlen Panik zu machen», so der Statistiker.

Ob der Natur geholfen wäre, wenn die Landwirtschaft im grossen Stil auf extensive Methoden umstellt, ist jedenfalls fraglich: Bio-Anbau bringt deutlich kleinere Erträge. Folglich müsste viel mehr Fläche unter den Pflug genommen werden, um gleich viel ernten zu können. Dann würde es aber kaum mehr Naturschutzgebiete geben – mangels Platz.


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