Montag, 13. März 2017

Wie sich Anne Will vorführen ließ

von Thomas Heck...

Sternstunden des Journalismus findet man bei ARD und ZDF eigentlich schon lange nicht mehr. Gestern bei Anne Will war ein neuer Tiefpunkt erreicht, als die Arschkriecherei und der anschließende Kniefall einer deutschen Regierung gegenüber der türkischen Adminsitration eindrucksvoll dokumentiert wurde. Bemerkenswert daran: Der  Vertreter der türkischen Regierung, Akif Cagatay Kilic, in Deutschland geborener und aufgewachsener Türke, zeigte, wie die Integration dieser Generation bereits im Ansatz gescheitert ist.



Manchmal sagt ein Moment mehr über eine politische Persönlichkeit aus als monatelanges Agieren. Wie Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) Sonntagabend bei Anne Will auf einmal ins fließende Niederländisch wechselte, um dem Nachbarland sein Bedauern für den Nationalsozialismus-Vergleich des türkischen Präsidenten auszudrücken, war elegant und hatte Format. Gerade angesichts des den Niederlanden von Deutschen zugefügtem Leid im Zweiten Weltkrieg sei die Beschimpfung durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan „besonders schade“, sagte Altmaier auf Niederländisch.

Eine Respektsbekundung war dieser Umgang mit Sprache – und damit etwas ganz anderes, wie Akif Cagatay Kilic in der Talkshow-Sprache einsetzte.

Will hatte zum Ministergipfel eingeladen. Unter dem Titel „Welcher Weg führt aus der Krise mit der Türkei?“ wollte sie kein Duell initiieren, sondern bewusst zur Deeskalation einen konstruktiven Dialog austragen. Mit dem engen Vertrauten von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf der einen Seite und dem Jugend- und Sportminister aus Erdogans AKP auf der anderen Seite.



Wahlwerbung des AKP-Politikers

Wer Kilic nicht kannte, dürfte sich nicht gewundert haben, dass er als türkischer Minister auf Türkisch in die Talkshow einstieg. „Wir haben viele Gemeinsamkeiten, viele Brücken zwischen einander“, übersetzte der Dolmetscher aus seinem Eingangsstatement. Plötzlich wechselte Kilic ins Deutsche – er gehört zu den in Deutschland aufgewachsenen AKP-Politikern, kam 1976 in Siegen zur Welt und wuchs dort auf.

Der Mann kann also glänzend Deutsch – und wechselte doch immer wieder ins Türkische und wieder zurück.

Das stand Kilic frei. Doch das Wechseln der Sprachen war eine leicht durchschaubare Methode. Schelte an deutschen Medien kam auf Deutsch, das Verteidigen von Erdogan-Politik auf Türkisch. Offensichtlich machte Kilic dies mit Blick auf die vielen in Deutschland lebenden Türken und auf das Verfassungsreferendum – eine ziemlich dreiste Wahlwerbung betrieb der 40 Jahre alte Politiker.
Vergleichbare Muster wie bei der AfD

Wer schon mal Auftritte von dem einen oder anderen AfD-Politiker in Talkshows gesehen hat, dürfte vergleichbare Diskussionsmuster erkannt haben. Der AKP-Mann spielte die Klaviatur des Populisten, er machte Andeutungen, wich Fragen aus, provozierte – schade, dass Anne Will und der schon fast zwanghaft um Unaufgeregtheit bemühte Altmaier Kilic das so durchgehen ließen. Vermutlich hatte sich Will mit ihrem Ansatz, einen konstruktiven Dialog zu führen, selbst viel zu enge Fesseln angelegt.

Kilic hatte zu Beginn der Sendung in die Karten gespielt, dass die Niederlande die türkische Familienministerin so provokant gestoppt hatten. „Das kann man nicht akzeptieren“, sagte ihr Kabinettskollege. Auch Altmaiers‘ Anmerkung, für „alle Länder dieser Welt“ gebe es das Recht zu entscheiden, ob ausländische Staats- und Regierungschefs einreisen dürfen, konnten diesen diplomatischen GAU nicht abmildern.

Zumindest etwas aufhorchen lassen dürfte die Türkei, dass scheinbar auch das bisher bei den Einreisen liberale Deutschland ein Verbot nicht ausschließt. Richtig sei, „dass wir natürlich die Entwicklung weiter genau beobachten werden“, sagte Altmaier. Aber ob das schon eine Drohung war?


Ob Drohung oder nicht – Wirkung verpufft

Falls ja, hinterließ sie keinen Eindruck bei dem türkischen Gast. Sollte Kilic für seinen Auftritt in Ankara instruiert worden sein, ist ihm auch nicht Demut mit auf den Weg gegeben worden. So versuchte er allen Ernstes, den Nazi-Vorwurf Erdogans an Deutschland zu relativieren. Die Äußerungen des Präsidenten seien falsch rübergebracht worden. Es sei gesagt worden, dass Deutschland Methoden benutzt, „die an Nazi-Methoden erinnern“ – als ob dieser Vergleich es viel besser machen würde. Pauschal warf Kilic den deutschen Medien vor, „die ganze Zeit negative Nachrichten“ über die Türkei zu verbreiten.

Keinen Zentimeter bewegte sich Kilic in eine Richtung, die auf einen selbstkritischen Umgang mit der international kritisierten Entwicklung in der Türkei deuten könnte.

Neben dem Streit um die Wahlkampfauftritte für das türkische Referendum ging es natürlich auch um die Festnahme des „Welt“-Journalisten Deniz Yücel. „Er ist keine politische Geisel der türkischen Regierung, auf keinen Fall“, behauptete Kilic. Aber wie glaubwürdig ist solch ein Satz von einem Minister, der die türkische Presse trotz der vielen inhaftierten Journalisten als frei bezeichnet? Und die Justiz trotz der öffentlichen Schmähungen Yücels als Spion durch Präsident Erdogan als frei?

Bezeichnend waren auch die Andeutungen und Halbwahrheiten, die Kilic rund um den Fall einstreuen ließ. So ging es um das nicht zustande gekommene Treffen des deutschen Justizministers Heiko Maas mit dem türkischen Justizminister Bekir Bozdag. „Da wünscht man sich, die wären doch zusammen gekommen“, sagte Kilic – dann wären die Fragen um den Fall Yücel schon längst geklärt.

Kilic behauptet, dass das Nichtzustandekommen des Treffens an der Absage eines Wahlkampfauftritts lag – Maas sagte dagegen, er habe nur aus der Presse von dem Besuch erfahren und Bozdag treffen wollen, dies sei dann gescheitert.

Wie es sich mit dem Treffen verhalten hat, war nicht aufzuklären. Genauso wenig ein zweiter Punkt. Kilic nahm eine Behauptung Erdogans aus dem Vorjahr auf, Deutschland beherberge 4000 Terroristen.



Anne Will ermöglichte Werbung für Referendum

Altmaier dröselte zwar auf, wie es aus Sicht der Bundesregierung zu dieser Behauptung kam. Aber ob Kilic das überhaupt wissen wollte, oder ob es ihm um die Finte ging? Denn das Thema hatte er überhaupt angeschnitten mit dem – falschen – Hinweis, dass ja schon eine Viertelstunde über Yücel diskutiert worden sei. So entkam Kilic allen kritischen Fragen zu diesem Fall und konnte auch der Antwort entgehen, was dem Journalisten überhaupt vorgeworfen wird.

Weil Anne Will diesen Finten leider nichts entgegen setzte, verschaffte sie Kilic am Ende auch noch die Gelegenheit für das Verfassungsreferendum zu werben. In einem kritischen Filmbeitrag der Redaktion konstatierte Kilic „schwere Fehler“ beim Team von Anne Will.

Auch diese Finte ließ die Moderatorin ihrem türkischen Gast durchgehen. Denn Kilic durfte dann die angeblichen Fehler mit einer Darstellung seiner Sicht des Referendums korrigieren. Dies beendete er mit dem siegessicheren Satz „die Staatsbürger der Türkei werden am 16. April über das entscheiden, was Ihnen vorgesetzt wird“. Eigentlich hätte in dem Moment die Einblendung kommen müssen, dass diese Sendung staatliche Wahlwerbung für die in Deutschland lebenden Türken war.

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