Dienstag, 27. Juni 2017

Merkel endgültig im Wahlkampfmodus entrückt

von Thomas Heck...

Wenn die Politik in den Wahlkampfmodus umschaltet, bemerkt es der Bürger als erstes, wenn die wichtigen Themen auf die Zeit nach der Wahl vertagt werden und das Zeitalter der Versprechen anbricht, frei nach dem Motto, was kümmert mich das Gewäsch von gestern.


Da werden nicht die großen Themen angepackt, die die Menschen hier im Lande beschäftigen, z.B. das Thema des kleinen Flüchtlingsproblems, welches Städte, Kommunen und Gemeinden zunehmend belastet und das Volk spaltet. Oder die Entlastung des Bürgers über Steuern und Abgaben. Nein, jetzt kommen die wirklich wichtigen Themen. Beim Wahlkampf in Berlin waren es noch Unisextoiletten für diejenigen unter uns, die zögernd vor den öffentlichen Toiletten stehen und nicht wissen, auf welchem Klo man sich entleeren sollte. Jetzt ist es das Thema "Ehe für alle". 

Vorgelegt hatte hier die FDP und die Grünen, dann die SPD. Nun hat die CDU mit ihrer Großen Vorsitzenden Angela Merkel nachgezogen und schafft es somit, den anderen Parteien das Thema gleich wieder wegzunehmen, in dem Merkel die Abstimmung ohne Fraktionszwang in Aussicht stellt, womit das Thema "Bedingung für einen Koalitionsvertrag" somit obsolet geworden ist. Gefickt eingeschädelt. Die Kanzlerin ist einfach nicht zu packen. 

Bundeskanzlerin Merkel hat in einem entscheidenden Punkt ihre Meinung geändert: der "Ehe für alle". Statt diese wie bisher abzulehnen, will sie die Unions-Abgeordneten nun selbst entscheiden lassen, ob sie dafür oder dagegen sind. Die Reaktionen ließen nicht lange auf sich warten.
Bundeskanzlerin Angela Merkel ist vom klaren Nein der CDU zur gleichgeschlechtlichen Ehe abgerückt. Sie wünsche sich eine Diskussion, die "eher in Richtung einer Gewissensentscheidung geht", sagte die CDU-Vorsitzende bei einer Veranstaltung der Zeitschrift "Brigitte". Bei einer Abstimmung im Bundestag ohne Fraktionszwang gilt eine Mehrheit für die sogenannte Ehe für alle als sicher.
Diese Haltung der CDU-Chefin ist neu. Denn die Union hatte die Ehe für homosexuelle Paare bislang stets abgelehnt. Grüne, Linke, FDP und SPD hatten dagegen in den vergangenen Wochen die Öffnung der Ehe auch für homosexuelle Paare ausdrücklich zu ihren Wahlkampf-Forderungen gemacht. Mit dem Abrücken der Kanzlerin von ihrer bisherigen Linie könnte eine wichtige Hürde für eine Koalitionsbildung nach der Bundestagswahl im September fallen.

Merkel "bekümmert" über Verhalten

Dennoch äußerte Merkel Kritik am Vorpreschen der anderen Parteien: Sie nehme die Beschlüsse der anderen Parteien "zur Kenntnis". Sie sei aber "ein bisschen bekümmert", dass dieses Thema nun Gegenstand von "Parteitagsbeschlüssen und plakativen Dingen" sei. Sie glaube, dass es sich um "etwas schon sehr Individuelles handele". Deswegen wolle sie mit CDU und CSU "anders darauf reagieren" - und zwar mit einer Entscheidung jedes Abgeordneten persönlich.
Im Alleingang soll Merkel diesen halben Kurswechsel nicht vollzogen haben. Nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur hat sie die Linie mit CSU-Chef Horst Seehofer abgesprochen.

Keine gleichen Rechte 

Homosexuelle Paare in Deutschland können ihre Lebenspartnerschaft seit 2001 offiziell eintragen lassen. Inzwischen wurden diese Paare in vielen Bereichen, etwa bei Unterhaltspflicht, im Erbrecht oder beim Ehegattensplitting, verheirateten heterosexuellen Paaren gleichgestellt.
Doch vor allem beim Adoptionsrecht gibt es immer noch Benachteiligungen. So dürfen Homosexuelle nach einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2013 in einer Lebenspartnerschaft zwar auch Adoptivkinder des Partners adoptieren. Die gemeinsame Adoption eines Kindes ist jedoch nicht möglich. Merkel hatte im vergangenen Bundestagswahlkampf Adoptionen für gleichgeschlechtliche Paare noch mit dem Argument des Kindeswohls abgelehnt.
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Adoption von Kindern: Für gleichgeschlechtliche Paare rechtlich (noch) nicht möglich.

Sinneswandel durch persönliches Erlebnis

Nun berichtete sie von einem "einschneidenden Erlebnis" in ihrem Wahlkreis. Dort sei sie von einer lesbischen Frau eingeladen worden, zu Hause bei ihr und ihrer Partnerin vorbeizuschauen und zu sehen, dass es ihren acht Pflegekindern gut gehe. Merkel betonte, wenn das Jugendamt einem lesbischen Paar acht Pflegekinder anvertraue, könne der Staat nicht mit dem Kindeswohl gegen Adoptionen argumentieren.
Nach ihren Äußerungen forderten mehrere Abgeordnete, eine Bundestagsabstimmung über die Ehe für alle noch vor der Wahl zu ermöglichen - idealerweise schon diese Woche. Neben Politikern von SPD und Grünen plädierte auch der CDU-Parlamentarier Stefan Kaufmann dafür, er schrieb auf Twitter: "Danke Angela Merkel! Wie befreiend! Von mir aus könnten wir gerne noch diese Woche abstimmen!" In sozialen Netzwerken avancierte die #Ehefueralle in der Nacht zum Dienstag zu einem der meistdiskutierten Themen.
Stefan Kaufmann@StefanKaufmann
Danke Angela Merkel! Wie befreiend! Von mir aus könnten wir gerne noch diese Woche abstimmen! #Ehefueralle https://t.co/uslDWFwpUb
FDP-Chef Christian Lindner begrüßte den Kursschwenk Merkels als "ein gutes Signal". Die Abstimmung im Bundestag möglicherweise zur Gewissenfrage zu erklären sei eine "weise Entscheidung", sagte Lindner im rbb-Inforadio.

Grüne wollen neuen Anlauf wagen

Renate Künast von den Grünen kündigte an, die Forderung nach einer Abstimmung am Mittwoch erneut in den Rechtsausschuss des Bundestages einzubringen. Es wäre insgesamt das 31. Mal, dass das Thema dem Ausschuss vorgelegt wird - bislang hatte das Gremium das Thema immer wieder verschoben.
Die Grünen hatten sogar versucht, eine Abstimmung per Klage vor dem Bundesverfassungsgericht zu erzwingen. Die Richter lehnten die Eilanträge der Partei jedoch ab.
Renate Künast@RenateKuenast
@Herr_Decker @berlinerzeitung Wie gut, dass ich es am Mittwoch im Rechtsausschuss wieder aufrufe. #wennWortenTatenfolgen.#EhefürAlle . 31 mal aufgesetzt!
Auch die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Christina Lüders, meldete sich zu Wort. Auch Sie forderte eine sofortige Abstimmung im Bundestag. "Lesben und Schwule sollten jetzt nicht wieder monatelang warten müssen", sagte sie in Berlin. 83 Prozent der Deutschen seien nach einer repräsentativen Umfrage der Antidiskriminierungsstelle für die Ehe-Öffnung.

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