Sonntag, 30. Juni 2013

Erdogans letzte Karte

von Dr. Eran Yardeni

Sind Sie ein als Politiker ein Versager? Stehen sie am Rand des Abgrunds, kurz vor dem Ende Ihrer nicht unbedingt erfolgreichen politischen Karriere? Leiden Sie an Ihrer politischen Belanglosigkeit? Neigen Sie dazu, in der Nacht das Bett nass zu machen und während des Tages mit Terroristen zu sympathisieren? Wenn ja, dann brauchen auch Sie eine kurze erholsame Kur in Gaza.

Denn Gaza ist schon längst das neue Eldorado verzweifelter Politiker. Zwar kann die biblische Stadt der Philister kein Gramm Gold oder Silber bieten, dafür aber Tonnen von öffentlicher Aufmerksamkeit und damit auch die unbezahlbare Chance, frustrierte Wähler zu verdummen und abzulenken, als könnten alle ihre Probleme auf einen gemeinsamen Nenner reduziert werden - und zwar auf Israel.

Und jetzt, nach Noam Chomsky, Hanin Suabi und Mairead Corrigan, will auch Erdogan nach Gaze pilgern. Was dahinter steht, ist nicht schwer zu erraten. Man kann das „das Landwirtschaft-Prinzip des Antisemitismus“ nennen.

In den letzten Jahren hat Erdogan fleißig und systematisch daran gearbeitet, die türkische Bevölkerung, innerhalb und außerhalb der Türkei, mit Antisemitismus unter dem Deckmantel der Israel-Kritik zu verseuchen. Jetzt will der Obermufti die Früchte seiner Bemühungen ernten, genießen und dann in seinem kunterbunten Obstladen verkaufen.

Mit anderen Worten: Er scheint zu glauben, dass mit einer neuen Provokation, mit einer neuen anti-israelischen Kampagne, die öffentliche Meinung in der Türkei, die momentan auf die Heimatfront fixiert ist, manipuliert werden kann. Die Krux an der Sache ist, dass es überhaupt nicht klar ist, ob er mit seiner Kalkulation falsch liegt.

Schließlich haben alle Diktatoren und anti-demokratischen Elemente in der modernen Geschichte des Nahen-Ostens - vom Großmufti von Jerusalem, über Nasser und bis hin zur Hamas - diese Strategie ziemlich erfolgreich durchgeführt, und das jahrzehntelang. Vor diesem politischen Hintergrund soll man Erdogans Motivation verstehen: Mit seiner Gaza-Initiative signalisiert der osmanische Sultan den Europäern, welcher politischen Tradition er folgt. Aus dem Panarabismus von Nasser ist der Panislamismus von Erdogan geworden.

In beiden Fällen geht es um eine archaische Denkweise, die mit der heutigen politischen Struktur der EU gar nichts zu tun haben sollte.

Dass die EU aber mit einer solchen dekadenten und reaktionären Figur wie Erdogan um einen möglichen EU-Beitritt ernsthaft verhandelt, ist schlimmer als eine Tragödie – das ist einfach eine Farce. Oder wie es Charlie Chaplin mal sagte: Der Unterschied zwischen Tragödie und Komödie ist manchmal ziemlich verschwommen.

Donnerstag, 27. Juni 2013

Ziemlich alt und noch hyperaktiv

von Dr. Eran Yardeni

Mit einem fetten Jahresbudget in Höhe von nicht weniger als 62 Millionen Shekel ist die israelische Präsidentschaft mit Abstand die überflüssigste politische Institution in der Geschichte des Zionismus, vergleichbar nur noch mit dem doppelt besetzten orientalisch-aschkenasischen Oberrabbinat.

Sie ist überflüssig wie ein Blinddarm, dafür aber nicht ganz funktionslos. Denn seit eh und je gilt sie als ein politischer Friedhof, auf dem die Veteranen der israelischen Politik ihre letzte Ruhe finden. Aus der konstitutionellen Perspektive aber ist die Rolle des Präsidenten so wichtig, wie die Frage, in welcher Hand man die Gabel und in welcher Hand das Messer halten soll. 

Ab und zu landeten zwar ein paar helle Kopfe auf dem Präsidentenstuhl, Staatsmänner wie Chaim Herzog und Ytzhak Nawon. Bekannt wurde aber der Erstere vor allem durch seine Rede gegen die Resolution 3379 der UN-Vollversammlung, die den Zionismus mit Rassismus gleichsetzte. Das geschah aber am 10. November 1975, acht Jahren bevor er zum sechsten Präsidenten Israels gewählt wurde. Nawon hingegen ging in die Geschichte als der erste Präsident ein, der nach fünf Jahren im Amt den Weg zurück aus dem Totenreich der Präsidentschaft ins politische Leben gefunden hat. Er hatte das Prinzip sehr schnell verstanden: Der Präsident kann die politische Zukunft Israels genau so gut beeinflussen, wie der Meteorologe das Wetter.

Aber solange die Präsidentschaft nur überflüssig war, war es auch nicht so schlimm. Die Probleme begannen erst später, mit Weizman und Katzav. Mit den geschmacklosen und sexistischen Witzen von Ezer Weizmann könnten die Israelis noch leben. Als sie aber miterleben müssten, wie aus dem feuchten Keller von Moshe Katzav eine Leiche nach der anderen an die Öffentlichkeit drängte, wurde es vielen zu viel.

Unter solchen Umständen war es jedem klar, dass nur Shimon Peres den Ruf dieser überflüssigen Institution wiederherstellen konnte. Zu elitär für sexistische Witze und zu alt für peinliche Vorspiele sollte Peres mit seiner Persönlichkeit mit seinen internationalen Kontakten frische Luft in das Amt bringen. Das hat Peres auch gemacht.

Das Problem ist nur, dass er nicht müde genug ist für diese Stelle. Deshalb hat er 2008 die Präsidentielle Konferenz imitiert. Eine pompöse Veranstaltung, die zum Egotrip geworden ist. Was die Finanzierung anbelangt (11 Millionen Shekel), soll sich der Steuerzahler keine Sorgen machen: Das Geld wird gespendet. Der Staatskontrolleur freilich ist der Meinung, dass sich so etwas nicht gehört.

Über die Geschäftsleute, die eine staatliche Veranstaltung des israelischen Präsidenten finanzieren und über einen Präsidenten, der damit kein Problem hat und dabei die Meinung des Staatskontrolleurs ignoriert, könnten die Bruder Grimm ein schönes Märchen schreiben. Als Titel würde ich vorschlagen: „Der Blinddarm, der ein Herz sein wollte.“ 

Dienstag, 25. Juni 2013

"Wir praktizieren Datenschutz, die anderen lesen unsere Daten"

von Thomas Heck

Angesichts der “Skandale” von NSA und dem britischen Geheimdienst, die von selbsternannten Robin Hoods, aufgedeckt wurden, werden unsere Politiker ganz aufgeregt und sind offensichtlich von allgemein bekannten Tatsachen überrascht worden, was nicht für die Qualität unserer Politiker spricht. In ihrem Tatendrang fordern sie ein europäisches Facebook, ein europäisches Google, in der irrigen Annahme, damit einem deutschen Datenschutz genügen zu können.

Doch das eigentliche Problem ist nicht der Datenschutz, sondern unsere Unfähigkeit, mit unseren Daten umzugehen. Wie kann es sein, dass in Deutschland 1,5 Mio. weniger Menschen leben, als bislang angenommen? Wie kann es sein, dass unsere Meldeämter offensichtlich keinen Überblick mehr haben, wer wo wohnt? Früher musste man in Deutschland zur Anmeldung beim Einwohnermeldeamt einen Mietvertrag vorweisen. Heute braucht man das nicht mehr, mit der charmanten Folge, dass Sie als steuerzahlender Bürger vielleicht Untermieter in Ihrer Wohnung haben, die Sie gar nicht kennen.

Wenn also demnächst ein Sondereinsatzkommando der Polizei Ihre Wohnungstür sprengt, könnte es damit zu tun haben, dass bei Ihnen die Mafia oder Salafisten gemeldet sind. Dem unbescholtenen Bürger, der nach einer solchen Aktion, wie sie in Berlin nicht selten vorkommt, von der Meldebehörde Auskunft darüber erhalten möchte, wer bei ihm denn noch so wohnt, wird sich wundern: Keine Informationen aus Datenschutzgründen, so die sonore Antwort renitenter Beamter.

Begonnen hat das Unheil mit der Volkszählung 1987, wo sich erstmals gegen die Sammelwut des Staates Widerstand erhob, der sich an simplen Fragen entzündete, wie viele Personen im Haushalt leben und ob die Wohnung ein Innen- oder Aussen-Klo hat. Ja, so etwas gab es noch 1987. Seit dem ist der Datenschutz perfektioniert worden und steht uns mittlerweile selbst im Wege. Wir praktizieren Datenschutz, die Anderen lesen unsere Daten.

Beim nächsten Anschlag wird wieder die Forderung nach verstärkter Videoüberwachung kommen, was in schöner Regelmäßigkeit von der Opposition als Aktionismus betitelt und zurückgewiesen wird. In diesem Zusammenhang kommt auch immer die Frage, ob denn durch Video-Überwachung Anschläge verhindert werden könnten. Dass sich keiner traut zu sagen, dass es vielleicht sinnvoll ist, nach einem Anschlag, schnell die Täter zu fassen, um sie einer Bestrafung zuzuführen, wird mir immer ein Rätsel bleiben.

Daher halte ich es mit dem Grundsatz, dass es mir ziemlich egal ist, wer meine Daten liest. Denn wirklich wichtige oder für mich geheime Informationen leite ich nicht per Mail weiter und bespreche diese nicht am Telefon, sondern unter vier Augen. Wenn ich ein Flugzeug oder einen Bus besteige oder bei meiner Bank Geld abhebe, so akzeptiere ich, dass ich gefilmt werde. Ich bin bereit diesen Preis zu bezahlen. Und wenn ich im Telefongespräch mit meinem Vater aus welchen Gründen auch immer das Wort “Bombe” erwähne, was wir als Scherz regelmäßig machen, so muss man wissen, dass die NSA das mitbekommt. Und das ist auch gut so, denn das ist die Aufgabe von Geheimdiensten. Ich befürchte nur, dass unser BND als einziger westlicher Geheimdienst so bescheuert ist und sich an Recht und Gesetz hält und von Anschlägen auch nur aus den Nachrichten erfährt. In diesem Sinne wünsche ich den Kollegen von NSA und MI6 weiterhin viele Spaß beim abhören und immer eine gute Jagd. Danke für Eure Arbeit…

Samstag, 8. Juni 2013

Wir sehen uns auf der Frauentoilette

von Dr. Eran Yardeni

Sollten Fußballer und Feministinnen etwas gemeinsam haben, wäre es bestimmt ihre tragisch-komische Unfähigkeit, rechtzeitig von der Bühne der Weltgeschichte abzutreten. Berauscht und betäubt von nostalgischen Gedanken an die schönen alten Zeiten, müssen sie miterleben, wie ihr Weltruhm allmählich zur peinlichen Farce wird. In diesem Sinne hat die neue Initiative der Universität Leipzig, die weibliche Bezeichnung „Professorin“ auch auf Männer anzuwenden, mehr mit Diego Maradona zu tun als mit Alice Schwarzer.

In der westlichen Welt und vor allem in Deutschland erreichte der Feminismus den Punkt, vor dem jeder Revolutionär bzw. jede Revolutionärin Angst haben muss. Es geht um den Moment, in dem die Avantgarde der Geschichte erfahren muss, dass die Revolution alle ihre Ziele erreicht hat. Mission erfüllt! Diese Erkenntnis ist so traumatisch und ernüchternd, dass man im Lauf der Geschichte so gut wie nie auf Revolutionäre trifft, die aus intellektueller Ehrlichkeit die Fahne der Revolution mit aus der Hand legen.

Was meistens passiert, ist genau das Gegenteil: Die unruhigen Seelen der Weltverbesserer können der Versuchung nicht widerstehen, einfach weiter zu revolutionieren. Um ein solches Handeln zu rechtfertigen, denkt sich der Revolutionär neue Ziele aus, die mit den ursprünglichen Zielen der Revolution nichts mehr zu tun haben.

Die Aktion in Leipzig ist nicht mehr als einen Versuch, den Feminismus künstlich am Leben zu erhalten.

Wer im Namen des Feminismus die Professoren „Professorinnen“ nennen will, der macht aus der Befreiung der Frauen nicht nur einen unlustigen Witz, sondern er zeigt auch, dass der Feminismus nicht anders ist, als die Verwandlung des alten und bekannten Chauvinismus. Denn wer immer der Meinung war, dass Frauen einen Anspruch auf weibliche Bezeichnungen haben, der musste auch die Meinung vertreten, dass die Männer den gleichen Anspruch auf männliche Bezeichnungen haben sollten.

Mit der neuen Initiative will man aber keine Gleichberechtigung erreichen. Man macht damit die ersten Schritte in Richtung einer linguistischen Liquidierung der Männlichkeit in der akademischen Sphäre.

Das ist Unterdrückung par excellence. Das Einzige, was diese neue Form von Unterdrückung „legitimiert“, ist die Tatsache, dass dieses Mal die Männer diskriminiert werden, während die Frauen ihre Machtposition ausleben. Das macht die Initiative selbstwidersprüchlich. Was sie aber lächerlich macht, ist die Tatsache, dass sie unnötig ist. Ihre Überflüssigkeit schreit zum Himmel. Dass eine Universität in Deutschland sich mit solchen Belanglosigkeiten beschäftigt, sollte den Steuerzahler extrem stutzig machen.

Wäre ich ein Mitarbeiter der Uni-Leipzig, würde ich als „Professorin“ ab sofort auf den Frauenparkplätzen parken (ja, so etwas gibt es in Deutschland auch) und die Frauentoiletten aufsuchen. Auch auf die Gefahr hin, dass ich wegen Sexualbelästigung verklagt werde. Zivilcourage hat eben ihren Preis.

Mittwoch, 5. Juni 2013

Erdogan über Bord!

von Dr. Eran Yardeni...

Der Brandstifter von Ankara verliert nach und nach die Kontrolle über sein rebellierendes Volk. Und was macht ein osmanischer Intrigant, wenn er nicht mehr Herr der Situation ist? Wie ein erfahrener Kapitän eines sinkenden Schiffs versucht er, zuerst die schwersten Sachen über Bord zu werfen, um dadurch sein rostiges Wrack noch etwas länger über Wasser zu halten. So schmeißt Erdogan zuerst seine eigene Verantwortung für die Situation über Bord und weist darauf hin, dass irgendwelche ausländischen Mächte hinter den Protesten stehen.

In diesem Sinne ist der Brandstifter von Ankara eher wie ein Fisch: Er kann sich nur an die letzten zwei Sekunden erinnern. Was vorher passiert ist, gerät rasch in Vergessenheit oder wird einfach verdrängt. Sonst hätte der moderne Obermufti bestimmt nicht vergessen, wie er sich als „ausländische Macht“ in die inneren Angelegenheiten Deutschlands, vor allem in die Integrationsdebatte, ständig einmischte. Mit seinen kontraproduktiven Auftritten, wie im Februar 2011 in Düsseldorf, und mit seinem Appell an die in Deutschland lebende türkische Bevölkerung, zuerst Türkisch und erst dann Deutsch zu lernen, war er seinen Landesleuten genau so hilfreich wie vorher der Kommunismus den Armen.

Die Krux an der Sache ist, dass die Neigung von Erdogan ausgerechnet bei großer Hitze mitten im Wald mit dem Feuer zu spielen, überhaupt nicht neu ist. Seine Verachtung der Demokratie und den westlichen Werten gegenüber sowie seine tyrannischen Manieren waren schon da, lange bevor die erste Barrikade in Istanbul errichtet wurde. Und das können am bestens die Israelis bezeugen. Denn auf dem Altar des Islamismus hat Erdogan nicht nur die Alkoholpreise in der Türkei geopfert, sondern auch die Beziehungen mit Israel und damit die Stabilität der ganzen Region.

An Beispielen mangelt es nicht: Die Terroristen der Hamas bezeichnete er als Freiheitskämpfer; mit TV-Serien, wie „Tal der Wölfe“, in denen die Juden als Kindermörder dargestellt werden, wurde eine Generation von jungen Türken mit dem Virus des Antisemitismus infiziert. Er hat die israelische Politik gegenüber den Palästinensern angegriffen, was ihn aber nicht davon abhielt, gleichzeitig die Kurden zu unterdrücken und Nordzypern besetzt zu halten.

Dass kaum jemand in Deutschland die antiisraelische die antisemitische Politik von Erdogan zum Anlass genommen hat, um diesen Feind der Moderne bloßzustellen, dass trotz seiner skurrilen Auftritte in Deutschland sich immer genug Politiker gefunden haben, die ihm beim Eintritt in die EU die Tür aufhalten wollten, dass die Zeitungen über den wirtschaftlichen Aufschwung in der Türkei berichteten, ohne die politische Dekadenz zu erwähnen, all das kann uns etwas über die selektive Wahrnehmung der deutschen Politik und über den Realitätsverlust der deutschen Presse lehren.

Sonntag, 2. Juni 2013

Ein Drittel arbeitet, ein Drittel dient in der Armee und ein Drittel zahlt Steuern

von Dr. Eran Yardeni

Bevor er auf dem Ledersessel des Finanzministers landete, hatte Yair Lapid in seiner vielseitigen Karriere viel geschafft. Neben seinem Job als Autor, Journalist und TV-Moderator war er auch ein Hobbyboxer und hat sogar einen schwarzen Gürtel in Karate.

Das kann vielleicht erklären, warum Lapid mit seinem neuen Wirtschaftsplan das Genick des israelischen Mittelstands brechen will und damit auch die Wirbelsäule der israelischen Gesellschaft, die schon an akuter Skoliose und Postural-Kyphose leidet.

Seinen politischen Erfolg hat Lapid vor allem den produktiven Elementen der israelischen Gesellschaft zu verdanken, d.h. den berufstätigen Männern und Frauen, dank deren Steuern die zionistische Idee weiter leben kann. Aus zwei Gründen sollte Lapid diesen Teil der Bevölkerung entlasten. Zuerst weil die Mittelschicht der wirtschaftliche Motor der Gesellschaft ist - nicht nur weil sie Steuer zahlt, sondern vor allem, weil sie Produkte verbraucht, was wiederum neue Arbeitsplätze schafft.

Um verbrauchen zu können braucht man aber Geld. Deshalb ist es kein Wunder, dass die Mittelschicht nach Entlastungspolitik und Steuersenkung schreit.

In diesem Sinne kritisierte auch Prof. Yaron Zalicha die Wirtschaftspolitik von Lapid. Der so genannte private Konsum, behauptet Zalicha, ist der wichtigste und effektivste Wachstumsmotor. Aber genau dieses Wachstumsmotor wird durch ständige Steuererhöhungen abgewürgt Um ein Beispiel zu nennen: Wer heute bis (nicht ab!) 10,000 Shekel monatlich verdient (ca. 2000 Euro), muss bald 1% mehr Einkommensteuer bezahlen. Und das trotz der gigantischen Proteste der Mittelschicht im letzten Sommer.

Neulich wurde auch die Mehrwertsteuer erhöht - auf 18%. Dazu gehen auch die Benzinpreise in die Höhe. Und wenn die Benzinpreise steigen, steigen auch die Preise für den öffentlichen Verkehr und für viele andere Produkte, denn jedes Produkt muss irgendwann transportiert werden. Am Ende des Monats bleibt „den arbeitenden Menschen“, wie Lapid die Mittelschicht nennt, wenig übrig. Andere Einmahnquelle, wie Kindergeld, hat Lapin auch schon im Visier, weil er die Orthodoxen auf den Arbeitsmarkt zwingen will.

Dass Problem liegt darin, dass auch die immer ärmer werdende Mittelschicht auf das Kindergeld angewiesen ist und nicht nur die Orthodoxen. Übrigens pro Kind bekommt eine israelische Familie umgerechnet ca. 40 EUR monatlich – in Deutschland sind es 184 Euro. 

Auf den zweiten Grund hat Lapid selbst hingewiesen, als er vor einer massenhaften Auswanderung von jungen begabten Leuten warnte. Vor dem Hintergrund der hohen Mieten und der katastrophalen Preise auf dem Immobilienmarkt bezeichnete Lapid die heutige Situation als Notlage und verglich sie mit den Zuständen Anfang der 90er Jahre, als Israel in kurzer Zeit ca. Million Einwanderer aufnahm.

In der israelischen Mittelschicht erzählt man sich heutzutage den folgenden Witz: Die israelische Gesellschaft besteht aus drei Teilen. Ein Drittel arbeitet, ein Drittel dient in der Armee und ein Drittel zahlt Steuern.

Das Problem ist, dass es immer um dasselbe Drittel geht. Genau gegen diese ungleiche Verteilung der Lasten müsste Lapid etwas unternehmen. Aber der Hobbyboxer und Karate-Spezialist will ausgerechnet das einzige produktive Drittel k.o. schlagen.